Meer & Küste
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Manfred Klinkhardt<br />
Jahrgang 53, arbeitet als<br />
freier Journalist vorwiegend<br />
für das „Fischmagazin“.<br />
Regelmäßig besucht<br />
er Messen, moderiert<br />
Workshops und informiert<br />
aus dem In- und Ausland<br />
über die Entwicklungen der<br />
Branche. Seine Doktorarbeit<br />
beschäftigte sich mit<br />
der Fortpflanzung des<br />
Herings. Das anschließend<br />
veröffentlichte Buch „Der<br />
Hering“ zählt zur Standardlektüre<br />
für Fischereibiologen.<br />
Darüber hinaus ist<br />
Manfred Klinkhard Autor<br />
zahlreicher Fachbücher,<br />
zuletzt veröffentlichte er<br />
das „Aquakultur Jahrbuch<br />
2010/2011“.<br />
36<br />
<strong>Meer</strong> & <strong>Küste</strong><br />
„Fisch ist eine Verbindung zur Welt“<br />
Manfred Klinkhardt, Fischereibiologe und Journalist über den globalen Markt von Fischerei und<br />
Aquakultur und seine Auswirkungen auf Deutschland<br />
Herr Klinkhardt, Sie haben in Rostock Fischereibiologie<br />
studiert, wie stellte sich damals der<br />
Fischereisektor dar?<br />
Zu meiner Studienzeit, 1975 - 1980, waren beide<br />
deutsche Staaten noch stolze Fischereinationen. Auf<br />
den DDR-Werften wurden „Atlantic Supertrawler“ für<br />
Russland gebaut, es gab eine solide Berufsausbildung<br />
zum Hochseefischer und die beiden Hochseefischereistandorte<br />
Rostock und Saßnitz. Fisch ist<br />
seit erdenklichen Zeiten eines der globalsten Produkte<br />
überhaupt. Zur Hansezeit wurden Stockfische<br />
aus Norwegen und Salzheringe europaweit gehandelt.<br />
Für uns ist es heute fast selbstverständlich,<br />
Grünschalenmuscheln aus Neuseeland und Pangasius<br />
aus Vietnam in jedem Geschäft kaufen zu können.<br />
Fisch war aber auch schon damals eine Art<br />
Verbindung zur Welt.<br />
Ist es das, was Sie am Fisch fasziniert?<br />
Nicht nur das, denn die Fischerei ist trotz aller Traditionen<br />
ein ungeheuer dynamischer Bereich; der<br />
Markt ist ständig in Bewegung, da lernt man nie aus.<br />
Die verschiedenen Denkweisen, qualitätsvorstellungen<br />
und Ansichten, die Vielfalt unterschiedlicher<br />
Kulturen, die aufeinander prallen, all das macht den<br />
Reiz des globalen Produktes Fisch aus. Was wir hier<br />
nicht mögen, wird anderenorts am höchsten geschätzt.<br />
Anders als bei uns gilt in Vietnam und Japan<br />
zum Beispiel das Fett beim Fisch als ein qualitätsmerkmal.<br />
Wir können viel voneinander lernen, das<br />
finde ich ungeheuer spannend.<br />
Wie hat sich der Fischkonsum in Deutschland<br />
verändert?<br />
Bei Lichte betrachtet stagniert der Fischkonsum seit<br />
langer Zeit. Um 1930 wurden in Deutschland jährlich<br />
knapp 12 kg Fisch pro Kopf verzehrt, heute sind es<br />
etwa 15,6 kg. Das ist kein allzu großer Sprung. Dafür<br />
isst man heute aber anders. Früher gab es vor allem<br />
hartgesalzene Produkte, die trocken und ernährungs-<br />
physiologisch weniger vorteilhaft waren. Heute achtet<br />
man viel stärker auf qualität, die Veredelung ist höher<br />
und die Verarbeitung schonender. Erfreulicherweise<br />
gibt es auch wieder mehr Frischfisch, selbst wenn sein<br />
Marktanteil nur bei etwa 10% liegt.<br />
Wie entwickelt sich der Fischkonsum in anderen<br />
Regionen der Welt?<br />
Der EU-Durchschnitt liegt bei 22 kg/Kopf/Jahr, der<br />
Weltdurchschnitt bei 18,5 kg/Kopf/Jahr. Speziell in<br />
Asien, vor allem in China, ist ein starker Zuwachs<br />
beim Fischkonsum zu verzeichnen. Zum Glück wächst<br />
er nicht so stark wie ursprünglich angenommen, denn<br />
das hätte vermutlich das globale Marktgefüge durcheinander<br />
gebracht. Derzeit verspeist ein Chinese<br />
etwa 25kg im Jahr, die Prognosen gingen von 30 kg<br />
aus. Eine ähnliche Entwicklung sehen wir in Osteuropa.<br />
Durch die politische Öffnung, die steigende<br />
Kaufkraft und konvertierte Währungen hat sich das<br />
Fischangebot verbessert, der Fischkonsum steigt.<br />
Das bestätigt die bekannte Theorie, dass die Menschen<br />
mit steigendem Lebensstandard schnell von<br />
einer kohlenhydratreichen zur proteinreichen Ernährung<br />
wechseln.<br />
Hat das Auswirkungen auf Deutschland?<br />
Und ob! Deutschland ist eine Importnation, über 85%<br />
der hierzulande verzehrten Fische werden eingeführt.<br />
Wenn die Rohware teurer wird, schmerzt das die<br />
Fischindustrie und die Verbraucher stark. Der Heringspreis<br />
hat sich z.B. in den letzten Jahren nahezu<br />
verdoppelt. Wir haben uns daran gewöhnt, dass eine<br />
Dose Tomatenhering knapp über 1 € kostet. Wenn<br />
plötzlich 1,50 € auf der Dose steht, zucken viele<br />
zurück. In Osteuropa und anderen Ländern ist man<br />
jedoch bereit, solche Preise zu zahlen. Der Fischpreis<br />
steigt also nicht nur, weil weniger Fisch, etwa wegen<br />
der Überfischung einzelner Bestände, zur Verfügung<br />
steht, sondern vor allem, weil die Nachfrage weltweit<br />
sehr stark steigt und das Angebot begrenzt ist.