Kreishandwerksmeister: Günther Kremer löst Alfred Marx ab
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
16<br />
Fachbeiträge – Recht<br />
Ausnahmen von der Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall<br />
Bekanntlich hat ein Arbeitnehmer gemäß § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz Anspruch auf Entgeltfortzahlung<br />
bei Arbeitsunfähigkeit in Folge von Krankheit für die Dauer von sechs Wochen. Dieser Anspruch<br />
entsteht nach vierwöchiger, ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses. Aber auch hier gilt: Keine<br />
Regel ohne Ausnahme!<br />
Entscheidend für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung ist, dass den Arbeitnehmer kein Verschulden an der<br />
Arbeitsunfähigkeit trifft (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz). Eine selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit<br />
liegt bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit (nicht bei leichter Fahrlässigkeit) vor. Nach dem Bundesarbeitsgericht<br />
liegt ein Verschulden im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes dann vor, wenn der Arbeitnehmer<br />
gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt,<br />
also schuldhaft gegen sich selbst handelt (Urteil vom 30.03.1988, Az.: 5 AZR 42/78). Ganz konkret hat die<br />
Rechtsprechung unter anderem bei folgenden Fällen ein Verschulden bejaht, so dass der Arbeitgeber die<br />
Entgeltfortzahlung verweigern durfte:<br />
Alkoholmissbrauch<br />
Bei einem durch Alkohol bedingten Unfall liegt ein<br />
Verschulden regelmäßig vor, weil dem Mitarbeiter<br />
vorzuhalten ist, „nicht rechtzeitig mit dem Trinken<br />
aufgehört zu h<strong>ab</strong>en, sondern durch weiteren Alkoholkonsum<br />
sich in einen Zustand versetzt zu h<strong>ab</strong>en,<br />
in dem ein kontrolliertes und sicheres Verhalten nicht<br />
mehr gewährleistet ist. (…) So weiß auch jeder Arbeitnehmer,<br />
dass übermäßiger Alkoholgenuss die<br />
Fähigkeit, richtig zu reagieren, stark her<strong>ab</strong>setzt und<br />
dass dadurch die Gefahr von Unfällen erheblich vergrößert<br />
wird.“ (BAG, 11.03.1987, Az.: 5 AZR 739/85).<br />
Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer wegen<br />
Alkoholeinwirkung als Beifahrer eines ebenfalls angetrunkenen<br />
Fahrers in dessen Auto steigt und wegen<br />
eines nachfolgenden Verkehrsunfalls arbeitsunfähig<br />
wird (LAG Frankfurt am Main, 24.04.1989, Az.:<br />
1 SO 1544/88).<br />
Ein Verschulden wird von der Rechtsprechung ebenfalls<br />
dann angenommen, wenn ein Arbeitnehmer<br />
aufgrund übermäßigen Alkoholgenusses eine Treppe<br />
hinunterfällt oder in einer Kneipe stürzt und sich<br />
verletzt (Arbeitsgericht Berlin, 20.05.1980, Az.: 12<br />
Co 124/80 und BAG, 11.03.1987, Az.: 5 AZR 497/86).<br />
Sofern der Arbeitnehmer jedoch alkoholsüchtig ist,<br />
kann in den zuvor genannten Fällen und allgemein<br />
die Entgeltfortzahlung nicht automatisch verweigert<br />
werden. Allerdings kann die Entgeltfortzahlung auch<br />
bei einem alkoholsüchtigen Arbeitnehmer dann verweigert<br />
werden, wenn er bereits einmal erfolgreich<br />
behandelt und wieder rückfällig wurde (siehe oben).<br />
Arbeitsunfähigkeit in Folge einer Nebentätigkeit<br />
Eine Arbeitsunfähigkeit, die im Rahmen einer Nebentätigkeit<br />
verursacht wurde, stellt grundsätzlich kein<br />
Eigenverschulden dar, auch wenn diese vom eigentlichen<br />
Arbeitgeber nicht genehmigt war. Ausnahmsweise<br />
wird ein Verschulden dann angenommen,<br />
wenn die Tätigkeit für den Arbeitnehmer zu schwer<br />
oder zu gefährlich war (LAG Hamm, 08.02.2006, Az.:<br />
18 Sa 1083/05).<br />
Schlägerei<br />
Die Entgeltfortzahlung kann dann mit dem Argument<br />
der selbstverschuldeten Arbeitsunfähigkeit<br />
verweigert werden, wenn der Arbeitnehmer die<br />
Schlägerei selbst begonnen oder provoziert hat.<br />
Dies muss jedoch nachgewiesen sein und letztendlich<br />
sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend.<br />
Die Teilnahme an einer Schlägerei an sich<br />
führt nicht dazu, dass man automatisch von einer<br />
selbstverschuldeten Arbeitsunfähigkeit ausgehen<br />
kann (BAG, 13.11.1974, Az.: 5 AZR 54/74; LAG Hamm<br />
24.09.2003, Az.: 18 Sa 785/03; LAG Köln, 14.02.2006,<br />
Az.: 9 Sa 1303/05).<br />
Unfälle durch Sport<br />
Sportunfälle sind vielfach die Ursache für eine Arbeitsunfähigkeit.<br />
Ein Selbstverschulden ist jedoch<br />
nur dann anzunehmen, wenn es sich um eine besonders<br />
gefährliche Sportart handelt oder die Sportart<br />
die Fähigkeit und Kräfte der jeweiligen Person deutlich<br />
übersteigt oder der Arbeitnehmer in besonders<br />
grober Weise gegen die anerkannten Regeln der jeweiligen<br />
Sportart verstößt (BAG, 07.10.1981, Az.: 5<br />
AZR 338/79; LAG Rheinland Pfalz, 29.10.1998, Az.:<br />
5 Sa 823/98; LAG Saarland, 02.07.2003, Az.: 2 Sa<br />
147/02).<br />
Schwierig ist hierbei regelmäßig die Abgrenzung<br />
zwischen einer besonders gefährlichen und einer<br />
unproblematischen Sportart. Zu den besonders<br />
gefährlichen Sportarten zählen unter anderem<br />
Bungee-Springen und Kick-Boxen (Arbeitsgericht<br />
Hagen, 15.09.1989, Az.: 4 Ca 648/87). Dagegen gehört<br />
Inline-Skaten nicht zu den besonders gefährlichen<br />
Sportarten. Generell lässt sich sagen, dass die<br />
Entgeltfortzahlung dann verweigert werden kann,<br />
wenn der Arbeitnehmer leichtsinnig eine Sportart<br />
ausübt, ohne richtig ausgerüstet zu sein oder mit<br />
der er eindeutig überfordert ist (BAG, 01.12.1976,<br />
Az.: 5 AZR 601/75). Gleiches gilt auch dann, wenn<br />
die Person gegen die Regeln der jeweiligen Sportart<br />
verstößt (BAG, 07.10.1981, Az.: 5 AZR 338/79).<br />
Kreishandwerkerschaft Borken Mitgliederzeitschrift Ausg<strong>ab</strong>e 3 | Jahrgang 2 | Juli 2013