IZ P olicy P apers - instytut zachodni w poznaniu - Poznań
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In Debatten zum Einfluss von totalitären Ideologien, die sich auf das Ethos<br />
einer „geschichtlichen Mission“ berufen, werden an diese andere Fragen<br />
gestellt als an Ideologien des radikalen Nationalismus. Etwa die Frage nach<br />
der „Sozialkonstruktion“ (social engineering), in deren Rahmen sowohl die<br />
praktische Eugenik (in Bezug auf „lebensunwertes Leben“, selbst wenn es<br />
ethnisch „zu uns“ gehört) als auch Holocaust, Völkermord und Vertreibung<br />
verschiedene Formen des Ausschlusses darstellen: von „endgültigen“, d. h.<br />
der physischen Vernichtung, bis hin zu „sanfteren“, d. h. Verdrängung, Aussiedlung<br />
oder Vertreibung.<br />
Diese Sozialkonstruktion schließt „andere“ aus: von ganzen Gemeinschaften<br />
bis hin zu einzelnen, gesellschaftlich unbequemen „Abweichlern“.<br />
In der polnischen intellektuellen Diskussion ist diese Problematik seit dem<br />
Erscheinen der Übersetzung von Zygmunt Baumans Arbeit Modernity and Holocaust<br />
präsent. Baumans Schlussfolgerungen verstören. Zwar sind sie nicht<br />
ganz originell, doch in der polnischen Literatur war der Gedanke bis dahin noch<br />
nicht mit einer solchen erzählerischen Kohärenz und Entschiedenheit vertreten<br />
worden, die nationalsozialistische Revolution ließe sich als „Lehrstunde<br />
der Sozialkonstruktion“ und der Völkermord als „Gartenarbeit“, im Interesse<br />
der Entstehung einer besseren Welt auffassen. Die genannte Entschiedenheit<br />
betrifft die These, zweckrationales Handeln (im Sinne Max Webers) sei eine<br />
Bedingung kultureller Wandlungsprozesse in Westeuropa, einschließlich der<br />
bürokratisierten Mechanismen des Völkermords. Bauman spricht sich für<br />
eine Konzeption aus, nach der es dadurch zum Holocaust gekommen sei, dass<br />
von einer ideologischen Obsession besessene Machthaber auf die ungeheuren<br />
Möglichkeiten des rationalen, systematischen Handelns gestoßen seien,<br />
wie sie die moderne Gesellschaft biete: „Der moderne Genozid verfolgt ein<br />
höheres Ziel. Die Beseitigung des Gegners ist ein Mittel zum Zweck, eine<br />
Notwendigkeit, die sich aus der übergeordneten Zielsetzung ergibt. Dieses<br />
Ziel ist die Vision einer besseren, von Grund auf gewandelten Gesellschaft.<br />
Der moderne Genozid ist ein Element des ‚Social Engineering’.“ 47<br />
Die Frage nach der ethnischen Dimension der „Sozialkonstruktion“ im<br />
Dritten Reich sollte mit einer anderen, vorgängigen verbunden werden: derjenigen<br />
nach dem Charakter der taxonomischen Registrierung und Klassifizierung<br />
von Menschen in einem bestimmten historischen Moment, nach der<br />
Einteilung in „Reichsdeutsche“ und „Volksdeutsche“, in „Bekenntnisdeutsche“<br />
und „Deutschstämmige“, in „Eingedeutschte“ und „Rückgedeutschte“. Und<br />
ebenso in „Polen“ und die besseren „Leistungspolen“. Hier haben wir den Ausgangspunkt<br />
einer umfangreichen Strukturierung der Macht. Denn in diesem<br />
Fall ging es nicht um die Schaffung einer geordneten Sozialtypologie, sondern<br />
um eine Klassifizierung durch Teilung, Selektion und Ausschluss (nicht nur<br />
auf ethnischer, „stammesmäßiger“ Grundlage). Als erster Schritt zur taxonomischen<br />
Registrierung der Bevölkerung der besetzten Provinz Wielkopolska/<br />
47 Z. B a u m a n n, Dialektik der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust, Hamburg 1992, S.<br />
106.<br />
Das Erinnern institutionalisierter Gewalt und die historische Semantik<br />
<strong>IZ</strong> P<strong>olicy</strong> P<strong>apers</strong> • nr 1(II) • www.iz.poznan.pl 65