unternehmen März 2017
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<strong>unternehmen</strong> [!] Ausgabe 55 | <strong>März</strong> <strong>2017</strong><br />
[titelthema]<br />
Lotse in Zeiten der<br />
Unberechenbarkeit<br />
Das Tempo der Veränderung ist hoch. Die Ulmer Unternehmensberatung Ingenics<br />
und ihr Vorstandschef Oliver Herkommer helfen Unternehmen auf drei<br />
Kontinenten, die richtigen Dinge in möglichst kurzer Zeit zu tun. Ein Gespräch<br />
über die Bedeutung von Mentalität, Mehrwert und Mitarbeitern.<br />
Als Unternehmensberater helfen Sie Kunden, Abläufe<br />
zu verbessern. Optimieren Sie auch zu Hause?<br />
Manchmal, ich denke an das Office-Kanban, das wir bei<br />
Ingenics realisiert haben. Das ist ein System, bei dem Büromaterial<br />
über Karten nachgesteuert wird. Diese Vorgehensweise<br />
hab ich auch meiner Frau ans Herz gelegt.<br />
Wie kam das bei Ihrer Frau an?<br />
(lacht) Weniger gut. Auch das Zwei-Behälter-Prinzip<br />
für Kaffee konnte ich bei uns Zuhause noch nicht<br />
durchsetzen.<br />
Das Zwei-Behälter-Prinzip?<br />
Dabei haben Sie auf einen Behälter Zugriff. Ist dieser<br />
leer, nehmen sie Sie den zweiten und beschaffen in dieser<br />
Zeit das Material. In der Automobilindustrie ist dieses<br />
Prinzip Standard. Deshalb geht an den Montagebändern<br />
zu 99,9 Prozent kein Material aus.<br />
Gab es andere Versuche bei Ihnen Zuhause – auch<br />
in Richtung Digitalisierung?<br />
Bei uns Zuhause geht es noch weitgehend analog zu.<br />
Das wird sich aber bald ändern. Im Herbst ziehen wir in<br />
ein neues Haus. Da steckt einiges an digitaler Technik<br />
drin, angefangen bei der digitalen Schließanlage bis zu<br />
Heizungssteuerung und Belüftung. Früher sagte man,<br />
ein Drittel der Gesamtkosten entfällt auf den Rohbau.<br />
Heute reduziert sich dieser Anteil auf 20 Prozent. Der<br />
Technik-Anteil hingegen steigt. Wir haben beispielsweise<br />
zwei Ladestationen für E-Autos geplant.<br />
Auch die Wirtschaft steht vor einer Digitalisierungswelle.<br />
Was kommt auf die Firmen zu?<br />
Beim Thema Digitalisierung spielt das Mooresche Gesetz<br />
eine wichtige Rolle.<br />
Was besagt das?<br />
Dass sich die Rechenleistung von Computern ungefähr<br />
alle 18 Monate verdoppelt. So ergibt sich eine exponentielle<br />
Kurve. Aus meiner Sicht ist das die große Herausforderung<br />
für uns. Je mehr die Geschwindigkeit zunimmt,<br />
desto weniger können wir die Zukunft<br />
berechnen. Heute sind Dinge möglich, die vor fünf<br />
Jahren nicht vorstellbar waren. Das beschäftigt die<br />
Menschen – und es beunruhigt sie.<br />
Der Begriff Industrie 4.0 ist in Fachkreisen mittlerweile<br />
verpönt. Warum?<br />
Der Begriff stammt aus einer Untersuchung der Deutschen<br />
Akademie der Naturwissenschaften im Jahr<br />
2012. Es ging darum, die Vernetzung über das Internet<br />
der Dinge mit Anlagen, Betriebsmitteln und Konsumenten<br />
abzubilden. Industrie 4.0 war damals ein griffiger<br />
Begriff. Im Laufe der Jahre wurden immer mehr<br />
Marketingaktionen unter dem Schlagwort gefahren.<br />
Aus diesem Grund spreche ich lieber von der Digitalisierung.<br />
Wo stehen deutsche Unternehmen in Sachen Digitalisierung?<br />
Die Ausgangsbasis ist sehr gut. Wir haben weltweit die<br />
am besten qualifizierten Mitarbeiter. Das liegt an den<br />
guten Universitäten und Hochschulen. Zudem haben<br />
wir die weltweit einzigartige duale Ausbildung.<br />
Wie sieht es in der Region aus?<br />
Auch die ist gut aufgestellt, das zeigen Wettbewerbe<br />
wie „Die Fabrik des Jahres“. Für ihre Digitalisierungskompetenz<br />
wurden beispielsweise Bosch in Bleichach<br />
oder Rohde und Schwarz in Memmingen ausgezeichnet.<br />
Die Mentalität im Südwesten ist besonders. Es gibt<br />
Zur Person<br />
Oliver Herkommer<br />
arbeitet seit 25 Jahren<br />
im Familien<strong>unternehmen</strong><br />
und stieg –<br />
nach dem Tod seines<br />
Vaters – schnell in<br />
den Vorstand auf.<br />
Sein Bruder wechselte<br />
vor fünf Jahren in<br />
den Aufsichtsrat. Der<br />
gebürtige Leutkircher<br />
studierte Prod ukt i-<br />
ons technik an der FH<br />
Ulm, Wirtschaftsingenieurwesen<br />
Export an<br />
der FH Pforzheim und<br />
setzte vor sieben Jahren<br />
ein Masterstudium<br />
an der Hochschule<br />
Neu-Ulm drauf.<br />
Dort ist er seit 2001<br />
Dozent, seit 2002 leitet<br />
er die VDI-Bezirksgruppe<br />
Donau-Iller.<br />
Herkommer fährt<br />
Mountainbike und segelt<br />
gerne im Mittelmeer.<br />
Er ist verheiratet<br />
und hat zwei<br />
Töchter (13 und 17).<br />
Der Älteren kommt er<br />
beim Skifahren noch<br />
hinterher, der Jüngeren<br />
nicht mehr.<br />
Plant und optimiert für Kunden: Oliver Herkommer, Vorstandsvorsitzender der Ingenics AG.<br />
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