händen hat er gearbeitet, mit menschlichem Geist gedacht, mit einem menschlichen Willen hat er gehandelt, mit einem menschlichen Herzen geliebt.“ Gott hat sich im Sohn den Menschen gleich gemacht. Daher bekommt alles menschliche Handeln, so es versucht, sich IHM anzugleichen, sich an IHM auszurichten, die Farbe, den Glanz Gottes in Christus. Die Herz- Jesu-Verehrung wird so, nach den Worten von Papst Pius XII. (Haurietis aquas, Nr. 84) „die wirksamste Schule der Liebe Gottes“. Von hier aus noch einen Blick auf einen Gedanken, der mit der Herz-Jesu-Verehrung immer verbunden war: den Gedanken der Sühne. Das Zentrale in der Herz-Jesu-Verehrung ist die Feier der Liebe Gottes, die in Jesus Fleisch annimmt und sich hingibt in den Tod für das Leben der Welt. Alle Menschen, die sich in dieses Geheimnis versenkt haben, fühlten sich gedrängt, seine sich hingebende Liebe nachzuahmen, liebend beim Herrn, aber auch bei den leidenden Menschen auszuharren. Anknüpfend bei der Frage der Exerzitien (GÜ 53): „Was kann ich für Christus tun?“, fragt auch die Kirche heute angesichts der Sünde und des Leids in der Welt: was kann / soll ich für Christus tun? Sie sucht eine Antwort der Liebe auf erfahrene Liebe. In der Betrachtung zur Erlangung der Liebe sagt Ignatius, man solle die Liebe mehr in die Taten als in die Worte legen, und die Liebe besteht im Teilen dessen, was man empfangen hat (GÜ 230). Wir können also sagen, wenn bei der Betrachtung der Liebe Christi in einem Menschen der Gedanke erwacht, die erfahrene Liebe des Herrn weiterzuschenken, wenn ich von Christus und seiner Liebe betroffen und von Mitleid bewegt bin, dann hat mich seine Liebe erreicht. Ohne die Gnade der Liebe aus dem Herzen Jesu, unseres Retters, sind wir zu dieser Verehrung nicht fähig. Der Sühnegedanke kann sich uns neu erschließen aus der Frage: was soll ich für Christus tun? Und der Sehnsucht, am Werk der Erlösung mitzuwirken und mich ihm zu weihen. Eine Kultur des Herzens Jesu ist somit – kurz gesagt – eine Kultur der Dankbarkeit, der Bereitschaft zur Hingabe und Solidarität, des Lebens. Wir erkennen immer besser, „dass das edelste Ziel nicht zu erreichen, die gerechteste Sache 10 150-JAHR-JUBILÄUM DES NIKOLAIHAUSES / COLLEGIUM CANISIANUM nicht zu verfechten, der großherzigste Dienst nicht zu leisten ist, es sei denn als Antwort auf die Liebe Christi. Wir weihen uns der Liebe dieses Herzens. Weil es sich für uns hingegeben hat, geben wir uns liebend hin an den Dienst für sein Reich. (Kolvenbach, Das „munus suavissimum“ Vortrag in Pary-le-Monial, 1989, GT 17, 25). Anregung zum Gebet: 1. Herr, lehre mich das Vertrauen. Hören wir hinein in uns selbst und nehmen wir die zahlreichen kleinen und großen Ängste um uns selbst wahr, unser häufiges Kreisen um uns selbst, und weiten wir den Blick und das Herz hin zur Weite und Tiefe des Herrn und seiner Anliegen und seines Betens. 2. Lehrer der Vollkommenheit (Zartfühligkeit). Die Heiligen, so auch Claude de la Colombiére, hatten ein feines Gespür für Sünde und Unvollkommenheit. Wie ist das bei mir? Ich habe in der geistlichen Begleitung auch junger Menschen oft gestaunt über ihre Reife und Feinheit des Gewissensurteils. Es gibt ein Bild, das oft in der Geschichte der Spiritualität auftaucht: Es ist der Vogel auf der Leimrute (Evagius Ponticus, Augustinus, Johannes vom Kreuz): ein Vogel, der auf einer Leimrute klebt, kann nicht fliegen. Und wenn es auch nur ein Federchen ist, mit dem er klebt, oder auch nur ein Glied seines Füßchens, er kann nicht aufsteigen. Was sind die Dinge, an denen ich klebe und die mich hindern, Jesus wirklich näher zu kommen? Ist es mein feiner Ehrgeiz, meine Empfindlichkeit, oder ein gewisses Kreisen um mich selbst? 3. Gott in allem, alles in Gott: Nimm hin Herr und empfange meine ganze Freiheit, meinen Verstand und meinen ganzen Willen… Kannst Du dieses Gebet schon sprechen? 4. Kultur nach dem Herzen Jesu. Welche Haltungen, die ich am Herrn und seinem Herzen betrachte, möchte ich für meinen Charakter annehmen, an welchen Haltungen möchte ich erkannt werden und hineinwirken in meine kleine Welt und auf andere Menschen? Möge der Geist von Claude La Colombiére, den sich Gott für das „munus suavissimum“ auser-
150-JAHR-JUBILÄUM DES NIKOLAIHAUSES / COLLEGIUM CANISIANUM wählt hat, die Verehrung des Herzens Jesu zu verbreiten und zu pflegen, auch in uns im <strong>Canisianum</strong> wirksam werden. Wir wollen uns in sein Herz versenken und uns seiner unendlichen Liebe aussetzen und weihen, die einer tiefen Erkenntnis des Herzens Jesu entspringt: „Heiligstes Herz Jesu, lehre mich die Selbstlosigkeit, denn sie ist der einzige Weg zu Dir (…) Lehre mich, was ich tun muss, um zur Reinheit Deiner Liebe zu gelangen, nach der es mich durch Deine Gnade verlangt. Herr, vollbringe Deinen Willen in mir. Ich weiß, dass ich ihm widerstehe, obwohl ich es nicht möchte. Handle Du in mir, göttliches Herz Jesu Christi.“ (Exerzitienaufzeichnungen von La Colombiére, Januar 1677). Severin Leitner SJ 11