october-2012
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M O R I T Z B L E I B T R E U<br />
Im Kino läuft derzeit Schutzengel,<br />
der neue Film von Til<br />
Schweiger. Weg vom niedlichen<br />
Spaß der Keinohrhasenund<br />
Zweiohrküken-Komödien<br />
handelt es sich hier um ein<br />
Actiondrama mit viel Geballer,<br />
aber – im typischen Stil Schweigers<br />
– auch vielen Emotionen.<br />
Wieder einmal hat Schweiger den<br />
Film produziert, führt Regie und<br />
spielt zudem die Hauptfi gur, einen<br />
ehemaligen Soldaten der<br />
Bundeswehr-Eliteeinheit KSK.<br />
Dieser wird damit beauftragt ein<br />
Waisenkind (gespielt von Schweigers<br />
Tochter Luna), das Zeugin<br />
eines Mordes wird, zu beschützen.<br />
Die Geschichte ist vielleicht<br />
nicht gerade Neustoff , aber die<br />
Thematik, die vor allem mit<br />
Bleibtreus Rolle des beinamputierten<br />
Ex-Soldaten Rudi in den<br />
Mittelpunkt gerät, ist in Deutschland<br />
selten auf der Leinwand zu<br />
sehen: dass deutsche Soldaten<br />
sich in Afghanistan einer Kriegssituation<br />
aussetzen. Bleibtreu<br />
brilliert in der tiefgehenden Rolle.<br />
Wir treff en uns mit Moritz<br />
Bleibtreu in seiner Wahlheimatstadt<br />
Hamburg zum Gespräch.<br />
Eben noch die Zigarette ausgedrückt,<br />
setzt sich Bleibtreu<br />
entspannt in seinem Stuhl zurück:<br />
„Bis heute hat mir Til<br />
78—GW<br />
Schweiger den schönsten Moment<br />
meiner Karriere beschert.”<br />
Und damit meint er nicht den<br />
deutschen Filmpreis, den er 1997<br />
für seine Rolle als Abdul, dem<br />
Türken, in Knockin' on Heaven's<br />
Door gewann. Rückblickend war<br />
dies Bleibtreus großer Durchbruch<br />
und die erste Zusammenarbeit<br />
der beiden Kinogrößen,<br />
die noch heute die deutsche<br />
Filmszene nachhaltig prägen.<br />
„Der Moment, als Til mich<br />
nachts um eins anrief und sagte,<br />
dass ich die Rolle spielen werde,<br />
war mit einem Glücksgefühl verbunden,<br />
das ich in meiner beruflichen<br />
Laufb ahn so nie wieder<br />
erlebt habe. Das muss noch getoppt<br />
werden.” Bleibtreu strahlt.<br />
Sein berühmtes, sympathisches<br />
Kassenschlager-Lächeln ist einfach<br />
in seiner Natur.<br />
Wie hat sich Deutschlands<br />
Strahlemann auf die Rolle des<br />
behinderten Rudi vorbereitet,<br />
der nach einem Afghanistan-<br />
Einsatz im Rollstuhl sitzt? „Ich<br />
bin ja eher ein Bauch- als Kopfschauspieler.<br />
Aber wir hatten<br />
zum Glück auch Felix mit am Set,<br />
der mit 18 seine Beine durch einen<br />
Unfall verlor und mich gedoubelt<br />
hat. Ich konnte ihm Fragen<br />
stellen und es war unglaublich<br />
ermutigend, mit was für einer<br />
Kraft und Selbstverständlichkeit<br />
er mit diesem Schicksal<br />
umgegangen ist.” Die Herausforderung<br />
bei der Rolle war nicht<br />
nur die Behinderung zu spielen,<br />
sondern vor allem, in welchem<br />
Kontext sie entstand. Bleibtreu<br />
gibt zu, dass er sich zuvor der<br />
Thematik der Soldateneinsätze<br />
zu einem bestimmten Grad verschlossen<br />
hatte, weil er ein Gewaltgegner<br />
ist.<br />
„Grundsätzlich wird Krieg in<br />
Deutschland aus verständlichen<br />
Gründen nicht oft thematisiert.<br />
Den Begriff Veteran verbindet<br />
man in allererster Linie mit Amerika.”<br />
Der Film greift das Problem<br />
dieser Begriffl ichkeit auf. Als die<br />
Hauptfi gur den Krieg in Afghanistan<br />
erwähnt, fragt das Waisenmädchen:<br />
„Welcher Krieg?”. Für<br />
Bleibtreu scheint genervt<br />
von der Medienkritik an Til<br />
Schweigers Erfolgen<br />
Bleibtreu ist dieser Punkt ganz<br />
zentral: „Wenn Soldaten mit<br />
schutzsicheren Westen und Panzer<br />
durch die Gegend fahren und<br />
in Schießgefechte verwickelt werden,<br />
dann ist man es ihnen schuldig<br />
zuzugeben, dass es sich um einen<br />
Krieg handelt und nicht nur<br />
um einen ‘Einsatz’. Im Sinne der<br />
Genfer Konvention ist das vielleicht<br />
kein Krieg, aber wie soll<br />
man das denn sonst nennen?”<br />
Bleibtreu redet ganz frei und<br />
ist sichtlich vom Filmstoff betroff<br />
en. Bevor der Film in die Kinos<br />
kam, ist Til Schweiger nach<br />
Afghanistan gereist und hat den<br />
Film dort den Truppen gezeigt.<br />
Viele Medien haben das als<br />
Imagepromotion kritisiert,<br />
Bleibtreu hingegen nimmt<br />
Schweiger sofort in Schutz: „Das<br />
ist alles Quatsch. Til macht das,<br />
weil es ihm persönlich nahe<br />
geht. Er hat eine unglaubliche<br />
Kraft, die richtig ansteckend ist.<br />
Er macht alles aus Leidenschaft,<br />
Liebe und Überzeugung.” Ähnlich<br />
verhält es sich mit dem Thema,<br />
dass Schweigers Kinder in<br />
seinen Filmen mitspielen. „Oft<br />
wird auch mir das als Grundsatzfrage<br />
gestellt. Aber Til macht<br />
das, weil es einfach passt. Es gab<br />
eine Geschichte mit einem<br />
15-jährigen Mädchen, Luna<br />
wollte sie gern spielen und macht<br />
es dazu auch noch gut. Also, wieso<br />
nicht?” Bleibtreu meint, es<br />
ginge Schweiger sicher auch darum,<br />
mehr Zeit mit seiner Tochter<br />
zu verbringen, was er als Familienmann<br />
gut verstehen kann.<br />
Sein eigener Sohn (mit seiner<br />
schwedischen Langzeitpartnerin<br />
Annika) ist erst vier Jahre alt,<br />
aber Bleibtreu selbst hatte zu Beginn<br />
seiner Karriere auch mit<br />
seiner Mutter, der vor drei Jahren<br />
verstorbenen Schauspielerin<br />
Monica Bleibtreu, vor der Kamera<br />
gestanden.<br />
Generell scheint Bleibtreu<br />
genervt von der Medienkritik<br />
am Erfolg seines Kollegen<br />
Schweiger, vielleicht weil es gegen<br />
Bleibtreus Natur ist, immer<br />
nur alles zu verreißen: „Ich bin