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Kreishandwerksmeister: Günther Kremer löst Alfred Marx ab

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Fachbeiträge – Recht<br />

Ausnahmen von der Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall<br />

Bekanntlich hat ein Arbeitnehmer gemäß § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz Anspruch auf Entgeltfortzahlung<br />

bei Arbeitsunfähigkeit in Folge von Krankheit für die Dauer von sechs Wochen. Dieser Anspruch<br />

entsteht nach vierwöchiger, ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses. Aber auch hier gilt: Keine<br />

Regel ohne Ausnahme!<br />

Entscheidend für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung ist, dass den Arbeitnehmer kein Verschulden an der<br />

Arbeitsunfähigkeit trifft (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz). Eine selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit<br />

liegt bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit (nicht bei leichter Fahrlässigkeit) vor. Nach dem Bundesarbeitsgericht<br />

liegt ein Verschulden im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes dann vor, wenn der Arbeitnehmer<br />

gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt,<br />

also schuldhaft gegen sich selbst handelt (Urteil vom 30.03.1988, Az.: 5 AZR 42/78). Ganz konkret hat die<br />

Rechtsprechung unter anderem bei folgenden Fällen ein Verschulden bejaht, so dass der Arbeitgeber die<br />

Entgeltfortzahlung verweigern durfte:<br />

Alkoholmissbrauch<br />

Bei einem durch Alkohol bedingten Unfall liegt ein<br />

Verschulden regelmäßig vor, weil dem Mitarbeiter<br />

vorzuhalten ist, „nicht rechtzeitig mit dem Trinken<br />

aufgehört zu h<strong>ab</strong>en, sondern durch weiteren Alkoholkonsum<br />

sich in einen Zustand versetzt zu h<strong>ab</strong>en,<br />

in dem ein kontrolliertes und sicheres Verhalten nicht<br />

mehr gewährleistet ist. (…) So weiß auch jeder Arbeitnehmer,<br />

dass übermäßiger Alkoholgenuss die<br />

Fähigkeit, richtig zu reagieren, stark her<strong>ab</strong>setzt und<br />

dass dadurch die Gefahr von Unfällen erheblich vergrößert<br />

wird.“ (BAG, 11.03.1987, Az.: 5 AZR 739/85).<br />

Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer wegen<br />

Alkoholeinwirkung als Beifahrer eines ebenfalls angetrunkenen<br />

Fahrers in dessen Auto steigt und wegen<br />

eines nachfolgenden Verkehrsunfalls arbeitsunfähig<br />

wird (LAG Frankfurt am Main, 24.04.1989, Az.:<br />

1 SO 1544/88).<br />

Ein Verschulden wird von der Rechtsprechung ebenfalls<br />

dann angenommen, wenn ein Arbeitnehmer<br />

aufgrund übermäßigen Alkoholgenusses eine Treppe<br />

hinunterfällt oder in einer Kneipe stürzt und sich<br />

verletzt (Arbeitsgericht Berlin, 20.05.1980, Az.: 12<br />

Co 124/80 und BAG, 11.03.1987, Az.: 5 AZR 497/86).<br />

Sofern der Arbeitnehmer jedoch alkoholsüchtig ist,<br />

kann in den zuvor genannten Fällen und allgemein<br />

die Entgeltfortzahlung nicht automatisch verweigert<br />

werden. Allerdings kann die Entgeltfortzahlung auch<br />

bei einem alkoholsüchtigen Arbeitnehmer dann verweigert<br />

werden, wenn er bereits einmal erfolgreich<br />

behandelt und wieder rückfällig wurde (siehe oben).<br />

Arbeitsunfähigkeit in Folge einer Nebentätigkeit<br />

Eine Arbeitsunfähigkeit, die im Rahmen einer Nebentätigkeit<br />

verursacht wurde, stellt grundsätzlich kein<br />

Eigenverschulden dar, auch wenn diese vom eigentlichen<br />

Arbeitgeber nicht genehmigt war. Ausnahmsweise<br />

wird ein Verschulden dann angenommen,<br />

wenn die Tätigkeit für den Arbeitnehmer zu schwer<br />

oder zu gefährlich war (LAG Hamm, 08.02.2006, Az.:<br />

18 Sa 1083/05).<br />

Schlägerei<br />

Die Entgeltfortzahlung kann dann mit dem Argument<br />

der selbstverschuldeten Arbeitsunfähigkeit<br />

verweigert werden, wenn der Arbeitnehmer die<br />

Schlägerei selbst begonnen oder provoziert hat.<br />

Dies muss jedoch nachgewiesen sein und letztendlich<br />

sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend.<br />

Die Teilnahme an einer Schlägerei an sich<br />

führt nicht dazu, dass man automatisch von einer<br />

selbstverschuldeten Arbeitsunfähigkeit ausgehen<br />

kann (BAG, 13.11.1974, Az.: 5 AZR 54/74; LAG Hamm<br />

24.09.2003, Az.: 18 Sa 785/03; LAG Köln, 14.02.2006,<br />

Az.: 9 Sa 1303/05).<br />

Unfälle durch Sport<br />

Sportunfälle sind vielfach die Ursache für eine Arbeitsunfähigkeit.<br />

Ein Selbstverschulden ist jedoch<br />

nur dann anzunehmen, wenn es sich um eine besonders<br />

gefährliche Sportart handelt oder die Sportart<br />

die Fähigkeit und Kräfte der jeweiligen Person deutlich<br />

übersteigt oder der Arbeitnehmer in besonders<br />

grober Weise gegen die anerkannten Regeln der jeweiligen<br />

Sportart verstößt (BAG, 07.10.1981, Az.: 5<br />

AZR 338/79; LAG Rheinland Pfalz, 29.10.1998, Az.:<br />

5 Sa 823/98; LAG Saarland, 02.07.2003, Az.: 2 Sa<br />

147/02).<br />

Schwierig ist hierbei regelmäßig die Abgrenzung<br />

zwischen einer besonders gefährlichen und einer<br />

unproblematischen Sportart. Zu den besonders<br />

gefährlichen Sportarten zählen unter anderem<br />

Bungee-Springen und Kick-Boxen (Arbeitsgericht<br />

Hagen, 15.09.1989, Az.: 4 Ca 648/87). Dagegen gehört<br />

Inline-Skaten nicht zu den besonders gefährlichen<br />

Sportarten. Generell lässt sich sagen, dass die<br />

Entgeltfortzahlung dann verweigert werden kann,<br />

wenn der Arbeitnehmer leichtsinnig eine Sportart<br />

ausübt, ohne richtig ausgerüstet zu sein oder mit<br />

der er eindeutig überfordert ist (BAG, 01.12.1976,<br />

Az.: 5 AZR 601/75). Gleiches gilt auch dann, wenn<br />

die Person gegen die Regeln der jeweiligen Sportart<br />

verstößt (BAG, 07.10.1981, Az.: 5 AZR 338/79).<br />

Kreishandwerkerschaft Borken Mitgliederzeitschrift Ausg<strong>ab</strong>e 3 | Jahrgang 2 | Juli 2013

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