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Edizione Vergani No. 12

Das Vergani Wein- und Genuss-Magazin ist ein Printwerk, bei dem alles darum geht, die Philosophie unseres Traditionshauses kennenzulernen und in die «Vergani Welt» einzutauchen. Wir wünschen Ihnen viel Spass bei der Lektüre.

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DUE — Artigianale<br />

100<br />

Trotz Mehrarbeit im Rebberg von bis zu 30 Prozent sind die Vorteile des biodynamischen<br />

Weinbaus für die Böden klar ersichtlich. Doch was hält der Konsument von biodynamischen<br />

Weinen, und wie vermittelt man dieses komplexe Wissen? Am besten mit Begeisterung.<br />

Back to the roots<br />

Ich war zehn Jahre alt, als ich zum ersten Mal mit dynamisiertem<br />

Wasser in Berührung kam: Meine Mutter hat<br />

das Wasser, das wir zu den Mahlzeiten getrunken haben,<br />

mit Steinen «belebt» – wie sie das nannte. Und ja; auch gut<br />

erinnere ich mich an die Wasserkristall-Fotografien von<br />

Masaru Emoto, die sie uns zur Erklärung, wie sich Dinge<br />

beeinflussen lassen, gezeigt hat. Emoto vertrat die Auffassung,<br />

dass Wasser die Einflüsse von Gedanken und Gefühlen<br />

annehmen und speichern kann. Er beschriftete Wasser<br />

in Flaschen mit positiven und negativen Botschaften, fror<br />

das Wasser ein und beurteilte die daraus entstandenen<br />

Eiskristalle. Worte sind ein machtvolles Werkzeug, das<br />

zum Guten wie zum Schlechten eingesetzt werden kann.<br />

Während meiner Wanderjahre hat sich diese Erkenntnis<br />

immer wieder bestätigt. Verbale Machtdemonstrationen<br />

eines Küchenchefs, aber auch die einfühlsamen<br />

Worte meiner <strong>No</strong>nna, wenn sie mit ihren Pflanzen spricht,<br />

sie mit Emotionen pflegt oder gar mit klassischer Musik<br />

bespielt. Aus eigener Erfahrung wissen wir selbst zu gut,<br />

dass wir uns besser fühlen, wenn uns jemand etwas Gutes<br />

tut oder uns ein Kompliment macht. Liegt es demnach<br />

nicht auf der Hand, dass es Lebewesen und Pflanzen genauso<br />

geht? Dieser Frage bin ich schon vor geraumer Zeit<br />

auf den Grund gegangen. Und ich wollte auch meinen<br />

Studierenden an der SHL, der Schweizerischen Hotelfachschule<br />

Luzern, die Gelegenheit geben, sich mit diesem<br />

Thema auseinandersetzen zu können. So habe ich vor vier<br />

Jahren im Lernfeld Önologie einen Kurs ins Leben gerufen,<br />

der sich mit biodynamischer Landwirtschaft, die<br />

sich genau diesem Spannungsfeld widmet, beschäftigt.<br />

Die Idee der biodynamischen Bewirtschaftung hat ihren<br />

Ursprung in der Anthroposophie von Rudolf Steiner.<br />

Ein zentraler Gedanke, den er bereits vor über 90 Jahren<br />

vortrug, ist das Ideal des möglichst geschlossenen Kreislaufs.<br />

Ein landwirtschaftlicher Betrieb wird als Organismus<br />

betrachtet. Das bedeutet, dass Mensch, Tier, Pflanze<br />

und Boden in einer Wechselbeziehung zueinander stehen.<br />

Sie nehmen voneinander, geben einander aber auch wieder<br />

etwas zurück. Die Grundlage, von der dabei alles ausgeht,<br />

ist ein gesunder Boden. Ein lebendiger Boden verfügt<br />

über eine Vielzahl von Mikroorganismen und Lebewesen.<br />

Ihn zu schützen und zu erhalten, ist das Kernelement<br />

der biodynamischen Bewirtschaftung. Mithilfe der biodynamischen<br />

Präparate, zu welchen auch die mit Mist<br />

gefüllten Kuhhörner zählen, werden pflanzliche und<br />

tierische Abfälle kompostiert und im Folgejahr wieder<br />

zurückgeführt. Die Ausbringung des Kompostes fördert<br />

das Bodenleben und die Humusbildung. Pflanzen, die<br />

auf diesem lebendigen Boden wachsen, sind lebendiger,<br />

vitaler und widerstandsfähiger.<br />

Ein weiteres Element der biodynamischen Wirtschaftsweise<br />

sind die kosmischen Kräfte des Universums.<br />

Vor allem die verschiedenen Planeten unseres Sonnensystems<br />

und deren jeweilige Konstellation nehmen Einfluss<br />

auf das Wachstumsverhalten der Pflanzen. Sie geben vor,<br />

wann sinnvolle Arbeiten zur Stärkung des Organismus<br />

ausgeübt werden sollen. Das Einbuddeln von Kuh hörnen,<br />

das Dynamisieren von Wasser, wie eingangs beschrieben,<br />

oder die Aussaat nur dann, wenn Jupiter in Opposition<br />

Marcel Gabriel (35) ist Restaurationsleiter und Fachdozent<br />

an der Schweizerischen Hotelfachschule Luzern, SHL. Der<br />

Diplomierte Hôtelier-Restaurateuer HF SHL und angehende<br />

Weinakademiker war in herausragenden Hotels und Restaurants<br />

von China über Kanada bis Zürich tätig, bevor er<br />

2016 in Luzern zu unterrichten begann.<br />

zu Merkur steht, sind Praktiken, die ohne vertieftes<br />

Wissen schnell lächerlich klingen können. So ist es nicht<br />

erstaunlich, dass ich häufig gefragt werde, ob die Thematik<br />

der biodynamischen Landwirtschaft beziehungsweise<br />

des biodynamischen Weinbaus nicht einfach ein homöopathischer<br />

Blödsinn sei.<br />

Meine Rückfrage ist immer dieselbe: Ist es denn<br />

so vermessen zu denken, dass beispielsweise der Mond,<br />

der ganze Ozeane mit Ebbe und Flut verschieben kann,<br />

auch einen Einfluss auf Menschen, Tiere und Pflanzen<br />

hat? Schlussendlich soll jedermann und jedefrau für sich<br />

entscheiden, was er oder sie von der biodynamischen<br />

Denkweise hält. Fakt ist, dass ich häufig im Zusammenhang<br />

mit Biodynamie von positiven Veränderungen im<br />

Weinbau höre und dass immer mehr Winzer mit biodynamischen<br />

Mitteln arbeiten, weil sie feststellen, dass<br />

es Reben wie Boden guttut und die Pflanzen robuster<br />

sowie weniger anfällig für Krankheiten sind.<br />

Doch wie erklärt ein Sommelier dieses Universum<br />

seinen Gästen? Biodynamie lässt sich nicht in drei Worte<br />

packen, und so herrschte für geraume Zeit Verwirrung<br />

und Unsicherheit in der Szene. Wer vermitteln will, benötigt<br />

jedoch Kenntnisse. Und die kann man sich mittlerweile<br />

in Master Classes oder Workshops erarbeiten.<br />

Die Profis, die sich tagtäglich mit der Materie «Wein»<br />

auseinandersetzen, wissen mehrheitlich Bescheid, doch<br />

lernt man nie aus auf diesem Feld. Gerade darum wird<br />

es wohl noch lange dauern, bis dieses Wissen beim Endkonsumenten<br />

angekommen sein wird. Ist dieser bereit,<br />

einen höheren Preis für biodynamisch produzierte Weine<br />

zu bezahlen? Muss er das überhaupt? Nicht unbedingt –<br />

Beispiele gibt’s genug.<br />

Auch wahr ist, dass nicht alles, was Gold ist, glänzt.<br />

Natürlich gibt es auch biodynamische Weine, die Fehler<br />

aufweisen oder nicht sauber vinifiziert wurden. Dies<br />

hängt häufig mit der fehlenden önologischen Erfahrung<br />

zusammen. Auch ist die Umstellung von der konventionellen<br />

zur biodynamischen Bewirtschaftung der<br />

Rebberge in den ersten drei Jahren anspruchsvoll. Nach<br />

der anfänglichen Durststrecke verändern sich die Weine<br />

allerdings in der Regel zum Positiven. Stellen biodynamisch<br />

produzierte Weine nun einen Hype dar oder<br />

eine ernstzunehmende Bewegung? Johannes Zillinger<br />

hat mir vor ein paar Jahren gesagt: «Mit dem biodynamischen<br />

Wein ist es wie mit der molekularen Küche:<br />

Sie verursachte zu Beginn einen riesigen Hype. Heute<br />

ist sie ein normaler Inhalt der neuen, modernen Küche.<br />

Die molekulare Küche hat sich eingefügt und ihren Platz<br />

gefunden. Und die Erfahrungen, die wir aus dieser Entwicklung<br />

gezogen haben, sind unendlich wertvoll.»<br />

Genauso wird es mit der biodynamischen Landwirtschaft<br />

sein. Sie wird sich in die heutige Landwirtschaft<br />

einfügen und ihren verdienten Platz finden. Den<br />

Platz, den sie schon vor Jahrzehnten besetzt hatte, als<br />

noch keine Herbizide und Pestizide zur Verfügung standen.<br />

Wir sprechen also nicht von einer neuen Art und<br />

Weise, Reben anzupflanzen und zu vinifizieren. Wir<br />

kehren mit dem biodynamischen Weinbau ganz einfach<br />

zum Ursprünglichen, zum Natürlichen zurück.<br />

SHL Schweizerische Hotelfachschule Luzern<br />

Adligenswilerstrasse 22, 6006 Luzern<br />

+41 41 417 33 33, shl.ch<br />

Text: Marcel Gabriel<br />

Illustration: Alec Doherty

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