IZ P olicy P apers - instytut zachodni w poznaniu - Poznań
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Zbigniew Mazur<br />
Die Deutschen als Täter und Opfer<br />
Aleida Assmann fiel auf, dass, beeinflusst von der lebendigen Erinnerung<br />
an den deutschen Judenmord, sich die gesellschaftliche Wahrnehmung der<br />
Vergangenheit grundlegend wandelt: die früher dominierende Zweiteilung<br />
in Sieger und Besiegte wurde ersetzt durch die aus der Kriminalistik stammende<br />
Unterscheidung in Täter und Opfer. Konfrontation und Kampf sind<br />
die Voraussetzung für das erste Gegensatzpaar, einseitige und systematische<br />
Gewalt gegen die wehrlose Zivilbevölkerung bringt indessen das zweite Paar<br />
zutage. Sieger und Täter sind nicht das Gleiche, genauso wenig wie der Besiegte<br />
und das Opfer identisch sind. Ähnlich wie im Polnischen bezieht sich<br />
der Begriff des Opfers im Deutschen auf zwei verschiedene Situationen: zum<br />
einen auf die Aufopferung des eigenen Lebens für eine Sache (sacrificium),<br />
zum anderen auf das passive Erleiden von Gewalt (victima). Im ersten Fall<br />
hat der Tod einen Sinn, im zweiten hat er keinen. Beide Formen des Opfers<br />
werden daher zwangsläufig völlig unterschiedlich erinnert. Der Heldentod ist<br />
in der „heroischen nationalen Semantik” kodiert, die der religiösen Semantik<br />
des Martyriums entlehnt ist. Der Soldat stirbt für seine Gemeinschaft, für<br />
das Vaterland; seinen Tod umgibt eine Aura von Ehre und Ruhm. Die Erinnerung<br />
an diesen Tod gleicht einer sakrifiziellen Heroisierung. Nichts davon<br />
gilt für das wehrlose und passive Opfer, die Zivilbevölkerung, die physisch<br />
vernichtet wurde. Da deren Schicksal sich für eine heroische Narration nicht<br />
eignet, greift man stattdessen auf die Narration traumatischer Erfahrungen<br />
von Leid und Schmerz zurück (Opfererfahrung). Nach Ansicht von Assmann<br />
kam es in den letzten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts im kollektiven<br />
Gedächtnis zu einer deutlichen Verschiebung der Akzente: und zwar<br />
von sakrifiziellen zu viktimologischen Formen des Erinnerns und Gedenkens<br />
(victima als ein moralisches Konstrukt im öffentlichen Raum). 1 Gelegentlich<br />
spricht man in diesem Zusammenhang auch von einem postheroischen<br />
kollektiven Gedächtnis.<br />
Die Begriffe des Täters und des Opfers finden in der Geschichtswissenschaft,<br />
außer in sozialpsychologischen Arbeiten, recht begrenzte Anwendung.<br />
Dafür sind sie zu stark metaphorisch und emotional gefärbt, hinzu kommt,<br />
dass es sich bei ihnen um Kategorien des Strafrechts handelt. Aus den gleichen<br />
Gründen sind sie jedoch zur Beschreibung des kollektiven Gedächtnisses<br />
sowie der Mentalität und der Verhaltensweisen ganzer gesellschaftlicher<br />
Gruppen – und nicht nur einzelner Individuen – hervorragend geeignet. Die<br />
Klassifizierung eines Volkes als kollektiver Täter beziehungsweise kollektives<br />
1 A. A s s m a n n, Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik,<br />
München 2006, S. 72-84, 89.<br />
<strong>IZ</strong> P<strong>olicy</strong> P<strong>apers</strong> • nr 1(II) • www.iz.poznan.pl 27