IZ P olicy P apers - instytut zachodni w poznaniu - Poznań
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Die Deutschen als Täter und Opfer<br />
westdeutschen Demokratie willen das Problem der Verantwortung für die<br />
Verbrechen des Dritten Reiches nicht thematisiert werden dürfe. 1960 sagte<br />
der prominente SPD-Politiker Carlo Schmid im Bundestag, dass die Labilität<br />
der westdeutschen Demokratie gerade der unterbliebenen Auseinandersetzung<br />
mit dem Erbe des Dritten Reiches zuzurechnen sei11 . Ein Übriges taten Anfang<br />
der Sechzigerjahre der Eichmann-Prozess, die Auschwitzprozesse und die<br />
öffentliche Diskussion über die Verjährung von Naziverbrechen.<br />
In den Sechzigerjahren fand sich ein Großteil der Gesellschaft damit<br />
ab, dass die Deutschen eindeutig Täter gewesen waren, vor allem bei der<br />
Vernichtung der Juden. Als Zäsur gelten die Reaktionen der westdeutschen<br />
Gesellschaft auf die 1979 ausgestrahlte vierteilige amerikanische Fernsehserie<br />
„Holocaust”, die übrigens zur Popularisierung der Bezeichnung „Holocaust”<br />
(Brandopfer) beigetragen hat. Entgegen dem, was manchmal behauptet wird,<br />
waren die Reaktionen nicht ganz einheitlich – zum Vorschein kamen auch traditionelle<br />
Abwehrmechanismen vor der unbequemen Vergangenheit. Ebenso<br />
wenig war „Holocaust“ die erste Fernsehproduktion über die Vernichtung der<br />
Juden, die in der Bundesrepublik gezeigt wurde. Die Wirkung des Films war<br />
so stark, weil er am Beispiel von Einzelschicksalen die wachsende Judenverfolgung<br />
im Dritten Reich zeigte und einem Massenpublikum in Deutschland<br />
erstmals die Möglichkeit gab, sich mit den jüdischen Opfern zu identifizieren.<br />
Die Fernsehserie führte die Alltäglichkeit der Verfolgung vor Augen, stützte<br />
sich nicht auf große Zahlen und anonyme Mechanismen des verbrecherischen<br />
Systems, sondern hinterfragte die Haltung des deutschen Normalbürgers – und<br />
dies alles im Stile einer Seifenoper, die ein breites Publikum rührte12 . In der<br />
Gesellschaft begann man das Gebot zu verinnerlichen, den Judenmord und<br />
die „zivilisatorische Katastrophe”, die Auschwitz symbolisierte, auf immer im<br />
Gedächtnis zu bewahren und ihrer zu gedenken. In der deutschen Identität<br />
bildete sich eine negative Komponente heraus – eine Erinnerungskultur, die an<br />
den verbrecherischen Nazismus gemahnt. Parallel dazu fand man sich mehr<br />
und mehr mit der Rolle des Täters ab und identifizierte sich zunehmend mit<br />
den jüdischen Opfern.<br />
Natürlich gab es fundamentale Unterschiede zwischen den kulturellen<br />
Gedächtnissen in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen<br />
Demokratischen Republik. In Ostdeutschland gedachte man vor allem des<br />
Krieges, insbesondere des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion, den ersten<br />
kommunistischen Staat und die geistige Heimat der internationalen Arbeiterbewegung.<br />
Die DDR-Propaganda operierte mit Kategorien des Kampfes<br />
zwischen zwei großen ideologischen, gesellschaftlichen und politischen Systemen.<br />
Hitlers Angriff auf die Sowjetunion galt als größtes Verbrechen des<br />
Zweiten Weltkrieges, die Ostfront (nicht zu unrecht) als wichtigster und entscheidender<br />
Kriegsschauplatz, der Sieg der Sowjetarmee als Wendepunkt in der<br />
11 H. D u b i e l, Niemand ist frei von der Geschichte. Die nationalsozialistische Herrschaft in<br />
den Debatten des Deutschen Bundestages, München, Wien 1999, S. 84-85.<br />
12 P. S t e i n b a c h, Nationalsozialistische Gewaltverbrechen. Die Diskussion in der deutschen<br />
Öffentlichkeit nach 1945, Berlin 1981, S. 87.<br />
<strong>IZ</strong> P<strong>olicy</strong> P<strong>apers</strong> • nr 1(II) • www.iz.poznan.pl 31