Heft 2, Jahrgang 141 - Canisianum
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Das Herz, in welchem die bedingungslose Liebe<br />
zu den Menschen in all seiner Fülle enthalten ist,<br />
ist das Herz des Gottmenschen Jesus Christus,<br />
das Heiligste Herz Jesu, das hier im Collegium<br />
<strong>Canisianum</strong>, seit seiner Gründung vor 150<br />
Jahren im ehemaligen Nikolaihaus, stets in<br />
besonderer Weise verehrt worden ist. Das geöffnete<br />
Herz des Erlösers ist in einzigartiger Weise<br />
Zeichen und Sinnbild der unermesslichen Liebe<br />
Gottes zu den Menschen, um die er sich beständig<br />
und unaufhörlich müht. Das Geheimnis der<br />
Liebe Gottes ist vor allem Gegenstand der Herz-<br />
Jesu-Verehrung, der christozentrischen Frömmigkeitsform<br />
der Liebe schlechthin.<br />
Mit seiner Enzyklika „Deus caritas est“ knüpft<br />
Papst Benedikt XVI., wie er es in einem offenen<br />
Brief an den Generaloberen der Gesellschaft<br />
Jesus vor zwei Jahren (15. Mai 2006) selbst<br />
angesprochen hat, bewusst immer wieder an die<br />
genau 50 Jahre zuvor von Papst Pius XII. veröffentlichte<br />
Enzyklika “Haurietis aquas“ an, welche<br />
die Herz-Jesu-Frömmigkeit zum besonderen<br />
Thema hat. Gemäß der Enzyklika „Haurietis<br />
aquas“ bilden die Grundlage der kirchlichen<br />
Herz-Jesu-Verehrung nicht die Privatoffenbarungen<br />
von Paray-le-Monial, die vor über 330<br />
Jahren ihren Anfang nahmen, sondern die lehramtlichen<br />
Verlautbarungen der Päpste, die die<br />
Herz-Jesu-Verehrung vor allem in der Heiligen<br />
Schrift, dem Dogma der hypostatischen Union<br />
und der langen Tradition der Übung und Pflege<br />
dieser Frömmigkeitsform der Liebe verankern.<br />
Die kirchliche Herz-Jesu Verehrung ist von zwei<br />
theologischen Prinzipien getragen, so sagen die<br />
Enzykliken: von der Reparatio, der Sühne, und<br />
der Consecratio, der Weihe, und diese beiden<br />
Prinzipien sind auf den Vollzug der göttlichen<br />
Liebe hin zu betrachten.<br />
Reparatio, Sühne, heißt Wiedergutmachung und<br />
Wiederherstellung der verlorenen und preisgegebenen<br />
Liebe. Die Reparatio richtet sich gegen<br />
Krieg und Gewalt, gegen Hass und Feindschaft<br />
und damit gegen die Wurzel aller Sünde. Den<br />
Hass, den andere gesät haben, versucht sie zu<br />
tilgen. Den Krieg, den andere begonnen haben,<br />
will sie beenden. Worte und Taten, die Hass und<br />
Feindschaft provozieren, kann sie vermeiden.<br />
Böses darf nicht mit Bösem vergolten werden,<br />
sondern durch Verzeihung und Gesprächsbereit-<br />
30<br />
150-JAHR-JUBILÄUM DES NIKOLAIHAUSES / COLLEGIUM CANISIANUM<br />
schaft, durch Unvoreingenommenheit und Kompromissbereitschaft<br />
wollen wir für den Frieden<br />
eintreten und wiedergutmachen, was zerstört<br />
worden ist. Friede ist nicht Abwesenheit des<br />
Krieges, sagt Papst Johannes Paul II., sondern<br />
Mitarbeit und Erneuerung.<br />
Consecratio, Weihe, heißt überzeugte Hingabe<br />
an und aktiver Einsatz für die liebende Verständigung<br />
unter den Menschen. Die Consecratio<br />
setzt sich konsequent und positiv für die praktizierte<br />
Liebe des Verzeihens und Wiedergutmachens<br />
ein und fördert Versöhnlichkeit und<br />
Wohlwollen, Milde und Konstruktivität. Wenngleich<br />
in allen Kontinenten, Ländern, Städten und<br />
Familien immer wieder Krieg und Kampf, Streit<br />
und Entzweiung vorherrschen, so ist dies kein<br />
Grund zu resignieren, sondern Aufruf, hingebungsvoll<br />
der Liebe zwischen den Menschen und<br />
dem Frieden zu dienen. Trotz Gewalt und Rache<br />
versucht die Hingabe in uns Wohlwollen und<br />
Liebenswürdigkeit zu erwecken und in die Tat<br />
umzusetzen.<br />
Die Herz-Jesu-Verehrung ist in diesem Sinne von<br />
einzigartiger sozialer und gesellschaftlicher<br />
Brisanz und Aktualität. Sie gehört nicht der<br />
Vergangenheit an, sondern sie richtet unseren<br />
Blick in die Gegenwart und Zukunft, um auf<br />
Christus zu schauen, wie der Heilige Vater in seiner<br />
vorjährigen Reise nach Österreich gelehrt<br />
hat. Die Herz-Jesu-Verehrung fördert unsere<br />
Beziehung zum Gottmenschen Jesus Christus<br />
und zum Nächsten und das göttliche und wohlwollende<br />
Zusammenleben der Menschen untereinander.<br />
„Die Welt braucht unser Zeugnis gerade<br />
heute“, sagte Benedikt XVI. am 8. September<br />
2007.<br />
Geleitet von den zwei Grundgedanken der Herz-<br />
Jesu-Verehrung, Reparatio et Consecratio,<br />
Wiedergutmachung und Hingabe, können zwischenmenschliche<br />
Beziehungen reifen und<br />
gelingen. In der Liebe sind wir unserem Herrn<br />
und Erlöser Jesus Christus verpflichtet und in der<br />
Liebe wollen wir ihm nachfolgen. Nur die Liebe<br />
Gottes, der sich für uns hingegeben hat, ermöglicht<br />
uns, frei zu werden und das wahre Leben zu<br />
suchen und zu finden, so sagte Papst Benedikt<br />
XVI. am 9. September 2007 in Wien.