Heft 2, Jahrgang 141 - Canisianum
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150-JAHR-JUBILÄUM DES NIKOLAIHAUSES / COLLEGIUM CANISIANUM<br />
Sakramentsaltar in der Petersbasilika, und ich<br />
lernte das Amt des mir eben beigegebenen<br />
Engels besser verstehen. Meine Seele lag<br />
darnieder in ihrer Missgestalt, Unreinheit,<br />
Schlaffheit und mit vielen Fehlern und bösen<br />
Neigungen behaftet. Da wandte sich der heilige<br />
Engel zum Thron Deiner Majestät, er wies<br />
auf die Größe und Vielfältigkeit meiner eigenen<br />
Unwürdigkeit und Schwachheit hin. So<br />
erkannte ich klar, wie unwürdig ich sei, zur<br />
Ablegung der Professgelübde hinzuzutreten.<br />
…<br />
„Darauf eröffnetest du mir gleichsam das Herz<br />
deines heiligsten Leibes, und es war mir, als<br />
ob ich es unmittelbar erschauen dürfte. Du<br />
hießest mich, aus jenem Quell zu trinken und<br />
fordertest mich auf, die Wasser meines Heiles<br />
aus Deinen Quellen zu schöpfen, mein<br />
Heiland (vgl. Is 12,3). Mein ganzes Verlangen<br />
war, dass Ströme des Glaubens, der Hoffnung<br />
und der Liebe sich aus diesem Quell auf mich<br />
ergießen möchten. Ich dürstete nach Armut,<br />
Keuschheit und Gehorsam. Ich verlangte, von<br />
Dir ganz abgewaschen, bekleidet und<br />
geschmückt zu werden. Da ich nun Dein<br />
süßestes Herz zu berühren und mein sehnendes<br />
Verlangen in ihm zu stillen wagte, hast Du<br />
mir ein dreifaches Gewand verheißen, das die<br />
Blöße meiner Seele zu bedecken vermöchte<br />
und das gerade für die Stunde der Ablegung<br />
der Professgelübde so ganz entsprechend<br />
sei; das dreifache Gewand aber war Friede,<br />
Liebe und Beharrlichkeit. Mit diesem Gewand<br />
des Heiles angetan, durfte ich vertrauen, dass<br />
nichts mir fehlen und alles zu Deiner<br />
Verherrlichung sich wenden werde.“ (B.<br />
Schneider, Briefe S. 25f)<br />
Nach dem Gebet und dieser Vision begab er<br />
sich zur Gelübdemesse, die der hl. Ignatius<br />
zelebrierte. Anfangs war er wieder mutlos<br />
wegen seiner Sünden und Unvollkommenheiten,<br />
doch bei der Wandlung bekam er wieder<br />
neuen Mut geschenkt und spürte, dass<br />
ihm alle Fehler verziehen waren: „Du hast<br />
mich gnädig dazu hingeführt, dass ich fürderhin<br />
als Neues Geschöpf lebte und nur mehr<br />
meine völlige Hinwendung zu Dir vor Augen<br />
habe.“ (Schneider, Briefe, S. 26f). Der Engel<br />
bedeutete ihm, er solle auf ihn Rücksicht nehmen,<br />
sich seiner Gegenwart immer bewusst<br />
sein und ihn immer an seiner Seite lassen.<br />
So hat Petrus Canisius im Kirchlein „Maria<br />
vom Wege“ die Professgelübde abgelegt. Mit<br />
den Gelübden war seine Sendung nach<br />
Deutschland verbunden, zu der er unmittelbar<br />
nach seiner Profess zusammen mit zwei<br />
Gefährten, Le Jay und Alonso Salmeron, aufbrach.<br />
In Bologna machte er einen Halt und<br />
bekam dort den Doktor in Theologie verliehen.<br />
Dann zogen die drei weiter nach Ingolstadt.<br />
Sie hatten zwei Aufgaben: an der Universität<br />
von Ingolstadt Vorlesungen zu halten und in<br />
der Pastoral tätig zu sein und von dort aus<br />
sich möglichst in ganz Deutschland für die<br />
Sache der Kirche einzusetzen. So begann ein<br />
unstetiges apostolisches Wanderleben von<br />
Stadt zu Stadt, von Land zu Land. Er predigte<br />
in Dorfkirchen und Kathedralen, lehrte an<br />
Universitäten, besuchte Krankenasyle und<br />
Gefängnisse, war Berater von Königen,<br />
Fürsten und Päpsten, vermittelte zwischen<br />
streitenden Parteien und fand dazwischen<br />
auch Zeit, zu schriftstellerischer Tätigkeit. Er<br />
war zwischen 1550 und 1570 der Mittelpunkt<br />
der gesamten katholischen Reformbewegung<br />
in den deutschen Ländern. Seine Reise führte<br />
ihn von Ingolstadt nach München, Innsbruck,<br />
Wien, Prag, Krakau, Münster und Rom. Zählt<br />
man die Km-Strecken seiner Reisen zusammen,<br />
ergibt das einen Jahresdurchschnitt von<br />
ungefähr 2000 Kilometern.<br />
Wollte man seine Sendung charakterisieren,<br />
dann könnte man drei Punkte hervorheben:<br />
1. Christozentrik: Petrus Canisius war durch<br />
die Exerzitien tief erfasst von Christus. Nicht<br />
Strukturreform, nicht Organisation, sondern<br />
die Liebe zu Christus war die Mitte seiner<br />
Reformbestrebung. Dabei war er ein ganz<br />
nüchterner Mensch, auch in seinen Briefen<br />
meist ohne viel Emotionalität. Er verbirgt sich<br />
ganz hinter seiner Sendung. Vielleicht ist er<br />
deshalb eigentlich nie so recht populär geworden,<br />
etwa so wie Franz Xaver oder der hl.<br />
Antonius. Und doch diese unglaubliche<br />
Wirkung. Sie ist zurückzuführen auf seine<br />
beharrliche, nüchterne Pflege seiner christozentrischen<br />
Frömmigkeit. Das Herz Jesu war<br />
für Petrus Canisius die Quelle des Trostes und<br />
der Liebe und des Friedens. Zu dieser<br />
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