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Drei Abhandlungen zur Geschichte der alten Philosophie und ihres ...

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472 iSeneca <strong>und</strong> Paulus.<br />

Schriften so viele christlich lautende Gedanken <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>-<br />

sätze aussprechen konnte. Ist denn alles dasjenige, was in<br />

solchen Stellen mit dem Christenthum übereinstimmt, im<br />

Christenthum selbst so übervernünftig <strong>und</strong> übernatürlich, dass<br />

es aus keiner an<strong>der</strong>n Quelle, als <strong>der</strong> unmittelbarsten gött-<br />

lichen Offenbarung abgeleitet werden könnte? Diess ist frei-<br />

lich die Ansicht aller <strong>der</strong>er, die sich Seneca wegen des Inhalts<br />

so vieler Stellen seiner Schriften nur als Christen <strong>und</strong> Ver-<br />

trauten des Apostels Paulus denken können, auch die genannten<br />

französischen Gelehrten haben keine an<strong>der</strong>e Vorstellung. Hat<br />

aber das Christenthum neben dem Positiven, das den Charakter<br />

<strong>der</strong> Offenbarung an sich trägt, unläugbar auch einen rein ver-<br />

nünftigen, <strong>der</strong> Vernunft von selbst einleuchtenden Inhalt,<br />

welchen das vernünftige Denken auch zuvor schon sich klar<br />

gemacht <strong>und</strong> das gemeinsame Bewusstsein in sich aufgenommen<br />

hat, einen solchen, welcher in jedem Falle nur ausgesprochen<br />

<strong>und</strong> in klarer, populärer, allgemein verständlicher Form dar-<br />

gelegt werden durfte, um allgemein als eine nothwendige,<br />

über jeden Wi<strong>der</strong>spruch erhabene Wahrheit anerkannt zu<br />

werden, wie kann man sich w<strong>und</strong>em, dass auch schon vor<br />

dem Christenthum <strong>und</strong> unabhängig von ihm denkende Geister<br />

so Vieles, was uns das Christenthum, sei es auch besser <strong>und</strong><br />

bestimmter <strong>und</strong> in an<strong>der</strong>em Zusammenhang, in <strong>der</strong> Haupt-<br />

sache aber auf dieselbe Weise lehrt, gedacht <strong>und</strong> gesagt haben?<br />

Diess ist so klar, dass es keines weitern Beweises bedarf<br />

<strong>und</strong> nur von solchen geläugnet werden kann, die sich das<br />

Christenthum nur als das orthodoxe Dogma in seiner schroffsten<br />

kirchlichen Form, als den Gegensatz gegen alles Natürliche <strong>und</strong><br />

Vernünftige, als eine alle heidnischeWeisheit <strong>und</strong> Tugend schlecht-<br />

hin verwerfende <strong>und</strong> verdammende Lehre zu denken gewohnt<br />

sind. Auf an<strong>der</strong>e Wahrheit aber als solche , auf welche auch<br />

schon die natürliche Vernunft des denkenden Menschen kommen<br />

kann, erstreckt sich die Vergleichung zwischen Seneca<br />

<strong>und</strong> dem Christenthum nicht. Wenn wir daher in Seneca<br />

keinen glaubigen Christen, son<strong>der</strong>n nur einen stoischen Philo-<br />

sophen sehen können, so bleibt doch auch so alles, was in

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