IZ P olicy P apers - instytut zachodni w poznaniu - Poznań
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Die Deutschen als Täter und Opfer<br />
den Plan gerufen, für einen zusätzlichen Vertriebenen-Gedenkort in Berlin zu<br />
kämpfen. Die Errichtung des Holocaust-Denkmals erwies sich dabei paradoxerweise<br />
als hilfreich. Niemand konnte der deutschen Seite vorwerfen, sie<br />
versuche erneut die Ermordung der Juden zu verschweigen und konzentriere<br />
sich nur auf die Erinnerung der eigenen Opfer. Die Vertriebenenfunktionäre<br />
betonten in öffentlichen Auftritten geradezu demonstrativ die Einmaligkeit<br />
des Holocaust, unterstrichen jedoch gleichzeitig, dass die Deutschen auch das<br />
Recht haben, sich an die eigenen Opfer zu erinnern und ihrer zu gedenken.<br />
Der Bund der Vertriebenen war sicherlich eine starke Interessengruppe, es<br />
ist aber fraglich, ob er sich mit seinen Ideen hätte durchsetzen können, wenn<br />
es in der Berliner Republik nicht zu einem allgemeinen Einstellungswandel<br />
gekommen wäre. Es war klar, dass die Vereinigung Deutschlands dem kollektiven<br />
Gedächtnis seinen Stempel aufdrücken würde, die Wahrnehmung und<br />
Darstellung der Vergangenheit verändern würde. Die deutsche Gesellschaft<br />
wurde selbstsicherer, öffnete sich mehr der nationalen Vergangenheit und löste<br />
sich von ihrer Fixierung auf den Nationalsozialismus. Zudem verschwand allmählich<br />
die Generation, die direkt in die Verbrechen des nationalsozialistischen<br />
Regimes involviert war, und zumindest teilweise Schuld oder Scham für die<br />
Untaten empfand, die „im Namen des deutschen Volkes” begangen worden<br />
waren. In der Politik und im Geistesleben dominiert heute die Generation,<br />
die den Krieg nicht mehr bewusst erlebt hat oder erst nach Kriegsende geboren<br />
wurde. Im Falle der BRD ist dies die Wirtschaftswunder-Generation, die in<br />
einem gut funktionierenden demokratischen System und stark ausgebauten<br />
Sozialstaat aufwuchs, der sich in der Außenpolitik selbst Beschränkungen<br />
auferlegte. Zdzisław Krasnodębski, polnischer Soziologe und Deutschlandkenner,<br />
bemerkte dazu: „Das Bewusstsein der Deutschen ist heutzutage auf<br />
die demokratische Nachkriegsgeschichte ihres Landes begrenzt. Allgemein<br />
verbreitet ist das Gefühl, dass das heutige Deutschland ein Land ist, das Gutes<br />
tut und eine Politik der Vernunft verfolgt” 22 . Verbindet man dieses Gefühl mit<br />
der allgemeinen Tendenz, das Gedächtnis zu anthropologisieren, die Vergangenheit<br />
aus der Perspektive des Einzelschicksals zu betrachten, dann wird eher<br />
verständlich, wieso die Vertriebenen und Flüchtlinge in der Rolle der Opfer<br />
Karriere gemacht haben.<br />
Durch die Eingliederung der DDR in die BRD entfielen die Beschränkungen<br />
des kollektiven Gedächtnisses, die sich aus der Abhängigkeit beider deutscher<br />
Staaten von den Großmächten sowie aus dem ideologischen Wettstreit zwischen<br />
ihnen ergaben. Der neue deutsche Staat hatte mehr Freiheit, Geschichtspolitik<br />
zu betreiben, und er ließ es sich nicht entgehen, davon Gebrauch zu machen.<br />
Er strebt die Rolle einer „normalen” Großmacht – ähnlich wie Frankreich und<br />
Großbritannien – an, die keine Verantwortung trägt für die braune Vergangenheit.<br />
Deutschland trachtet nach einer „Normalisierung” des Verhältnisses<br />
zur Geschichte. Dieses Ziel wurde auch schon in der „alten” Bundesrepublik<br />
22 Niemcy piszą historię na nowo [Die Deutschen schreiben die Geschichte neu] (Interview mit<br />
Zdzisław Krasnodębski), in: „Fronda”, (46)2008, S. 229.<br />
<strong>IZ</strong> P<strong>olicy</strong> P<strong>apers</strong> • nr 1(II) • www.iz.poznan.pl 41