Frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr! - Österreich Journal
Frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr! - Österreich Journal
Frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr! - Österreich Journal
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 55 / 14. 12. 2007 78<br />
Kultur<br />
Landesrat Wolfgang Sobotka beim Betrachten alter Noten mit Bgm. Karl Heilinger,<br />
GR Susanne Metzger <strong>und</strong> GR <strong>und</strong> Kustos Helmut Wieser (v.l.)<br />
Geschichtsforschung läßt<br />
sich nicht beschränken<br />
Die Geschichtsforschung ist jedenfalls<br />
<strong>ein</strong>e Disziplin, die sich nicht auf <strong>ein</strong>e Ebene<br />
beschränken kann. Bei der Fülle <strong>und</strong> Vielschichtigkeit<br />
moderner Forschungsansätze<br />
ist <strong>ein</strong>e Erfassung der engeren bis engsten<br />
politischen, gesellschaftlichen <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />
Umwelt des Menschen von eminenter<br />
Wichtigkeit. Gerade hier aber liegt die Bedeutung<br />
von Gem<strong>ein</strong>dearchiven, denn sie sind<br />
<strong>ein</strong> unverzichtbares Reservoir von Quellen,<br />
die Nachrichten aus <strong>ein</strong>er Fülle historischer<br />
Bereiche enthalten: Da sind zunächst <strong>ein</strong>mal<br />
jene Schriftdenkmale, die den engeren Bereich<br />
der lokalen Ereignisgeschichte betreffen;<br />
dazu kommen aber auch Quellen, die uns<br />
sozial-, wirtschafts- <strong>und</strong> ideengeschichtliche<br />
Ansätze ermöglichen. Entscheidend ist, welche<br />
Fragestellung der Forscher wählt, welchen<br />
Zweck er s<strong>ein</strong>er Tätigkeit gibt, <strong>und</strong> welcher<br />
Nutzen aus s<strong>ein</strong>er Arbeit erwachsen kann.<br />
Die Quellen der Gem<strong>ein</strong>dearchive dienen<br />
aber nicht ausschließlich der „Hohen Wissenschaft“,<br />
vielmehr sind sie für die konkrete<br />
Gem<strong>ein</strong>de oder Region nicht zu unterschätzende<br />
Traditionsreservoire. In vielen niederösterreichischen<br />
Gem<strong>ein</strong>den ist das In-<br />
teresse an der eigenen Geschichte in den<br />
letzten <strong>Jahr</strong>en erfreulicherweise stark angewachsen,<br />
wie die große Zahl neuerschienener<br />
Regional- <strong>und</strong> Kommunalk<strong>und</strong>en, <strong>ein</strong>e<br />
Reihe von Ausstellungen <strong>und</strong> die stetig anwachsende<br />
Zahl von lokalen <strong>und</strong> regionalen<br />
Arbeitskreisen zeigt. Solche Aktivitäten verfolgen<br />
primär die Absicht, <strong>ein</strong>er lokalen<br />
Gruppe von Menschen die Geschichte ihrer<br />
engeren Heimat vor Augen zu führen. Einer<br />
Gem<strong>ein</strong>de soll so mit Hilfe der historischen<br />
Dimension die Möglichkeit zur Selbstidentifikation<br />
gegeben werden – um es mit <strong>ein</strong>em<br />
Schlagwort zu charakterisieren: Wer nicht<br />
weiß, woher er kommt, weiß meist auch<br />
nicht, wohin er geht.<br />
Wesentliches Glied<br />
der Archivlandschaft<br />
Das Erstellen <strong>ein</strong>er solchen Ortsk<strong>und</strong>e<br />
oder das Gestalten <strong>ein</strong>er Ausstellung, ist aber<br />
ohne <strong>ein</strong> wohlgeordnetes Gem<strong>ein</strong>dearchiv<br />
nur sehr schwer möglich. Natürlich gibt es<br />
im Landesarchiv Quellen, die bis auf die<br />
Ebene der Gr<strong>und</strong>herrschaften gehen. Sie<br />
sind aber, abgesehen von den Steuerfassionen,<br />
selten vollständig, weil die Archivalienabgabe<br />
nach Aufhebung der Gr<strong>und</strong>herrschaft<br />
1850 meist nicht den Gesamtbestand, sondern<br />
nur jene Bücher <strong>und</strong> Akten betraf, die<br />
das jeweilige Bezirksgericht für die Führung<br />
der Amtsgeschäfte unbedingt brauchte. Bei<br />
den meisten Gem<strong>ein</strong>den sind sie jedoch,<br />
neben den Quellen des Ständischen Archivs,<br />
die <strong>ein</strong>zig vorhandenen. In der Regel besitzen<br />
nämlich nur Stadt- <strong>und</strong> Marktgem<strong>ein</strong>den,<br />
die ratsmäßig verfaßt waren <strong>und</strong> daher<br />
<strong>ein</strong> gewisses Maß an Selbstverwaltung besaßen,<br />
<strong>ein</strong> vor 1850 zurückgehendes eigenes<br />
Archiv. Diese Archive haben meist auch <strong>ein</strong>e<br />
über ihre engeren Mauern hinausgehende<br />
regionale Bedeutung. Retz ist dafür <strong>ein</strong> ausgezeichnetes<br />
Beispiel.<br />
Wir sehen also, daß die Gem<strong>ein</strong>dearchive,<br />
besonders aber jene der Städte <strong>und</strong> Märkte,<br />
<strong>ein</strong> ganz wesentliches Glied der österreichischen<br />
Archivlandschaft darstellen. Daß sie<br />
nicht nur für die Geschichtsforschung <strong>und</strong><br />
wissenschaftliche Landesk<strong>und</strong>e, sondern<br />
auch <strong>und</strong> vor allem für die heimatk<strong>und</strong>liche<br />
Forschung von hoher Bedeutung sind. Und<br />
man kann durchaus auch <strong>ein</strong>e Umwegrentabilität<br />
feststellen, die weit über die r<strong>ein</strong> historischen<br />
Aspekte hinausgeht. Hier zeigen sich<br />
nämlich ganz deutlich auch Möglichkeiten<br />
<strong>ein</strong>er wirtschaftlichen, sprich fremdenverkehrsmäßigen<br />
Sek<strong>und</strong>ärverwertung der Erkenntnisse,<br />
die man aus <strong>ein</strong>em Gem<strong>ein</strong>dearchiv<br />
gewinnen kann.<br />
Qualitätsoffensive<br />
für Gem<strong>ein</strong>dearchive<br />
Wie nun können wir verhindern, daß bei<br />
diesen so wichtigen Archivbeständen unwiederbringliche<br />
Verluste <strong>ein</strong>treten? Das NÖ<br />
Landesarchiv hat das Problem schon vor <strong>Jahr</strong>zehnten<br />
erkannt <strong>und</strong> auch versucht, in s<strong>ein</strong>em<br />
ihm möglichen Rahmen Hilfe zu leisten. So<br />
wurden seit 1945 <strong>ein</strong>e große Zahl von Gem<strong>ein</strong>dearchiven<br />
geordnet <strong>und</strong> sachgerecht<br />
aufgestellt. So etwa auch jenes der Stadt Retz.<br />
Vor allem in der Phase der Gem<strong>ein</strong>dezusammenlegungen<br />
bis in die frühen 70er-<strong>Jahr</strong>e<br />
war dies <strong>ein</strong> vordringliches Problem. Leider<br />
gibt es aber <strong>ein</strong>e Reihe von Fällen, in denen<br />
diese Arbeiten durch unsachgemäßes Umlagern<br />
<strong>und</strong> nachlässige Aufsicht wieder zunichte<br />
gemacht wurde. Diese vorher genannte<br />
Hilfe kann das Landesarchiv derzeit nur<br />
noch in Ausnahmefällen zur Verfügung stellen,<br />
weil die personellen <strong>und</strong> materiellen Ressourcen<br />
dies derzeit angesichts <strong>ein</strong>er Fülle<br />
neuer Aufgaben nicht mehr zulassen. Es ist<br />
auch wenig sinnvoll, <strong>ein</strong> Archiv sachgerecht<br />
zu ordnen, wenn sich im Anschluß daran niemand<br />
mehr um dasselbe kümmert.