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UNDERGRADUATE

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“infolge von Unglücksfällen aller Art, Selbstmorden<br />

usw. drängt sich uns seit einigen Jahren das Problem<br />

der sexuellen Aufklärung der Jugend auf” (93). Er<br />

schrieb, dass die absichtliche Unterlassung, Kindern eine<br />

Sexualerziehung beizubringen, ein Verbrechen sei. Die<br />

starke Ablehnung von der Erotik und die gesellschaftliche<br />

Darstellung der Sexualität als Todesünde tragen zum<br />

tragischen Ende bei.. Die Überbewertung von Reinheit<br />

durch das Verbot der natürlichen Prozesse zerstört die<br />

junge Generation. Wedekind schrieb,<br />

ein wahnwitziges Verbrechen ist es hingegen, die Jugend<br />

systematisch zur Dummheit und Blindheit ihrer Sexualität<br />

gegenüber anzulernen und zu erziehen, sie systematisch<br />

auf den Holzweg zu fuhren...Und aus welchem Grunde<br />

wurde dieses Verbrechen begangen? Aus Furcht,<br />

dass ernste Gespräche über Erotik und Sexualität der<br />

heranwachsenden Jugend Schaden zufügen konnten (94).<br />

Die Furcht von dem Gespräch über die Sexualität ist in<br />

der Überbewertung der christlichen Sünde gegründet. Es<br />

ist ironisch, dass die Furcht vor der Scham eigentlich zu<br />

noch mehr Scham führt. Diese Beschämung stammt von<br />

den christlichen moralischen Werten, die das “richtige”<br />

Verhalten diktieren.<br />

Nietzsche bemerkte die schädlichen Auswirkungen<br />

des extremen Werturteils in Deutschland. Die Idee des<br />

Werturteils als die Universalquelle des Konflikts ist ein<br />

ständiges Thema in den Werken Nietzsches. In dem<br />

zweiten Buch von Der Wille zur Macht kritisiert Nietzsche<br />

die Religion, die Moral und die Ideale. Er erklärt, dass die<br />

willkürliche Erstellung der Werte und Ideale in der Form<br />

von Religion und Moral zu dem Untergang der Menschheit<br />

herbeiführen wird: “die Korruption von Werten ist eine<br />

Folgen der décadence (s. 43).” Die Überbewertung der<br />

christlichen Moral führt zu der Dekadenz und dem<br />

Zusammenbruch der Gesellschaft. Er äußert, dass eine<br />

gesellschaftliche Krankheit zu wachsen begonnen habe,<br />

“zu begreifen: -- Dass alle Art Verfall und Erkrankung<br />

fortwährend an den Gesamt-Werturteilen mitgearbeitet<br />

hat: dass in den herrschend gewordenen Werturteil die<br />

décadence sogar zum Übergewicht gekommen ist” (s. 39).<br />

Diese Ideen wurden in Frühlings Erwachen wiederholt,<br />

besonders durch die Figur von Mortiz Stiefel.<br />

Moritz Stiefel ist sehr kindlich, religiös, fromm und<br />

unwissend in Fragen von Erwachsensein. Er ist ein<br />

herzlicher Junge, ist aber auch nicht so gut in der Schule.<br />

Diese Faktoren führen zu seinem Suizid; in Wirklichkeit<br />

aber ist es die Scham, die ihn zu seinem Selbstmord<br />

treibt. Moritz verkündet, „meine Moral hat mich in den<br />

Tod gejagt. Um meiner lieben Eltern willen griff ich zum<br />

ich zum Mordgewahr. ‘Ehre Vater und Mutter, auf dass<br />

du lange lebest.’ An mir hat sich die Schrift phänomenal<br />

blamiert“ (70). Sein Freitod ist ein entscheidender<br />

Moment im Stück: dadurch wird die wirkliche Natur<br />

der Gesellschaft gezeigt. Zum Beispiel verleugnet Herr<br />

Stiefel seinen Sohn bei dessen Beerdigung: “Der Junge<br />

war nicht von mir! -- Der Junge hat mir von klein auf<br />

nicht gefallen” (49). Diese Szene betont die Irrationalität<br />

von den Reaktionen der Erwachsenen, angetrieben von<br />

der blinden Sittlichkeit. Das Stigma von Selbstmord<br />

entsteht aus dem extremen Werturteil der christlichen<br />

Werte. Die gesellschaftliche Verurteilung vom Suizid<br />

ist ein Beispiel von der Überbewertung der christlichen<br />

Sünde. Die Gesellschaft kümmert sich nicht um den<br />

Grund für den Suizid. Laut dem christlichen Glauben ist<br />

Selbstmord eine Todsünde, was bedeutet, dass die Person,<br />

die Selbstmord begeht, nicht in den Himmel gehen<br />

kann. Die unmittelbare Verurteilung von dem Freitod<br />

Moritz Stiefels demonstriert, dass solche dogmatischen<br />

moralischen Strukturen die Gesellschaft bedrohen.<br />

Diese Überbewertung der christlichen Sünde führt zur<br />

Degeneration der Gesellschaft.<br />

Die christliche Moral in der deutschen Gesellschaft<br />

konzentrierte sich auf das Leben nach dem Tode, statt<br />

des gegenwärtigen Moments. Als Pastor Kahlbauch eine<br />

Rede bei der Beerdigung Moritzs hielt, dankte er Gott<br />

für die “unerforschliche Gnadenwahl” und implizierte,<br />

dass der Suizid Moritzs einen unvermeidlichen Teil von<br />

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