Digitalisierung des Wissens - VolkswagenStiftung
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soll zu verstehen und nicht bloß als freiwillige<br />
Leistung.“ Was Franzen ebenso umtreibt, ist die<br />
selektive mediale Aufmerksamkeit. „Berichtet<br />
wird über die großen Museen und jene mit den<br />
augenfälligsten Attraktionen.“ Und für Ausstellungen<br />
mit populären Gegenwartskünstlern wie<br />
Gerhard Richter gebe es allemal Geld.<br />
Museen und Sammlungen rücken zusammen –<br />
die <strong>Digitalisierung</strong> der Bestände macht's möglich<br />
Verliert im Sog der Modetrends die museale<br />
Zukunft ihre Perspektive? Kann der Mensch auch<br />
künftig im Museum noch der eigenen Historie,<br />
einem kollektiven Gedächtnis und damit seiner<br />
Gattung und sich selbst begegnen? Kann er<br />
zumin<strong>des</strong>t im Museum noch „begreifen, dass er<br />
eine Geschichte hat“? Oder kann er bestenfalls<br />
eine Offenbarung im Sinne von Walter Benjamin<br />
Initiative „Forschung in Museen“<br />
Im Jahr 2008 hat die <strong>VolkswagenStiftung</strong> ein<br />
Förderangebot initiiert, das Museen als Forschungseinrichtungen<br />
in den Blick nimmt.<br />
Übergreifende Ziele der Initiative „Forschung in<br />
Museen“ sind dabei die Stärkung der Museen<br />
als Forschungseinrichtungen und die Förderung<br />
<strong>des</strong> wissenschaftlichen Nachwuchses im<br />
Bereich der sammlungsbezogenen Forschung.<br />
Nach mehreren erfolgreichen Ausschreibungsrunden<br />
wurden bis Ende 2012 siebzig<br />
Bewilligungen über gut elf Millionen Euro ausgesprochen.<br />
Im Kern zielt das Förderangebot<br />
auf mittlere und kleinere Museen hierzulande.<br />
Gerade diesen Einrichtungen stehen oftmals<br />
nur unzureichend Mittel und Kapazitäten für<br />
Forschung an den Sammlungen zur Verfügung.<br />
Das ist fatal, kann doch eine nachhaltige<br />
Museumsarbeit nur auf dem Wissen über<br />
die vorhandenen Sammlungen aufbauen.<br />
erleben, für den die Beziehung zur Vergangenheit<br />
nicht zeitlich, sondern bildlicher Natur war; eine<br />
Vergangenheit, die sich in einem Bild „blitzhaft“<br />
mit dem Jetzt zu einer Konstellation verbindet<br />
und eine „profane Erleuchtung“ bewirkt? Einen<br />
starken Part als kollektives Gedächtnis spielen<br />
die vielen regional verankerten Häuser, betont<br />
Franzen: „Sie sind bildend, sogar stilbildend, wie<br />
Kassel, Münster oder Darmstadt beweisen, und<br />
sie schaffen Identität.“<br />
Rettet also die Provinz die museale Zukunft?<br />
„Angesichts der <strong>Digitalisierung</strong> ist die Unterscheidung<br />
zwischen Zentrum und Peripherie<br />
obsolet geworden“, schickt Franzen hinterher.<br />
Was zähle, sind Museumsdirektoren, die abseits<br />
<strong>des</strong> beschleunigten Pulsschlags einer sich<br />
überschlagenden Eventkultur als „urteilende<br />
Sammler“ überdauernde Werke identifizierten:<br />
„Kunstobjekte mit Mehrwert“. Dabei gilt es,<br />
Daher bietet die Stiftung gerade kleineren<br />
und mittelgroßen Häusern die Möglichkeit,<br />
Forschungsvorhaben zu beantragen. Ein solches<br />
Projekt soll auf der Kooperation zwischen<br />
einem Museum und einer universitären oder<br />
außeruniversitären Forschungseinrichtung<br />
beruhen und maßgeblich vom wissenschaftlichen<br />
Nachwuchs getragen sein. Explizit fördert<br />
die Stiftung hier zum einen im Rahmen kooperativer<br />
Projekte Doktorarbeiten zu sammlungsbezogenen<br />
Themen. Zum anderen erhalten<br />
promovierte junge <strong>Wissens</strong>chaftlerinnen und<br />
<strong>Wissens</strong>chaftler die Chance, selbst Projekte<br />
mit Sammlungsbezug zu beantragen. Alle<br />
Fördermodule stießen von Beginn an auf großes<br />
Interesse, und vor allem jenes, das Museumsmitarbeitern<br />
eine Freistellung zugunsten<br />
ihrer Forschungsarbeit ermöglicht, zeigte sich<br />
unmittelbar als besonders wirksam. cj<br />
Großes Nachdenken bei dem Quintett:<br />
Welche Museen will eigentlich diese Gesellschaft?<br />
erinnert Franzen, neben dem kunst- auch den<br />
kulturhistorischen Wert einer Arbeit zu erkennen.<br />
Etwa bei sowjetrussischen Werken, die auf<br />
die Zeit <strong>des</strong> einst real existierenden Sozialismus<br />
verweisen. Ein Balanceakt auf dem schmalen<br />
Grat zwischen Erkennen von Relevanz und definitorischer<br />
Anmaßung, zwischen dem Publikumsrecht<br />
auf Amusement und „Bildung“.<br />
Mit der <strong>Digitalisierung</strong> wächst die Komplexität dieser<br />
Aufgabe. Bereits die Anfänge <strong>des</strong> Films lösten<br />
die „Potenzierung einer Bildersucht“ aus, die den<br />
Museen den Bilder-Rang ablief, wie Grasskamp<br />
analysiert. „Kann heute ein Museum der neuen<br />
Medien Herr werden, von denen es doch deklassiert<br />
worden ist?“ Tatsächlich ist das kulturelle Erbe<br />
jederzeit und überall abrufbar; es kann mit eigenen<br />
Daten angereichert und neu gestaltet, durch<br />
interaktive Angebote – Stichwort „Augmented<br />
Reality“ – die reale räumliche Erfahrung mit dem<br />
virtuellen Museum verbunden werden. Doch das<br />
Thema <strong>Digitalisierung</strong> mit allen rechtlichen Konsequenzen<br />
wird von der hannoverschen Gesprächsrunde<br />
weit umschifft. Nur Franzen weist auf den<br />
steigenden finanziellen Bedarf durch die museale<br />
<strong>Digitalisierung</strong> hin. Die technische Entwicklung<br />
aber könne weder die Quellenkonservierung noch<br />
die physische Auseinandersetzung mit realen<br />
Exponaten je ersetzen. „Letztlich ist es die Aura <strong>des</strong><br />
Museums, die dem virtuellen Zeitgeist standhält.“<br />
Oder die Möglichkeit einer „profanen Erleuchtung“<br />
angesichts <strong>des</strong> Originals – auch wenn diese weder<br />
das „wahre“ Wesen der Dinge öffnet, noch die Welt<br />
an sich. Schließlich hat sich die Postmoderne selbst<br />
von der Vorstellung der einen und einzigen Wahrheit<br />
getrennt.<br />
Bleibt die Frage, ob das reale Museum auch in<br />
Zukunft ein Ort sein wird, an dem der Betrachter<br />
eine historisch verwurzelte „Erfahrungswirklichkeit“<br />
konstruieren kann. „Das ist eine gesamtgesellschaftliche<br />
Frage“, resümiert Franzen. „Die<br />
Frage, welche Gesellschaft wollen wir, und welche<br />
Museen will diese Gesellschaft?“<br />
Ruth Kuntz-Brunner<br />
Sie bescherten dem Publikum im Kleinen Sen<strong>des</strong>aal <strong>des</strong><br />
NDR Funkhauses Hannover einen unterhaltsamen Abend<br />
(oben, von links nach rechts): NDR-Moderator Stephan Lohr,<br />
der Künstler Professor Timm Ulrichs, Museumsdirektorin<br />
Dr. Brigitte Franzen, der <strong>Wissens</strong>chaftler Professor Dr. Walter<br />
Grasskamp und der Hamburger Jurist, Unternehmer und<br />
Kunstsammler Dr. Harald Falckenberg. Welches Bild zeichnen<br />
sie nun für das Museum der Zukunft? Hat es überhaupt eine<br />
Zukunft? „Letztlich ist es die Aura <strong>des</strong> Museums, die dem<br />
virtuellen Zeitgeist standhält“, meint Brigitte Franzen. Oder<br />
die Möglichkeit einer „profanen Erleuchtung“ <strong>des</strong> Besuchers,<br />
der Besucherin angesichts <strong>des</strong> Anblicks <strong>des</strong> Originals. Darauf<br />
konnten sich alle Podiumsteilnehmer verständigen.<br />
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