Sächsische Schweiz und Elbsandsteingebirge
Sächsische Schweiz und Elbsandsteingebirge
Sächsische Schweiz und Elbsandsteingebirge
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PFLANZENWELT DES NATIONALPARKS<br />
Wo das Klima<br />
Kopf steht<br />
Da, wo einst Meeresgr<strong>und</strong> war, sind heute Berge,<br />
Täler <strong>und</strong> Schluchten. Und da, wo diese Täler <strong>und</strong><br />
Schluchten am tiefsten sind, gedeiht das,<br />
was andernorts nur auf hohen Bergen wächst.<br />
Alles klar? Willkommen im merkwürdigen Mikrokosmos<br />
<strong>Elbsandsteingebirge</strong>.<br />
Aus botanischer Sicht ist im Nationalpark man -<br />
ches merkwürdig, vor allem im Sinne von<br />
»des Merkens würdig«: Hier steht das Klima kopf,<br />
<strong>und</strong> das Spektakuläre liegt auch im Unscheinbaren<br />
– aber der Reihe nach: Durch die starke vertikale<br />
Gliederung der Landschaft in Schluchten,<br />
Ebenheiten, Tafelberge, Felsreviere <strong>und</strong> Basaltdurchbrüche<br />
haben sich in der <strong>Sächsische</strong>n<br />
<strong>Schweiz</strong> die mitteleuropäischen Waldhöhenstufen<br />
umgekehrt. Der Fachbegriff dafür lautet Höhenstufeninversion.<br />
Diese Besonderheit in der <strong>Sächsische</strong>n <strong>Schweiz</strong><br />
ist dem »Kellerklima« geschuldet. Das klingt, wie<br />
es ist: dunkel <strong>und</strong> feucht. Es herrscht in den tief<br />
in den Sandstein eingeschnittenen Schluchten,<br />
Felsgründen <strong>und</strong> Bachtälern vor. Mangelnde Son -<br />
neneinstrahlung <strong>und</strong> geringe Luftbewegung führen<br />
zu einem sehr ausgeglichenen Klima, bei dem die<br />
Temperatur im Tagesverlauf nur wenig schwankt.<br />
Typische Baumarten dieser Gebiete sind Fichte,<br />
Rotbuche, Bergahorn, Esche <strong>und</strong> die in Sachsen<br />
vom Aussterben bedrohte Weißtanne.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Höhenstufeninversion wachsen<br />
in den auch im Sommer kühlen, feuchten Schattenhängen<br />
<strong>und</strong> am Gr<strong>und</strong> der Schluchten – in<br />
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ungewöhnlich niedrigen Meereshöhen, teilweise<br />
unter 200 Meter – Bergwaldpflanzen, die anderswo<br />
erst in höheren Lagen anzutreffen sind. Zu<br />
diesen montanen Arten gehören u. a. das Zwei -<br />
blütige Veilchen – ein Eiszeitrelikt <strong>und</strong> eine botanische<br />
Kostbarkeit, die im <strong>Elbsandsteingebirge</strong><br />
mit 190 Metern über N.N. seine in Mitteleuropa<br />
tiefsten F<strong>und</strong>orte hat –, die Weiße Pestwurz, der<br />
Stengelumfassende Knotenfuß <strong>und</strong> die Tannenteufelsklaue.<br />
An schattigen Felsriffen wachsen zwei der<br />
cha rakteristischsten Pflanzen der <strong>Sächsische</strong>n<br />
<strong>Schweiz</strong>, der Sumpfporst <strong>und</strong> die Schwarze Krähen -<br />
beere. Durch den starken Einfluss des ozeanischen<br />
Klimas gedeihen auch viele subatlantische <strong>und</strong><br />
atlantische Pflanzenarten in der Region.<br />
Spektakulär ist vorallem das Unscheinbare, zum<br />
Beispiel die Moose: Mehr als 450 Arten gibt es im<br />
Schutzgebiet – in den feuchten, kühlen Schluchten<br />
wachsen arktisch-alpine Silikatmoose, die sonst<br />
erst in höheren Gebirgslagen auftreten; auf den<br />
wenigen Kalkfelsen siedeln seltene Kalkmoose.<br />
Oder die Flechten: Im Nationalparkgebiet sind<br />
nach derzeitigem Forschungsstand knapp 250 Arten<br />
nachgewiesen. Die charakteristische, leuch-<br />
Sumpf-Porst (Ledum palustre)<br />
Schwefelflechte (Chrysothrix chlorina) Zweiblütige Veilchen (Viola biflora)<br />
Schwarze Krähenbeere (Empetrum nigrum) Buchenfarn (Phegopteris connectilis)<br />
tend gelbe Schwefelflechte wächst vor allem an<br />
schattigen Felsen. Eine sehr seltene Art, die Wolfs -<br />
flechte, kommt an einer einzigen Stelle in der hin -<br />
teren <strong>Sächsische</strong>n <strong>Schweiz</strong> vor – <strong>und</strong> nirgends<br />
sonst in Deutschland außerhalb der Alpen.<br />
R<strong>und</strong> 1.300 Pilzarten sind im Nationalpark belegt;<br />
vor allem die Basaltberge <strong>und</strong> die tief eingeschnittenen<br />
Schluchten bilden einen idealen<br />
Lebensraum.<br />
Das <strong>Elbsandsteingebirge</strong> ist auch für seinen<br />
Reichtum an Farnen bekannt. 23 von 33 in Sachsen<br />
nachgewiesenen Arten wachsen hier. Kein anderes<br />
Mittelgebirge Deutschlands erreicht eine solche<br />
Artenvielfalt. Allerdings sind in den vergangenen<br />
Jahrzehnten neun Arten ausgestorben, darunter<br />
der Englische Hautfarn. Hingegen sind der Grünstielige<br />
Streifenfarn, die Natternzunge <strong>und</strong> der<br />
Dornige Schildfarn auch heute noch floristische<br />
Kostbarkeiten der Region. Aber vor allem häu -<br />
fige Arten wie Breitblättriger Dornfarn, Wald-<br />
Frauenfarn <strong>und</strong> Gemeiner Wurmfarn geben den<br />
felsigen Schluchtwäldern ihr charakteristisches<br />
Antlitz.<br />
| Sandra Petrowitz ■<br />
<strong>Sächsische</strong> <strong>Schweiz</strong> – Ihr Urlaubsmagazin 2012 www.saechsische-schweiz.de<br />
Fotos: Holm Riebe