29.02.2012 Views

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nur nicht stehen bleiben, nicht rückwärts rutschen, es gäbe kein<br />

halten mehr. Die Füsse schleifen über die löchrige piste, ständig in Bereitschaft,<br />

dem verzweifelt jaulenden motor der klapprigen Honda Unterstützung<br />

zu leisten. nie zuvor habe ich eine Strasse oder piste mit einer<br />

derartigen Steigung zu Gesicht bekommen, geschweige denn, selbst befahren.<br />

ihre erbauer hatten keine Wahl, links und rechts der Direttissima<br />

hat der Vietnamkrieg die dichtesten minenfelder indochinas hinterlassen<br />

und dahinter ist auch noch «Feindesland». inzwischen umgeben uns tiefhängende<br />

Regenwolken, sie verhindern gnädig den Blick nach unten und<br />

verdrängen den Gedanken an die spätere talfahrt. nach 40 minuten ist<br />

das plateau zu Füssen des tempelbergs in etwa 700 meter Höhe erreicht.<br />

ein trampelpfad führt zur ersten treppe, dem sogenannten<br />

Gopuram, des auf drei ebenen gelegenen<br />

eigentlichen tempelbezirks, vorbei an militärischen<br />

Unterständen, provisorischen nachtlagern<br />

in bambusgepolsterten abflussrohren, hier eine<br />

einsame Granatwerferstellung, dort, hinter Sandsäcken<br />

kaum verborgen, ein maschinengewehr.<br />

Langsam tauchen aus dem nebel die konturen<br />

der dazugehörigen Soldaten auf, gelang-<br />

weilt auf die Kalaschnikow gestützt der eine,<br />

das aK47 demonstrativ im anschlag, der andere.<br />

eine Gruppe bereitet unter einer Zeltplane das<br />

mittagessen, eine weitere schlägt die Zeit beim<br />

Kartenspielen tot. Zu meinem erstaunen hindert mich keiner von ihnen<br />

am Weitergehen, niemand verlangt das permit, keine unangenehmen<br />

Fragen wegen der Kameras, kein «Wegezoll». Was war nicht alles in thai-<br />

ländischen Zeitungen zu lesen und im deutschen Fernsehen zu hören<br />

gewesen, über die Unmöglichkeit, sich als ausländer den tempeln zu nähern,<br />

überhaupt den Berg von kambodschanischer Seite aus erreichen zu<br />

können, über auch während der trockenzeit unbefahrbare Strassen und<br />

so weiter und so weiter. Die 240 Kilometer von Siem Reap/angkor bis ins<br />

Dongrek Gebirge waren im gemieteten pkw mit einem umsichtigen –<br />

man könnte auch sagen, sehr ängstlichem Fahrer – ohne Zwischenfälle<br />

in fünf Stunden geschafft.<br />

mühsam gestaltet sich der aufstieg über die ersten 100 erodierten<br />

Steinstufen in Richtung erster ebene. aus dem noch immer dichten nebel<br />

ragen bizarr Relikte riesiger in Stein gehauener nagas hervor, ein paar<br />

weitere Stufen und das Hauptheiligtum wird oben auf der dritten ebene<br />

schemenhaft sichtbar. Und überall militär, die tarnuniformen verleihen<br />

den Soldaten hier im graugrünen Dschungel eine perfekte mimikri. auffällig<br />

ist allein die aufgenähte Flagge Kambodschas mit dem zentralen<br />

Heiligtum von angkor Wat.<br />

allmählich lichtet sich der nebel ein wenig, es ist kühl hier oben, jedoch<br />

nähert sich die luftfeuchtigkeit den 100 prozent. Stufe für Stufe kommt<br />

die zweite ebene näher, mit erstaunlich gut erhaltenen, weitläufigen Gebäuden,<br />

an deren Südseite sich aber kein einziges Fenster befindet, und<br />

das bei einer – wie sich später zeigen wird – atemberaubenden aussicht<br />

auf das weite kambodschanische Hinterland. offensichtlich sollten pilger,<br />

die hierher zur meditation kamen, nicht abgelenkt<br />

werden. Freistehende Skulpturen sucht man im<br />

ganzen tempel vergebens, jedoch finden sich immer<br />

wieder schön herausgearbeitete, Dämonen<br />

darstellende Reliefs über den türstürzen, die während<br />

einer späteren epoche dort entstanden. andere<br />

abbildungen zeigen Szenen aus dem mahabharata<br />

und widmen sich Vishnu oder Krishna, einer<br />

seiner inkarnationen, obwohl die Khmer den ganzen<br />

tempel ursprünglich der Hindu-Göttin Shiva<br />

gewidmet hatten. Die ersten pläne zum Bau der<br />

anlage werden einem Sohn König Jayavarman ii zu -<br />

ge schrieben, das müsste dann im 9. Jahrhundert<br />

gewesen sein. insgesamt zogen sich die Bauarbeiten<br />

vom 10. bis ins 12. Jahrhundert. aber während die Khmer üblicherweise<br />

nach dem tod ihrer Könige deren tempel dem Verfall preisgaben,<br />

wurde preah Vihear über drei Jahrhunderte hinweg, von den folgenden<br />

Königen, bis zum tod König Suyavarman ii, immer wieder erweitert, ergänzt<br />

und verschönert.<br />

Trotz der Präsenz einiger hundert bewaffneter kämpfer auf dieser<br />

Seite des Prasat Preah Vihear wirkt die Szenerie nicht wirklich<br />

gefährlich. Das mag daran liegen, dass sich nahezu jeder ein lächeln<br />

entlocken lässt; einer von ihnen führt mich gar, sicher nicht ganz selbstlos,<br />

zu einem besonders gut erhaltenen, hinter Gesteinstrümmern verborgenen<br />

Relief mit dem auf einem Büffel reitenden Krishna.<br />

Und dennoch – die lage ist angespannt. erst recht, seit vor wenigen<br />

tagen auf der anderen Seite des Berges ein thailändischer parlamentsabgeordneter<br />

mit seiner entourage trotz dringlicher Warnungen der<br />

Grenzposten illegal auf kambodschanisches Hoheitsgebiet vorgedrun

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