IZ P olicy P apers - instytut zachodni w poznaniu - Poznań
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die These, dass Hitlers erstes Opfer die Arbeiterklasse gewesen sei, deren<br />
Organisationen zerschlagen und deren Mitglieder und politische Führer<br />
verfolgt wurden. Die Arbeiterbewegung, deren Repräsentant und Sprachrohr<br />
die kommunistische Partei sein sollte, wurde zum Inbegriff des antifaschistischen<br />
Widerstandsgeistes hochstilisiert. Die Kommunisten wurden als Opfer<br />
dargestellt, aber als Opfer, die im Namen einer höheren Sache ihr Leben hingaben<br />
oder Verfolgungen erduldeten (sacrificium). 15 In Westdeutschland war<br />
das heroische Motiv lange Jahre nicht präsent; die Hitlerattentäter vom 20.<br />
Juli 1944 hielt man für Vaterlandsverräter. Im kommunikativen Gedächtnis<br />
sowohl der ostdeutschen als auch der westdeutschen Gesellschaft dominierte<br />
die Vorstellung, ein zweifaches Opfer gewesen zu sein: des Faschismus und<br />
der Alliierten. Die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland wurden<br />
dagegen in der offiziellen Erinnerungskultur sichtbar.<br />
In beiden deutschen Staaten verfolgte man eine Politik der Viktimisierung,<br />
die sich jedoch in der Auswahl der Opfer, der Darstellungsweise, der Interpretation<br />
und des Gedenkens unterschied. In der BRD sprach man nur sehr<br />
selten von den Opfern der amerikanischen und englischen Luftangriffe, um<br />
die westlichen Verbündeten, die über die Zukunft Deutschlands entschieden,<br />
nicht zu verärgern. Interessant ist, worüber Bill Niven schreibt, dass der polnische<br />
Film von Jan Rybkowski „Dziś w nocy umrze miasto” [Die unvergessene<br />
Nacht] (1961) über die Bombardierung Dresdens im Februar 1945 in der<br />
BRD mit einem kurzen Vorspann versehen wurde, in dem es heißt, dass der<br />
Film die Sinnlosigkeit eines Krieges zeige, der von einer Diktatur ausgelöst<br />
wurde – auf subtile Weise wurde so von der unmittelbaren Verantwortung<br />
der Engländer und Amerikaner abgelenkt16 . Anders war es in der DDR, wo<br />
unter dem Einfluss der sich verschlechternden Ost-West-Beziehungen, mit<br />
Anbruch des Kalten Krieges zu Beginn der Fünfzigerjahre, die angelsächsischen<br />
Motive der Bombardierung Dresdens in Zweifel gezogen wurden. Man<br />
unterstellte dem anglo-amerikanischen Imperialismus öffentlich, dass die<br />
Luftangriffe auf Dresden dazu gedient hatten, die bereits festgelegte Aufteilung<br />
in Besatzungszonen in Frage zu stellen, der Sowjetunion zu zeigen, wozu<br />
man militärisch in der Lage war, und jenen Teil Deutschlands zu zerstören,<br />
der später unter sowjetischer Kontrolle gestellt werden sollte. Dresden war<br />
ein wichtiges Argument in der Kampagne gegen die anglo-amerikanischen<br />
„Kriegstreiber”, es wurde benutzt, um die Westmächte zu diskreditieren, die<br />
man mit der Hitlerdiktatur verglich. Die Dresdner Bevölkerung wurde als<br />
unschuldiges Opfer der imperialistischen Barbarei dargestellt. Dieses stark<br />
antiamerikanisch gefärbte Motiv wurde dann im vereinigten Deutschland<br />
erheblich weiterentwickelt17 .<br />
15 P. R e i c h e l, Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Die Auseinandersetzung mit der<br />
NS-Diktatur von 1945 bis heute, München 2001, S.77-79.<br />
16 B. N i v e n, Introduction: German Victimhood at the Turn of the Millennium, in: B. N i v e n<br />
(Hrsg.), Germans as Victims. Remembering the Past in Contemporary Germany, New York<br />
2006, S. 3.<br />
17 B. N i v e n, The GDR and Memory of the Bombing of Dresden, in: B. N i v e n (Hrsg.), ebd.,<br />
S. 109-129.<br />
Die Deutschen als Täter und Opfer<br />
<strong>IZ</strong> P<strong>olicy</strong> P<strong>apers</strong> • nr 1(II) • www.iz.poznan.pl 35