Rückblick auf das Jahr 2009 - Landrat-Lucas Gymnasium
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Theater, Tanz, Film <strong>Lucas</strong> live<br />
Mobbing in der Schulklasse<br />
Von Frank Weiffen, 04.03.09<br />
Schauspieler Halil Yavuz vom Theater Krefeld packt die Schüler unmittelbar – weil er aus der<br />
Klasse heraus agiert. Am <strong>Landrat</strong>-<strong>Lucas</strong>-<strong>Gymnasium</strong> spielt er einen neuen Mitschüler.<br />
OPLADEN – Fünf Minuten gibt ihnen der Neue. „In denen könnt ihr mich fertigmachen“, sagt<br />
er. Schlagen, treten – egal. Einfach dr<strong>auf</strong>. Danach aber sollen sie ihn in Ruhe lassen, fleht er. Die<br />
Schüler der 10 b sind verwirrt. Einige blicken zu Boden. Andere lachen leise und unsicher. Als<br />
jemand murmelt: „Meint der <strong>das</strong> ernst?“ gibt es wohl nicht wenige, die ein „Ja“ als Antwort für<br />
möglich halten. Eben, in der Pause, war die Stimmung hier noch gelöst. Aber mit dem Neuen kam<br />
die Beklemmung.<br />
Natürlich ist „der Neue“ nicht der Neue. Er ist auch nicht, wie er sagt, Jürgen Rickert, der ihnen<br />
anbietet: „Ihr könnt mich auch Fickert oder Pickert nennen – wie Pickel. Das haben die anderen<br />
auch immer gemacht.“ Der mit dem gehetzten Blick ist der Schauspieler Halil Yavuz vom Theater<br />
Krefeld, der am <strong>Landrat</strong>-<strong>Lucas</strong>-<strong>Gymnasium</strong> „nur“ ein Theaterstück („Erste Stunde“) zum Thema<br />
Mobbing <strong>auf</strong>führt. Aber <strong>das</strong> trifft spürbar ins Mark. Yavuz agiert aus der Klasse heraus. Er stellt<br />
sich als neuer Mitschüler vor, wird zum Banknachbarn – und zeigt 45 Minuten lang, wie sich Gewalt<br />
und Psychoterror in der Schule äußern.<br />
Der 29-Jährige ist unterwürfig. Er bettelt seine „Mitschüler“ an, es kurzzumachen. Weil sie nicht<br />
reagieren, zückt er <strong>das</strong> Messer, beschimpft sie als „Schlampen“ oder „Idioten“ – und offenbart im<br />
Solo-Rollenspiel nach und nach die Ursachen für Mobbing. So pickt sich Yavuz Jungen und Mädchen<br />
heraus und beleidigt sie: Dafür, <strong>das</strong>s sie blöde gucken. Dafür, <strong>das</strong>s sie nichts sagen. Dafür, <strong>das</strong>s<br />
sie sich geschminkt haben. „Du bist doch selbst ein Opfer!“, höhnt er. Die Klasse lacht. Sie tut es<br />
bei jedem, den Yavuz anspricht. Nicht böswillig, klar: Ist ja nur Theater. Aber die paar „lässigen“<br />
Sprüche, die kommen, zeigen schon: So geht es meistens los. Yavuz hält den Schülern den Spiegel<br />
vor. Und er teilt sie in eine Hierarchie ein: Ganz oben sind die Großmäuler, die „Cracks“. Dann<br />
kommen die, die beim Vornamen gerufen werden und vor den „Cracks“ buckeln. Dann die „Nachnamen“,<br />
die schon kaum mehr respektiert werden. Ganz unten sind die, für die es nur Schimpfwörter<br />
gibt. „Es ist interessant zu sehen“, flüstert Klassenlehrer Klemens Büsch hinten im Raum, „<strong>das</strong>s<br />
es gerade unsere ,Cracks’ sind, die hier Kommentare ablassen.“ Sie zeigten damit: Ich kann mit<br />
Unsicherheit nicht umgehen. Ich muss ablenken von dieser „Schwäche“. Begeistert sind am Ende<br />
alle von diesem Theater-„Experiment“. „Das packt die Schüler emotional“, sagt Büsch. Besser als<br />
jeder Unterricht sei so was. Takal und Yannik loben: „Das wirkte unheimlich echt.“ Überhaupt: So<br />
ungewöhnlich seien die Erfahrungen des imaginären<br />
„Neuen“ nicht: Auch <strong>auf</strong> dieser Schule gebe es<br />
Mobbing. Nicht so „krass“, aber es sei da.<br />
Und plötzlich zieht einer <strong>das</strong> Messer: Halil Yavuz<br />
zeigt den Schülern, welche Konsequenzen Mobbing<br />
haben kann. ©Bild: Ralf Krieger<br />
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Andrew <strong>auf</strong> dem Stuhl gegenüber zum Beispiel<br />
war erst gestern dran: „Draußen haben mich Unbekannte<br />
angesprochen und einfach dr<strong>auf</strong>los geschlagen“.<br />
Die Lippe ist noch geschwollen – <strong>das</strong><br />
war kein Theater. Yavuz erzählt: „Zuletzt haben<br />
mich Schüler während des Spielens mit Stiften beworfen.“<br />
Das habe ihn fertig gemacht, auch wenn<br />
es hinterher „nur“ Spaß gewesen sein soll. Aber<br />
gerade Yavuz, der „Neue“, weiß: Mit Spaß und<br />
Lachen fängt es meistens an.