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IZ P olicy P apers - instytut zachodni w poznaniu - Poznań

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Die Deutschen als Täter und Opfer<br />

riert wird, dass sie ohne Grund und ungerechterweise ihre Heimat verlassen<br />

mussten, dass ihnen Unrecht geschah, als sie, die rechtmäßigen Besitzer,<br />

aus ihren Häusern geworfen und enteignet wurden. In der „Charta der deutschen<br />

Heimatvertriebenen” vom 5. August 1950 werden die nicht-deutschen<br />

Opfer nicht einmal erwähnt, während die deutschen Vertriebenen zu Opfern<br />

avancieren, denen größtes Leid widerfuhr und die dennoch großherzig auf<br />

„Rache und Vergeltung” (sic!) verzichten. Diese Erklärung entstand vor über<br />

einem halben Jahrhundert, und man könnte sie als historisches Dokument<br />

betrachten, würde der Bund der Vertriebenen sich nicht immer noch auf die<br />

Charta berufen, würden deutsche Politiker sie nicht für einen großmütigen<br />

Akt halten und würde man nicht erwägen, den Tag ihrer Unterzeichnung<br />

zu einem staatlichen Feiertag zu machen. Sämtliche wichtigen politischen<br />

Parteien sind der Ansicht, dass den deutschen Vertriebenen großes Leid und<br />

Unrecht widerfahren ist. Der Bund der Vertriebenen behauptet außerdem, dass<br />

dieses Leid außergewöhnlich und einmalig in der europäischen Geschichte des<br />

zwanzigsten Jahrhunderts gewesen sei. Die Vertriebenen streben offensichtlich<br />

danach, dass sich dem deutschen und europäischen kollektiven Gedächtnis<br />

für immer das Bild von zwei grundlegenden europäischen Unglücken einprägt:<br />

der Shoah sowie der Zwangsumsiedlung der deutschen Bevölkerung. Sie leugnen<br />

nicht die Einmaligkeit des Holocaust, verlangen aber, dass die Vertreibung<br />

ebenfalls als einmalig anerkannt wird. Das zwanzigste Jahrhundert definieren<br />

sie als „Jahrhundert der Vertreibungen”.<br />

Die Haltung der Bundesregierung ist natürlich etwas moderater, umso<br />

mehr als sie große Probleme hatte, die stillschweigende Zustimmung der<br />

polnischen Regierung für die Gründung eines Museums zum Thema „Vertreibung“<br />

in Berlin zu erhalten (2008). Regierungsvertreter versichern offiziell<br />

sogar, dass in der neu gegründeten Institution die Erinnerung an die Vertreibung<br />

in die tatsächliche Abfolge der Ereignisse eingebettet wird: vom Krieg,<br />

den das Dritte Reich entfesselte, bis zum Transfer der deutschen Bevölkerung<br />

von Osten nach Westen. Am wichtigsten ist aus deutscher Sicht, mit seinen<br />

Flüchtlingen und Vertriebenen in die illustre „Opfergemeinschaft” aufgenommen<br />

zu werden, zu der die Armenier, Albaner und Finnen ebenso gehören wie<br />

die Polen. Selbstverständlich wird bei dieser Gelegenheit auch die „Tätergemeinschaft”<br />

vergrößert, die, ginge es nach den Deutschen, automatisch um<br />

die „vertreibenden“ Völker erweitert wird, u.a. also um die Tschechen und<br />

die Polen. Auf diese Weise versucht man zwei außerordentlich weit gefasste<br />

Gemeinschaften zu kreieren, vor allem aber den Eindruck zu erwecken, dass<br />

jedes Volk im Grunde genommen sowohl Täter als auch Opfer ist. Und zwar<br />

jedes Volk, also auch das deutsche, polnische und tschechische. Anstelle eines<br />

eindeutigen Schwarz-Weiß-Bildes, entsteht ein Bild voller Grautöne, das die<br />

besondere deutsche Verantwortung für die zwei europäischen Katastrophen<br />

verwischt. Wird ein solches Bild akzeptiert, wird niemand mehr eine vernünftige<br />

Antwort geben können auf die naive Frage, wer eigentlich Opfer und wer<br />

Täter im Zweiten Weltkrieg gewesen sei.<br />

<strong>IZ</strong> P<strong>olicy</strong> P<strong>apers</strong> • nr 1(II) • www.iz.poznan.pl 43

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