Kurzgeschichten - SpecFlash
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version‚ Remix, oder Sampling in Ordnung. Da freut<br />
sich doch die GEMA! Das neue Arrangieren und<br />
geringfügige Variieren bereits bekannter Tonabfolgen<br />
hat im Bereich der Musik also eine lange Tradition.<br />
Länger, als das Prinzip des Remakes, oder Reimaginings<br />
im Film. Man denke in jüngerer Vergangenheit<br />
dabei nur an Joe Cocker, der seinen Durchbruch<br />
letztendlich nur with a little help from his friends John<br />
Lennon und Paul McCartney geschafft hat, welche<br />
ihrerseits wiederum zu Anfang mit Chuck Berrys Hilfe<br />
rund um die Uhr gerockt sind. Oder wer hätte denn<br />
gewusst, dass Sinead O´Connors Nothing compares<br />
to U ursprünglich von Prince stammt, oder Janis<br />
Joplins Me and Bobby McGee von Kris Kristofferson?<br />
Peter, Paul and Mary bliesen zudem ungleich erfolgreicher<br />
in den Wind, als Bob Dylan.<br />
Im Bereich der Bewegten Bilder sei hier noch der<br />
O.S.T von MICMACS À TIRE-LARIGOT (R: Jean-Pierre<br />
Jeunet, F 2009) erwähnt. Dieser wurde von Klangbildhauer<br />
Raphaël Beau<br />
gestaltet – mithilfe alter O. S. T.´s von Max Steiner.<br />
So ist es auch zu erklären, dass der Film in Nuancen<br />
verdächtig nach CASABLANCA (R: Michael Curtiz, USA<br />
1942), oder VOM WINDE VERWEHT (R: Victor Fleming,<br />
USA 1939) klingt. (Anm.:<br />
http://www.bbc.co.uk/music/reviews/4nvh) Ergo: Plagiate<br />
wohin das Ohr auch reicht. Und wir sind es ja mittlerweile<br />
schon gewohnt, dass Western-Szenarien mit<br />
Klängen unterlegt werden, wie sie bereits in den<br />
1960er Jahren Ennio Morricone mit Filmen wie der<br />
‚Dollar-Trilogie’ eingeführt hat. Eine blechern scheppernde<br />
Trompete, wie das damals bei EINE HAND-<br />
VOLL DOLLAR (R: Sergio Leone, I/S/D 1964) der Fall<br />
war. Harte Klänge einer nicht unbedingt einwandfrei<br />
gestimmten Gitarre wie sie ein El Mariachi durch die<br />
endlosen Weiten der Prärie mit sich in einem Koffer<br />
spazieren trägt. Dazu die klagende Arie einer hochgeschraubten<br />
Sopranistin, die über The Ecstasy of Gold<br />
singt. Ferner ein klimperndes Klavier, wie es gefälligst<br />
in jedem verstaubten, abgewrackten Saloon im<br />
Wilden Westen zu stehen hat …<br />
Nah(end)er O.S.T. – Konflikt:<br />
Melodien von und für Millionen?<br />
Selbstverständlich sollen bei den Bats von Hans<br />
Zimmer keine Assoziationen zu Wagners Nibelungenring<br />
aufgebaut werden, auch nicht zum Donauwalzer<br />
und allem, wofür er ideologisch in der Alten Welt<br />
steht. Viel mehr haben wir es hier mit einem augenzwinkernden<br />
Fingerzeig (Anm.: Sofern dies anatomisch<br />
überhaupt möglich ist …) auf die überaus einprägsame<br />
und deswegen auch mittlerweile allerseits tief eingeprägte<br />
Sequenz des Hubschrauberangriffes aus APO-<br />
CALYPSE NOW (R: Francis Ford Coppola, USA 1979)<br />
zu tun – ferner auf den trägen Tanz der zirkulierenden<br />
Raumstation aus 2001 – A SPACE ODYSSEE (R: Stanley<br />
Kubrick, USA 1969). Ein Wink mit dem Zaunpfahl in<br />
Form des Taktstockes des Dirigenten Hans Zimmers.<br />
So gesehen ist also der Tatbestand eines Verbrechens<br />
nicht erfüllt. Antrag auf Einstellung dieses Verfahrens<br />
hiermit stattgegeben. Hans Zimmer wird demzufolge<br />
nicht ins Gefängnis rock house jail (Anm.: Der Name eines<br />
scores aus The Rock (R: Michael Bay, USA 1996)) müssen.<br />
Doch ist es, auch wenn es legal ist, damit automatisch<br />
auch legitim?<br />
Es soll jetzt im Wendekreis von ‚Coversionen’ keine<br />
Pejoration betrieben werden, doch mutet es höchst<br />
befremdlich an, nur noch die Kopien von Kopien von<br />
Kopien der Kopien zu hören. Mit größter Vorsicht zu<br />
genießen ist unter solchen Umständen der (Aus)Blick<br />
in die Zukunft. Was wäre denn, wenn es in diesem<br />
Stil heiter weiterginge? Wenn Referenzen und Hommagen<br />
nur noch Inspirationslosigkeiten kaschieren<br />
würden? (Anm.: Was sie mit größter Wahrscheinlichkeit jetzt<br />
schon tun, allerdings (noch) adäquat verkauft werden können.)<br />
Die Medienbetriebe sich fortwährend selbst zitieren,<br />
hommagieren, reflektieren, referenzieren, kurz und<br />
freundlich formuliert, recyceln? Und sich damit letztendlich<br />
zu Nullmedien degradieren? Dann wäre folglich<br />
ein Zustand erreicht, in dem Melodien für<br />
Millionen auch von Millionen sind, was eher paradox<br />
als basisdemokratisch anmutet und darüber hinaus<br />
den Absoluten Nullpunkt in Kunst und Kultur, geradezu<br />
einen Rasenden Stillstand markiert, auf den wir<br />
alle offenbar unweigerlich zutreiben. Bleibt zu hoffen,<br />
dass dem nicht so sein wird.<br />
© 2011 Markus Kügle<br />
artikel