atw 2018-05v6
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<strong>atw</strong> Vol. 63 (<strong>2018</strong>) | Issue 5 ı May<br />
296<br />
Das neue Strahlenschutzrecht und die Freigabe:<br />
Alles neu macht der Mai?<br />
Ulrike Feldmann<br />
SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW<br />
Erstmalig wurde im vergangenen Sommer ein Strahlenschutzgesetz in Deutschland aus der Taufe gehoben. Die<br />
Bundesregierung hatte die Verpflichtung zur Umsetzung der revidierten Fassung der europäischen Strahlenschutzgrundnormen,<br />
der Richtlinie 2013/59/Euratom, zum Anlass genommen, die Wichtigkeit des Strahlenschutzrechts<br />
durch Hochzonen in den Gesetzesrang zu unterstreichen, womit das Strahlenschutzrecht nun gleichrangig neben dem<br />
Atomgesetz steht. Dieses Gesetz gilt es nun auf Verordnungsebene mit „Leben“ zu erfüllen, um es für die Praxis<br />
anwendbar zu machen. Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie 2013/59/Euratom ist bereits am 6.02.<strong>2018</strong> abgelaufen.<br />
Das Strahlenschutzgesetz<br />
Das Gesetz zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der<br />
schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung vom 27.06.2017<br />
(BGBl I S. 1966) ist als sog. Artikelgesetz konzipiert. Es<br />
enthält in Artikel 1 das Gesetz zum Schutz vor der<br />
schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung (Strahlenschutzgesetz/StrlSchG).<br />
Daneben enthält das Artikelgesetz<br />
in 31 Artikeln Änderungen anderer Gesetze oder Verordnungen.<br />
Während insbesondere die Notfallvorschriften<br />
(§§ 92 – 116 StrlSchG) sowie die mehr als 40 Vorordnungsermächtigungen<br />
bereits am 17.10.2017 in Kraft getreten<br />
sind, treten die übrigen Bestimmungen des StrlSchG erst<br />
am 31.12.<strong>2018</strong> in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt sollen dann<br />
auch die für den Vollzug erforderlichen Vorschriften auf<br />
Verordnungsebene in Kraft treten.<br />
Das StrlSchG umfasst neben den Regelungsinhalten der<br />
bisherigen Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) und der<br />
Röntgenverordnung (RöV) nunmehr alle Bereiche des<br />
Schutzes vor ionisierender Strahlung (s. dazu weiter<br />
unten). Darüber hinaus will das StrlSchG aktuellen<br />
wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung tragen.<br />
Zudem wird der radiologische Notfallschutz vor dem<br />
Hintergrund der Erfahrungen, die im Rahmen des Unfalls<br />
in Fukushima gemacht wurden, insbesondere organisatorisch<br />
durch die Einrichtung eines Notfallmanagementsystems<br />
des Bundes und der Länder, deutlich verstärkt<br />
(§§ 92 ff StrlSchG). Durch diese Erweiterungen wie<br />
auch durch Vorgaben der Richtlinie 2013/59/Euratom<br />
(im folgenden RL 2013/59) wurde eine Neustrukturierung<br />
der Strahlenschutzvorschriften erforderlich, die für<br />
die Praxis etwas gewöhnungsbedürftig sein wird.<br />
Was bringt das StrlSchG ansonsten Neues?<br />
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sei hier auf folgende<br />
Neuerungen hingewiesen:<br />
Zukünftig ist zwischen geplanten, bestehenden und<br />
notfallbedingten Expositionssituationen zu unterscheiden<br />
(§ 1 StrlSchG). Neben den Expositionssituationen hat die<br />
RL 2013/59 den Radiation Protection Expert (RPE) sowie<br />
den Radiation Protection Officer (RPO) neu eingeführt.<br />
Beide Personen unterscheiden sich sowohl hinsichtlich<br />
ihrer Stellung im Unternehmen als auch im Hinblick auf<br />
ihre Qualifikation und Aufgaben. Die RL 2013/59 lässt es<br />
jedoch zu, dass die Aufgaben des RPO auch von einem RPE<br />
übernommen werden können. Da der deutsche Strahlenschutzbeauftragte<br />
(§ 70 StrlSchG) innerhalb des ihm<br />
zugewiesenen Aufgabenbereichs die Anforderungen an<br />
den RPE wie auch den RPO erfüllt, braucht neben dem<br />
Strahlenschutzbeauftragten (SSB) für seinen Aufgabenbereich<br />
insoweit keine weitere Person bestellt zu werden.<br />
Die Stellung des SSB im Unternehmen wird dafür<br />
im StrlSchG gestärkt (s. § 70 Abs. 6 u. § 71 Abs. 2 S. 3<br />
StrlSchG).<br />
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass<br />
zukünftig auch für Nukleartransporte ein Strahlenschutzverantwortlicher<br />
und ein SSB bestellt werden müssen<br />
(§ 29 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StrlSchG). Denn auch die<br />
Beförderung stellt eine geplante Expositionssituation dar.<br />
Diese ist eine Exposition, die durch Tätigkeiten entsteht<br />
(§ 2 Abs. 2 StrlSchG). Da die Beförderung unter den Begriff<br />
der Tätigkeiten fällt (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 5 Nr. 39<br />
StrlSchG), finden die Vorschriften für Tätigkeiten auch auf<br />
die Beförderung Anwendung. Denkbar ist, dass beispielsweise<br />
der Gefahrgutbeauftragte die Aufgabe des SSB<br />
übernehmen kann. Dies setzt jedoch entsprechende<br />
Fachkunde, in der Regel also eine spezielle „Nachqualifizierung“<br />
des Gefahrgutbeauftragten, voraus.<br />
Das neue Strahlenschutzrecht kennt im Übrigen nur<br />
noch den Begriff der Tätigkeiten, wobei – ebenfalls neu –<br />
ein Verfahren zur Prüfung der Rechtfertigung einer Tätigkeitsart<br />
beschrieben wird (§ 7 StrlSchG). Der Begriff der<br />
Arbeiten ist aufgrund der RL 2013/59 weggefallen.<br />
Außerdem waren in das StrlSchG Regelungen zum<br />
Dosisrichtwert aufzunehmen (s. § 79 Abs. 1 Nr. 2 und § 81<br />
Satz 2 Nr. 9 StrlSchG).<br />
Neu im StrlSchG ist zudem, dass bei der uneingeschränkten<br />
Freigabe von Feststoffen im StrlSchG<br />
aufgrund der Vorgaben der RL 2013/59 basierend auf der<br />
IAEO-Empfehlung RS-G-1.7 im Grundsatz die Freigrenzen<br />
identisch mit den Freigabewerten sind. Das Bundesministerium<br />
für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit<br />
(BMU) betont jedoch, dass sich alle bisher genutzten<br />
Freigabepfade bewährt haben und grundsätzlich auch im<br />
Einklang mit der RL 2013/59 stehen.<br />
Die RL 2013/59 erfordert ferner eine Absenkung<br />
der spezifischen Freigrenzen. Es werden in der Praxis<br />
jedoch eher nur geringe Auswirkungen auf bestehende<br />
Genehmigungen erwartet. Die Freigrenzen der Gesamtaktivität<br />
bleiben im Übrigen erhalten. Die Verordnungsermächtigung<br />
zur Regelung, welche Werte der Aktivität<br />
und spezifischen Aktivität radioaktiver Stoffe als Freigrenzen<br />
gelten, findet sich in § 24 Satz 1 Nr. 10 StrlSchG.<br />
Des weiteren findet sich im StrlSchG als neue Regelung<br />
ein Referenzwert zum (natürlich vorkommenden)<br />
Radon an Arbeitsplätzen und in Aufenthaltsräumen von<br />
300 Bq/m 3 für Gebiete mit erhöhtem Radonpotential<br />
(§§ 124 u. 126 StrlSchG).<br />
Ferner enthält das StrlSchG gegenüber der bisherigen<br />
Strahlenschutzverordnung u.a. Regelungen zum Schutz<br />
des raumfahrenden Personals, (§ 1 Abs. 2 Nr. 1, § 2 Abs. 7<br />
Nr. 2, § 4 Abs. 1 Nr. 11 und §§ 52 – 54 StrlSchG), zu Tätigkeiten<br />
im Zusammenhang mit natürlich vorkommender<br />
Radioaktivität (§§ 55 – 66 StrlSchG), zu Radioaktivität in<br />
Bauprodukten (§§ 133 -135 StrlSchG), zu radioaktiven<br />
Altlasten (§§ 136 – 150 StrlSchG), zur Einführung eines<br />
Informations- und Meldesystems im medizinischen<br />
Bereich (die generelle Verordnungsermächtigung enthält<br />
Spotlight on Nuclear Law<br />
The New Radiation Protection Law and the Approval: May Makes Everything New? ı Ulrike Feldmann