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Drei Abhandlungen zur Geschichte der alten Philosophie und ihres ...

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Seneca <strong>und</strong> Paulus. 407<br />

als Sünde zu betrachten ist, auf die Idee Gottes. Das Mangel-<br />

hafte, Unvollkommene, Sündhafte des Menschen wird hier nicht<br />

aus dem Gesichtspunkt eines erst entstandenen <strong>und</strong> nach <strong>der</strong><br />

bestimmten Idee einer göttlichen Weltordnung wie<strong>der</strong> aufzu-<br />

hebenden Missverhältnisses aufgefasst, son<strong>der</strong>n es ist nur das<br />

Ideal des stoischen Weisen, das hier als höchster Maasstab<br />

an den Menschen angelegt wird. Der Kampf mit <strong>der</strong> Sünde<br />

besteht daher hier nur in <strong>der</strong> Aufgabe, von allem immer freier<br />

<strong>und</strong> unabhängiger zu werden, was die Selbstständigkeit des<br />

Menschen beeinträchtigen muss, o<strong>der</strong> ihn den Werth des<br />

Lebens in etwas an<strong>der</strong>em finden lässt, als in <strong>der</strong> Tugend.<br />

Wie schon die <strong>alten</strong> Stoiker sich entschliessen mussten, ihren<br />

sitthchen Idealismus, je höher er gespannt war, auch wie<strong>der</strong><br />

zu den Zwecken <strong>und</strong> Bedürfnissen des praktischen Lebens<br />

herabzustimmen, so ist Seneca, so rhetorisch er die Erhaben-<br />

heit <strong>der</strong> Tugend vor Augen zu stellen weiss, in Hinsicht <strong>der</strong><br />

Erreichbarkeit <strong>ihres</strong> Ideals noch nachsichtiger. Warum sollte,<br />

sagt er de vita heata c. 16, die vollendete, die göttliche Tugend<br />

nicht genug sein ? Ja sie ist mehr als genug. Denn was könnte<br />

dem fehlen, <strong>der</strong> über jeden Wunsch hinaus ist? Was braucht<br />

<strong>der</strong> von aussen, <strong>der</strong> all sein Eigenthum in sich gesammelt hat ?<br />

Gleichwohl aber, setzt er hinzu, hat <strong>der</strong>, <strong>der</strong> <strong>zur</strong> Tugend strebt,<br />

wenn er auch schon weit vorgerückt ist, eine gewisse Gunst<br />

des Glücks nöthig, so lange er noch im Kampfe des Menschen-<br />

lebens begriffen ist, bis er diesen Knoten löst <strong>und</strong> jede Fessel<br />

<strong>der</strong> Sterblichkeit. Es ist nur <strong>der</strong> Unterschied, dass die Einen<br />

angeb<strong>und</strong>en, An<strong>der</strong>e gefesselt. An<strong>der</strong>e mit vielen Banden ge-<br />

h<strong>alten</strong> sind. Der, welcher zum Höheren schreitet <strong>und</strong> sich<br />

nach oben erhebt, hat eine lange Kette, frei noch nicht, aber<br />

doch für einen Freien geltend. Ist schon diese Freiheit von<br />

dem menschlich Unvollkommenen eine sehr relative, so gibt<br />

Seneca auch noch mehr zu, wenn man ihn mit <strong>der</strong> Frage<br />

drängt, warum <strong>der</strong> stoische Weise kräftiger rede, als er lebe?<br />

Ich bin, lässt er seinen Weisen sagen, kein Weiser <strong>und</strong> werde<br />

auch keiner sein. Darum ist das meine For<strong>der</strong>ung an euch,<br />

nicht dass ich den Besten gleich sei, son<strong>der</strong>n besser als die

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