IZ P olicy P apers - instytut zachodni w poznaniu - Poznań
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Das Erinnern institutionalisierter Gewalt und die historische Semantik<br />
Zentrums ist eine gewaltige Fachliteratur entstanden, und auch in Forschungsarbeiten<br />
des Westinstituts ist ihm (besonders) in rechtlicher und politischer<br />
Hinsicht Aufmerksamkeit zuteil geworden. Hier jedoch soll es ausschließlich<br />
um die semantische Dimension dieser „Installation zum Gedenken an das<br />
Jahrhundert der Vertreibungen“ gehen.<br />
Es ist auffällig, dass in allen Debatten über die Konzeptionen des Zentrums<br />
gegen Vertreibungen dessen „materieller“, also augenfälliger Charakter, das<br />
Projekt eines „konkreten“ Bauwerks, eines sichtbaren, in die Stadtlandschaft<br />
von Berlin sich einfügenden Gebäudes im Mittelpunkt steht. Unter dem Gesichtspunkt<br />
der Archivlogistik stellt sowohl der Umbau bereits bestehender<br />
architektonischer Komplexe wie auch die Errichtung neuer Gebäude für das<br />
Zentrum/Zeichen einen Anachronismus dar. Und doch wird genau das geschehen,<br />
wenn es zur Umsetzung des Sichtbaren Zeichens im Deutschlandhaus<br />
im Zentrum Berlins, möglichst nah am Holocaust-Denkmal kommt. Wenn<br />
die Intention der deutschen politischen und intellektuellen Klasse darin<br />
besteht, ein Dokumentations-, Archivierungs- und Forschungszentrum<br />
einzurichten, dann benötigt dieses „Zentrum“ als solches keinerlei architektonische<br />
Materialisierung. Ein durch einen internationalen wissenschaftlichen<br />
Beirat beaufsichtigtes und von einer fähigen Direktion koordiniertes<br />
Servernetz in einigen Dutzend europäischen Archiven und/oder Museen, in<br />
denen digitalisierte Quellen aus wichtigen deutschen (und ausländischen)<br />
Archiven gesammelt sind, würde nicht nur die Aufgaben des konzipierten<br />
„Zentrums“ erfüllen, sondern auch den gesteckten Zielen (was Dokumentation<br />
und Archivierung betrifft) in herausragender Weise gerecht werden, ganz<br />
zu schweigen von den Bedürfnissen der Forschung. Die Zentralisierung von<br />
Forschung in monopolistisch definierten Mauern gehört heutzutage schon<br />
der akademischen Vergangenheit an. Und was ist mit den geplanten musealen<br />
Vorzügen des „Zentrums“? Die heutige Musealisierung des Gedächtnisses,<br />
die für die Bedürfnisse der Geschichtspolitik (was auch immer man genau<br />
darunter verstehen mag) des späten 19. und frühen 20. Jhs. ersonnen wurde,<br />
stellt die Neuauflage einer Idee des 19. Jhs. dar, und zwar der Idee der Geschichtspanoramen.<br />
Diese sollten einst die Illusion schaffen, Vergangenheit,<br />
insbesondere Schlachten der Vergangenheit, unmittelbar zu erleben. Sie<br />
sollten die Möglichkeit eines sinnlichen, gewissermaßen organoleptischen<br />
Kontakts ermöglichen: sehend, hörend, ja beinahe riechend. Doch „nach Sicht<br />
und Gehör“ lässt sich Geschichte wohl kaum begreifen.<br />
Daher darf man annehmen, dass es in der Debatte über ein materielles<br />
„sichtbares Zeichen“ (wobei es auf den Namen nicht ankommt) um etwas<br />
anderes geht: um symbolische Werte, um (mit Pierre Bourdieu gesprochen)<br />
symbolisches Kapital erster Güte. Es geht um die Ausschließung bestimmter<br />
Opfer des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit zugunsten<br />
einer bestimmten anderen Gruppe durch den Bau einer „Installation zum<br />
Gedenken an das Jahrhundert der Vertreibungen“, Sichtbares Zeichen genannt.<br />
Und dabei handelt es sich – was ich betonen möchte – keineswegs um<br />
<strong>IZ</strong> P<strong>olicy</strong> P<strong>apers</strong> • nr 1(II) • www.iz.poznan.pl 59