Meer & Küste
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Unbekannte Delikatesse<br />
Im Ostseebad Rerik leben nach Angaben der Kurverwaltung noch elf Familien von der<br />
Fischerei im Haupt- oder Nebenerwerb. Bei kaum mehr als 2.200 Einwohnern ist die<br />
„Fischerdichte“ damit sehr hoch. Ein Fischer„dorf“ ist Rerik trotzdem nicht: 1938 erhielt das<br />
einstige Alt-Gaarz das Stadtrecht und seinen neuen Namen.<br />
Wer dabei sein will, wenn die Fischer von See zurückkehren,<br />
muss früh raus. Kreischende Möwen<br />
weisen den Weg zum Anleger am Salzhaff. In den<br />
Fangkisten liegen Dorsche und Schollen, auch mal<br />
Lachse, Seeforellen oder Aale. Etwa sechs Wochen<br />
lang landen einige Fischer zwischen Rerik und der<br />
Insel Poel auch Palaemon adspersus an – Ostseegarnelen.<br />
Aufwuchsgebiet und Fangplatz sind die<br />
geschützten Bereiche und Seegraswiesen im Salzhaff<br />
sowie in der Wismar-Bucht. In der Zeit zwischen<br />
Raps- und Holunderblüte wandern die weiblichen<br />
Garnelen dicht am Ufer entlang zu ihren<br />
Laichgründen ins tiefere Wasser.<br />
Unikum Krabbenring<br />
Nur an wenigen Stellen lohnt es sich, bei Dämmerung<br />
Netze im flachen Wasser bis auf das Land<br />
hinauf zu spannen. Ein Teil der Garnelen gelangt<br />
an dem Wehr entlang in den sogenannten Krabbenkorb.<br />
Vor Sonnenaufgang muss diese kleine<br />
Bügelreuse eingeholt werden. Denn bei Licht können<br />
die Garnelen den Ausgang finden, erklärt Fischer<br />
Karl-Otto Woest. „Wir sind hier am Haff zehn<br />
Fischer, die sich einigen, wer wo anfängt. Und dann<br />
gehen die Stellen reihum. Jede Nacht wird der<br />
Fangplatz gewechselt.“ Seit gut 80 Jahren gibt es<br />
diesen sogenannten Krabbenring. „Das ist nirgendwo<br />
aufgeschrieben. Aber die Alten haben das<br />
immer wieder an die Jungen weitergegeben. Noch<br />
sind genügend Kollegen da und auch genügend<br />
Kunden.“ Die kaufen die Ostseekrabben „grün“,<br />
also roh.<br />
Ostseegarnele<br />
Beim Brühen im Salzwasser färbt sich ihr durchscheinender,<br />
mit bräunlichen oder graugrünen<br />
Flecken und Streifen überzogener Körper krebsrot.<br />
Danach muss von Hand gepult werden. Trotzdem<br />
ist die Delikatesse begehrt. Kein<br />
Vergleich mit Tiefkühl-Shrimps aus<br />
dem Supermarkt, schwärmen die<br />
Kunden. Im vergangenen Jahr warteten<br />
viele allerdings vergebens.<br />
Der Fang reichte oft nicht einmal<br />
für den Eigenbedarf der Fischer und<br />
die Köder am Fang-Besteck für den<br />
Aal; in guten Jahren werden dagegen<br />
mehrere Tonnen angelandet.<br />
Unsicheres Geschäft<br />
Die Fischer in Rerik, Pepelow,<br />
Boiensdorf und auf der Insel Poel<br />
berichten, dass es bei der Krabbenfischerei<br />
schon immer ein Auf und<br />
Ab gab. „Mal sind es keine zehn<br />
Pfund, mal reichen die Fangkisten<br />
kaum aus“, sagt Fischer Woest. Die<br />
Ursachen für die großen Schwankungen<br />
sind bisher kaum erforscht.<br />
Aber Untersuchungen zu den „Roskildereje“<br />
rund um die dänischen<br />
Inseln Lolland und Falster zeigen,<br />
dass kalte Frühsommer zu starken<br />
Verlusten bei den geschlüpften Larven führen. Auf<br />
die Frage, ob sich die Garnelenfischerei lohnt,<br />
antwortet Fischer Woest: „Am Morgen allein auf<br />
dem Salzhaff sein und dann zurückzufahren in die<br />
aufgehende Sonne, das lohnt. Vom Geld her, ist<br />
es manchmal knapp. Ein bisschen verrückt muss<br />
man schon sein, das weiterzumachen.“<br />
Carsten Klehn<br />
Frisch angelandete Krabben<br />
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