Kurzgeschichten - SpecFlash
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»Ich habe ein interessantes Fischlein aus dem Meer<br />
gezogen.« Laoren ging in seine Hütte, Fangur hörte<br />
ihn mit Ketten rasseln, und dann weiteten sich seine<br />
Augen, als der Alte mit einem an den Händen<br />
gefesselten jungen, bartlosen Mann wieder herauskam.<br />
So einen merkwürdigen Burschen hatte er noch nie<br />
gesehen. Er war hochgewachsen und schlank, besaß<br />
edle Gesichtszüge, doch er schien an einer schrecklichen<br />
Hautkrankheit zu leiden, denn schwarze, sich<br />
bewegende Schlieren überzogen die Haut von oben<br />
bis unten. Im Kontrast dazu standen seine langen<br />
hellen Haare. Er trug dieselbe rissige Kutte wie<br />
Laoren und war barfuß. »Was soll ich mit dem?«,<br />
fragte Fangur angewidert. Die völlig schwarzen<br />
Augen des Mannes blickten ausdruckslos an ihm<br />
vorbei.<br />
»Ob du’s glaubst oder nicht, das ist ein Nauraka!«,<br />
gackerte Laoren.<br />
Fangur tippte sich an die Stirn. »Du bist verrückt,<br />
dieses Volk ist schon lange ausgestorben.«<br />
»Er nennt sich Prinz Erenwin von Darystis, und ich<br />
weiß, dass er ein Nauraka ist. Ich verkaufe ihn dir zu<br />
einem guten Preis, und dann verfahre mit ihm nach<br />
Belieben. Ich glaube, du wirst in der Traurigen<br />
Festung eine Menge Aufsehen mit ihm erregen, und<br />
die Gunst des Fürsten ist dir sicher!«<br />
»Und was ist das für eine Hautkrankheit, unter der<br />
er leidet?«<br />
»Nur ein Fluch, der dich nicht weiter zu bekümmern<br />
braucht.«<br />
Der seltsame Mann wandte sich dem Alten zu.<br />
»Dafür also? Um mich zu verkaufen?«<br />
»Man muss sehen, wo man bleibt, Junge«, versetzte<br />
Laoren. »Du hast ja keine Ahnung, wie dieses<br />
Land hier ausgepresst wird, und wie behütet du bei<br />
mir gelebt hast. Fürst Morangars Lebensstil ist<br />
äußerst aufwendig, und sein Hofstaat sehr verwöhnt.<br />
Du wirst dort sehr beliebt sein und Morangars<br />
Ansehen gegenüber den anderen Fürsten um<br />
ein Vielfaches erhöhen, wenn er einen wie dich als<br />
Diener vorzuweisen hat.«<br />
portrait<br />
USCHI ZIETSCH – AUTORIN UND VERLEGERIN<br />
ein Artikel von Alisha Bionda<br />
Fangur dachte nach. »Na schön, ich erlasse dir die<br />
Steuern für fünf Jahre. Hoffen wir, dass er es auch<br />
wirklich wert ist.«<br />
»Abgemacht!«, stimmte Laoren zu und übergab<br />
ihm die Führkette.<br />
»Komm her, Erenwin«, sagte Fangur, der immer<br />
noch nicht so recht wusste, was er von der Sache<br />
halten sollte. Doch irgendetwas war an diesem<br />
jungen Mann, das an ihm rührte und etwas in ihm<br />
weckte, das er verloren geglaubt hatte.<br />
Der angebliche Nauraka näherte sich schweigend<br />
dem Pferd. Er hob den Kopf und sagte ausdruckslos:<br />
»Da ist noch mehr in der Hütte, das von nicht<br />
unbedeutendem Wert ist.«<br />
»Augenblick«, warf Laoren ein, »der Handel gilt<br />
bereits!«<br />
Fangur hob eine Braue. Dann gab er zwei Männern<br />
einen Wink. »Durchsucht die Hütte.«<br />
»Was sollte ich schon verbergen? Ihr wisst, das<br />
habe ich noch nie getan!«, rief der Alte und hastete<br />
den Soldaten hinterher.<br />
Kurz darauf kam ein Mann zurück und hielt kostbar<br />
aussehende, farbenfrohe Kleidung und ein Schwert<br />
samt Scheide hoch. Aus der Hütte erklang Laorens<br />
Zetern, und gleich darauf Kampfgeräusche.<br />
»Meine Sachen«, sagte der Mann mit den glasschwarzen<br />
Augen. »Laoren hat sie mir gestohlen.«<br />
»Nun, du wirst neue Kleidung erhalten, das Schwert<br />
allerdings behalte ich. Es sieht wertvoll aus und<br />
passt nicht zu einem Sklaven«, erklärte Fangur, und<br />
seine Männer grinsten.<br />
Der Gefangene verzog keine Miene. Dann drehte<br />
er sich zur Hütte. »Such hinter der Herdstelle!«, rief<br />
er hinein. »Dort gibt es ein Versteck unter dem<br />
Sand.«<br />
»Erenwin, was tust du?«, schrie Laoren und stolperte<br />
mit wedelnden Armen aus der Hütte. Seine<br />
weiteren Worte gingen im Lachen des Soldaten<br />
unter, der nun herauskam und einen prallen, schwer<br />
wirkenden Beutel schwenkte.<br />
»Sieh mal, was uns der Kerl all die Jahre vorenthalten<br />
hat!«