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IZ P olicy P apers - instytut zachodni w poznaniu - Poznań

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Das Erinnern institutionalisierter Gewalt und die historische Semantik<br />

zugleich auf die tyrtaisch-heroische Strömung der polnischen romantischen<br />

Tradition. Der Weg erfüllt eine „strukturelle Grundfunktion“: nicht nur im<br />

gewöhnlichen, konkreten, sondern auch – und vor allem – im symbolischen<br />

Sinne. Das zentrale Sinn-, oder eher Sinnlosigkeitselement, ist das Ziel, der<br />

Endpunkt der Wanderung. Es ist kaum zu erwarten, dass Autoren mit so dramatischen,<br />

in Pazifikationen und im wolhynischen Bürgerkrieg gemachten<br />

Erfahrungen, mit so tiefen traumatischen Erfahrungen in den Grenzlanden<br />

ihre Aussiedlung – zum Beispiel von Lemberg nach Breslau – als besondere<br />

Deprivation empfunden hätten.<br />

Mit gleicher Kraft bürgerte sich in der Literatur der deutschen Ostgebiete<br />

eine ihren Handlungssträngen und Motiven nach verschiedene „unterschwellige<br />

Geschichte“ ein. Die infolge von Kriegshandlungen und Zwangsaussiedlungen<br />

verlassenen deutschen „Grenzlande“ tauchten in der deutschen<br />

Nachkriegsliteratur auf andere, weniger umfassende Weise, selektiv und (a)<br />

historisch auf. Denn die deutschen „Grenzlande“ stellten, im Gegensatz zu<br />

den polnischen, kein kulturelles Grenzgebiet, sondern eine kulturelle Peripherie<br />

dar. Und ebendiese finden wir in der Literatur wieder.<br />

Zwischen zwei Erzählungen, von denen die eine<br />

in kultureller Weise „für den Krieg ist“,<br />

während die andere jede Gewalt „als solche“ verpönt<br />

Die moderne Bewertung von Gewalt unterliegt sowohl in der Täter- als<br />

auch in der Opferperspektive einer spezifischen Trennung in einen Bereich<br />

der legitimierten und einen der illegitimen Gewalt. Während die legitimierte<br />

Gewalt recht weitgehend internalisiert ist und gewissermaßen eine tiefere<br />

psychische, und damit auch moralische, Akzeptanz besitzt, wird die nicht<br />

konzessionierte Gewalt in vollem Umfange moralisch stigmatisiert und<br />

erregt in besonderem Maße Furcht und Schrecken. Diese Aufteilung von<br />

Mitteln, Mechanismen und Strategien der Gewalt hat tiefe kulturelle Wurzeln<br />

und kommt Tabuverhalten nahe. Neueste Forschungsarbeiten haben<br />

unser Wissen in dieser Hinsicht recht weit vorangebracht – man denke nur<br />

an Herfried Münklers Gewalt und Ordnung. Das Bild des Krieges im politischen<br />

Denken (1992), den hervorragenden, von Heinrich v. Stietencron und<br />

Jörg Rüpke herausgegebenen Sammelband Töten im Krieg sowie schließlich<br />

an die Überlegungen Jan Philipp Reemtsmas, Wolfgang Sofskys und Zygmunt<br />

Baumans zu den Themen Moderne und Holocaust.<br />

In meinen Odpomnienia [Rückbesinnungen] habe ich vor Jahren geschrieben:<br />

„Warum rufen weit grausamere und unheilvollere Akte ‚legaler’ Gewalt<br />

wie etwa die Hunderttausende in Schützengräben Gefallenen, die Tausende<br />

bei Flächenbombardements Verbrannten und Zerrissenen wesentlich weniger<br />

Entsetzen hervor als das bei Unruhen vorkommende Aufschlitzen von Bäuchen<br />

und Abschneiden von Genitalien, die Vergewaltigung von Frauen vor den<br />

Augen ihrer Männer, Väter oder Kinder? Warum spricht man bei (wörtlich zu<br />

<strong>IZ</strong> P<strong>olicy</strong> P<strong>apers</strong> • nr 1(II) • www.iz.poznan.pl 49

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