Frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr! - Österreich Journal
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 55 / 14. 12. 2007 8<br />
Innenpolitik<br />
Heftige Plenardebatte<br />
über Asylgerichtshof<br />
<strong>Österreich</strong> verzeichnet <strong>ein</strong>en Rückstau von ca. 34.000 offenen Asylverfahren,<br />
davon all<strong>ein</strong> 4000 beim Verwaltungsgerichtshof. Der Rückstau soll bis zum<br />
<strong>Jahr</strong> 2010 abgebaut werden <strong>und</strong> die Asylverfahren sollen insgesamt nicht<br />
länger als 18 Monate dauern.<br />
Am 5. Dezember passierte das Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz<br />
das<br />
Plenum des <strong>Österreich</strong>ischen Nationalrats<br />
mit SPÖP-ÖVP-Mehrheit.<br />
SPÖ-Klubobmann Abg. Josef Cap erinnerte<br />
an die jahrelangen Debatten über die<br />
Einrichtung <strong>ein</strong>es Asylgerichtshofes. Beim<br />
Thema Asyl wandte er sich <strong>ein</strong>mal mehr<br />
gegen illegale Einwanderung <strong>und</strong> hielt fest:<br />
„Recht muß Recht bleiben“. Wer s<strong>ein</strong>e<br />
Heimat verlassen müsse, weil er aus politischen,<br />
ethnischen oder religiösen Gründen<br />
verfolgt werde, habe Recht auf Asyl <strong>und</strong> <strong>ein</strong><br />
Recht darauf, daß s<strong>ein</strong> Antrag ernst genommen<br />
<strong>und</strong> in <strong>ein</strong>em menschlich zumutbaren<br />
Zeitraum behandelt werde. Man dürfe laut<br />
Cap aber auch nicht übersehen, daß es Menschen<br />
gebe, die ihre Heimat freiwillig verlassen,<br />
um in die Wohlstandszonen Europas<br />
auszuwandern. Viele dieser Menschen versuchten,<br />
die Asylgesetzgebung auszunützen.<br />
Wer dies für verständlich halte, weil Menschen<br />
dem Hunger in Afrika nach Europa<br />
entkommen wollten, sollte bedenken, dies<br />
sei <strong>ein</strong>e Frage der Weltwirtschaftsordnung,<br />
<strong>ein</strong>e Aufgabe für die Weltbank – man könne<br />
von <strong>ein</strong>em kl<strong>ein</strong>en Land wie <strong>Österreich</strong> nicht<br />
verlangen, all<strong>ein</strong> globale Probleme zu lösen.<br />
Der Asylgerichtshof werde mehr Rechtsschutz<br />
bieten als bisher, werde <strong>ein</strong>e Beschleunigung<br />
der Verfahren bringen <strong>und</strong> insgesamt<br />
durch die Einführung von Zweirichter-Senaten<br />
<strong>ein</strong>e neue Qualität der Rechtssprechung<br />
ermöglichen. Der Instanzenzug<br />
bleibe, wie im Wahlkampf von der SPÖ versprochen,<br />
zweigliedrig. Auch das Personal<br />
der ersten Instanz werde massiv ausgebaut,<br />
um die Qualität der Entscheidungen zu verbessern.<br />
Schließlich werden die Erfahrungen<br />
mit den Entscheidungen des Asylgerichtshofs<br />
evaluiert werden, um zu überprüfen, ob<br />
die Erwartungen, mit denen dieser Gerichtshof<br />
<strong>ein</strong>gerichtet wird, tatsächlich<br />
erfüllt werden.<br />
ÖVP-Klubobmann Wolfgang Schüssel<br />
begründete die Einrichtung <strong>ein</strong>es Asylgerichtshofs<br />
mit <strong>ein</strong>er neuen Entwicklung der<br />
letzten <strong>Jahr</strong>zehnte, die die Zahl der Flüchtlinge,<br />
die auf Dauer in <strong>Österreich</strong> bleiben<br />
wollen, stark vermehrt habe. <strong>Österreich</strong> verzeichne<br />
relativ mehr Flüchtlinge als Länder<br />
wie Deutschland <strong>und</strong> Kanada. Daher sei es<br />
notwendig, die Verfahren zu beschleunigen<br />
<strong>und</strong> den Innenminister beim Thema „zirkuläre<br />
Migration“ auf europäischer Ebene zu<br />
unterstützen.<br />
Die stv. B<strong>und</strong>essprecherin der Grünen,<br />
Eva Glawischnig-Piescek, zeigte sich tief besorgt<br />
über den Zustand des Parlamentarismus<br />
in <strong>Österreich</strong> <strong>und</strong> warf den Regierungsparteien<br />
vor, mit ihrer rot-schwarzen Packelei<br />
die B<strong>und</strong>esverfassung mit Füßen zu treten.<br />
SPÖ <strong>und</strong> ÖVP hätten den Oppositionsabgeordneten<br />
jeden Dialog über die vorliegenden<br />
Verfassungsänderungen verweigert<br />
<strong>und</strong> peitschten die Vorlagen nun gegen den<br />
Protest der betroffenen Gruppen <strong>und</strong> gegen<br />
massive Bedenken von Präsidenten der<br />
Höchstgerichte durch das Hohe Haus. Eine<br />
Expertengruppe, bestehend aus wenigen SP-<br />
Verfassungsjuristen <strong>und</strong> Nationalratspräsident<br />
a.D. Khol hätte die Entwürfe geliefert,<br />
die ohne Begutachtung in den Verfassungsausschuss<br />
gelangten <strong>und</strong> von dort ohne jede<br />
Änderung in das Plenum weitergeleitet wurden.<br />
Nicht <strong>ein</strong>mal die Justizministerin habe<br />
Zeit <strong>und</strong> Gelegenheit gehabt, die geplanten<br />
Änderungen zu lesen.<br />
FPÖ-Abgeordneter Lutz W<strong>ein</strong>zinger erklärte,<br />
er habe k<strong>ein</strong> Verständnis für die Argumente<br />
der Grünen angesichts des „unglaublichen“<br />
Asylmißbrauchs. Im Hinblick darauf,<br />
daß <strong>Österreich</strong> von sicheren Staaten<br />
umgeben sei, dürften k<strong>ein</strong>e AsylwerberInnen<br />
mehr kommen, folgerte er, sodaß diejenigen,<br />
die tatsächlich kommen, im Bewußts<strong>ein</strong> die<br />
Grenze überschreiten, daß sie k<strong>ein</strong>e echten<br />
Asylwerberinnen <strong>und</strong> Asylwerber sind. Die<br />
rechtlichen Möglichkeiten, die Verfahren zu<br />
verkürzen, wurden von W<strong>ein</strong>zinger begrüßt.<br />
BZÖ-Abgeordneter Herbert Scheibner<br />
stellte fest, der Asylgerichtshof sei notwendig,<br />
um zu verhindern, daß – wie in der<br />
Vergangenheit – Tausende Fälle liegen blei-<br />
ben, sowie dafür zu sorgen, daß tatsächlich<br />
nur jene Asyl bekommen, die Asylgründe<br />
haben. Scheibner legte <strong>ein</strong>en Abänderungsantrag<br />
s<strong>ein</strong>er Fraktion vor, der u. a. <strong>ein</strong> schärferes<br />
Anforderungsprofil für Asylrichter vorsah.<br />
B<strong>und</strong>eskanzler Alfred Gusenbauer sprach<br />
von <strong>ein</strong>em umfassenden Verfassungspaket,<br />
das im wesentlichen das Ergebnis der Diskussionen<br />
des Konvents sei. Da sich herausgestellt<br />
habe, daß <strong>ein</strong>e gr<strong>und</strong>sätzliche<br />
Reform der B<strong>und</strong>esverwaltungsgerichtsbarkeit<br />
zumindest noch über zwei <strong>Jahr</strong>e dauern<br />
würde, habe sich die Regierung entschlossen,<br />
den Asylgerichtshof vorzuziehen.<br />
Dies sei deshalb dringend notwendig, da es<br />
<strong>ein</strong>en Rückstau von ca. 34.000 offenen<br />
Asylverfahren, davon all<strong>ein</strong> 4000 beim<br />
Verwaltungsgerichtshof, gebe. Der Rückstau<br />
soll bis zum <strong>Jahr</strong> 2010 abgebaut werden <strong>und</strong><br />
die Asylverfahren sollen insgesamt nicht<br />
länger als 18 Monate dauern. Gusenbauer<br />
wies darauf hin, daß es bei den Asylverfahren<br />
sehr hohe Berufungsquoten gibt,<br />
sie liegen derzeit bei 90 Prozent. Außerdem<br />
erheben 50 Prozent der Aslywerber, die <strong>ein</strong>en<br />
negativen Bescheid des Unabhängigen B<strong>und</strong>esasylsenats<br />
(UBAS) haben, Beschwerde<br />
beim Verwaltungsgerichtshof. Die häufigsten<br />
Gründe für die Aufhebung der UBAS-<br />
Bescheide sind dabei vor allem in Formalfehlern<br />
beim Verfahren zu suchen. In den<br />
<strong>Jahr</strong>en 2004 bis 2007 gab es übrigens 41 Fälle<br />
(von insgesamt 4740), in denen aufgr<strong>und</strong><br />
der Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes<br />
Asyl gewährt wurde, wobei dies nur in<br />
14 Fällen auf <strong>ein</strong>e andere Beurteilung der<br />
Situation im Heimatland durch den VwGH<br />
zurückzuführen ist. Es sei daher s<strong>ein</strong>er M<strong>ein</strong>ung<br />
nach nicht korrekt, daß mit der neuen<br />
Konstruktion bewußt <strong>ein</strong>e Absenkung der<br />
Anerkennungsquote betrieben wird.<br />
Das Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz<br />
passierte das Plenum schließlich mit der<br />
Mehrheit der Koalitionsparteien SPÖ <strong>und</strong><br />
ÖVP. �<br />
http://www.parlament.gv.at