Kernfragen des Glaubens - Evangelische Akademikerschaft in ...
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<strong>des</strong> Gebets am wenigsten ich-bezogen oder fordernd.<br />
Das Gebet wird zur Klage über verme<strong>in</strong>tlich oder<br />
tatsächlich als unzumutbar erfahrenes Leid <strong>in</strong> der<br />
Zuversicht, dass auch im Leiden die Verb<strong>in</strong>dung<br />
zur größeren Wirklichkeit, zu Gott nicht abreißen<br />
muss (wie es vor allem auch Jesus selbst gezeigt<br />
hat).<br />
Anbetung ist Wahrnehmung und Anerkennung der<br />
Größe und Macht Gottes, aber auch se<strong>in</strong>er Schöpfung<br />
und se<strong>in</strong>er Liebe. Dank für eigenes Wohlergehen<br />
und Schicksal, Bitte, eigene Wünsche und<br />
Fürbitte treten dabei <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund.<br />
Das Gebet hat Rückwirkungen auf die Betenden.<br />
So zeigt sich an den Gebeten e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft,<br />
worauf es ihr ankommt, was ihr wichtig ist. Das<br />
verpflichtet.<br />
Zum Beispiel wird beim Tischgebet bewusst, erkannt<br />
und anerkannt, dass Essen und Lebensbed<strong>in</strong>gungen<br />
von weiter her kommen und durch e<strong>in</strong>en<br />
größeren Zusammenhang bed<strong>in</strong>gt s<strong>in</strong>d (vielleicht<br />
fällt dann auch manche Kritik am Essen oder am<br />
Personal anders aus).<br />
Außerdem wird angedeutet, dass Essen, Aufnehmen<br />
und Annehmen auch e<strong>in</strong>en Zweck haben:<br />
Kraft zu bekommen für die eigenen Aufgaben und<br />
dazu auch e<strong>in</strong>en Beitrag zur Erschließung der größeren<br />
Wirklichkeit zu leisten und diese damit selbst<br />
zu f<strong>in</strong>den: „Segne, Vater, diese Speise, uns zur<br />
Kraft und dir zum Preise". Das heißt übersetzt: Wie<br />
ist eigentlich das zu bewerten, was wir aus den uns<br />
zur Verfügung stehenden Lebensmitteln machen?<br />
Natürlich haben wir dafür gearbeitet — aber Dankbarkeit<br />
und Offenheit für den größeren Zusammenhang<br />
lässt noch MEHR erkennen. Das Essen wird<br />
durch das Gebet zum Modell; die hier angefangene<br />
Offenheit kann auf viele andere Stellen übertragen<br />
werden, z. B. wenn man sich nach dem Essen wieder<br />
<strong>in</strong> das Auto setzt, e<strong>in</strong>e Masch<strong>in</strong>e bedient oder<br />
e<strong>in</strong>kaufen geht - auch da kommt MEHR auf uns zu<br />
als uns im Alltagsbetrieb bewusst wird (aber doch<br />
dann, wenn es dafür Anregung und Er<strong>in</strong>nerung<br />
gibt).<br />
Bei Feiern und Festen repräsentiert das Gebet die<br />
Offenheit für den größeren Zusammenhang. Man<br />
muss dafür nicht unbed<strong>in</strong>gt die gewohnte Form <strong>des</strong><br />
Gebetes, also die ausdrückliche Anrede Gottes,<br />
wählen. Wer bei der Vorbereitung der üblichen Ansprachen<br />
daran denkt, welche Aussagen In Gebeten<br />
vorkommen und wie sie auch hier entsprechend<br />
berücksichtigt werden können, der bietet<br />
den Zuhörern möglicherweise mit H<strong>in</strong>weisen auf<br />
H<strong>in</strong>tergrund und Zusammenhang <strong>des</strong> Anlasses<br />
Anregung zu tieferer Erkenntnis und Empf<strong>in</strong>dung.<br />
Formen <strong>des</strong> Gebetes:<br />
Wie die Inhalte so s<strong>in</strong>d auch die Formen <strong>des</strong> Gebetes<br />
vielfältig. Um nur e<strong>in</strong>ige zu nennen:<br />
Es gibt das Freie Gebet, alle<strong>in</strong> oder mit anderen,<br />
nach Vorlagen (aus der Literatur, der Bibel, <strong>in</strong> der<br />
Liturgie), im Lied, <strong>in</strong> Kunstwerken, <strong>in</strong> Gesten und<br />
Demonstrationen.<br />
In der Liturgie <strong>des</strong> Gottesdienstes hat das Gebet<br />
e<strong>in</strong>en festen Platz. Das wird bei positiver Wertschätzung<br />
von Gebet und Gottesdienst etwa so<br />
gesehen:<br />
„Zu Beg<strong>in</strong>n <strong>des</strong> Gottesdienstes im E<strong>in</strong>gangsgebet<br />
spiegelt sich die Kirchenjahreszeit und ich werde<br />
persönlich aus me<strong>in</strong>em Alltag zu Gott geholt.<br />
Der anschließend gebetete Psalm beheimatet mich<br />
<strong>in</strong> der biblischen Gebetstradition mit den festgefügten<br />
Worten und Bildern.<br />
Das Fürbittengebet, nach der Predigt, verb<strong>in</strong>det<br />
mich mit me<strong>in</strong>en Nächsten und der ganzen Welt,<br />
ich bete mit anderen für Andere.“<br />
Funktionen <strong>des</strong> Gebets:<br />
Hier ist zu unterscheiden zwischen möglichen Wirkungen<br />
von Gebeten auf den Adressaten, auf die<br />
Beter selbst oder auf deren Umgebung.<br />
In der Religions- und Kirchengeschichte wurden<br />
zwar häufig Ereignissen im politischen, gesellschaftlichen<br />
und <strong>in</strong>dividuellen Bereich auf die Bitten<br />
an Gott zurückgeführt. Die Erwartung konkreter<br />
Hilfe Gottes durch E<strong>in</strong>wirken auf den Geschehensablauf<br />
als Reaktion auf Gebete ist aber nicht das<br />
Hauptkennzeichen und Motiv <strong>des</strong> christlichen Gebetes.<br />
Sie wird zudem auch durch die zunehmenden<br />
naturwissenschaftlichen Erkenntnisse verdrängt.<br />
Dagegen lassen sich aber sehr wohl Wirkungen<br />
<strong>des</strong> Gebets auf die Betenden selbst und deren<br />
Umgebung nennen:<br />
Entlastung<br />
Das Gebet hilft im Alltag. Es entlastet und ist Lebensbewältigung.<br />
Das Gebet kann dazu dienen,<br />
schwer überschaubare Situationen, Hoffnungen<br />
und Befürchtungen auszusprechen. Es wirkt dann<br />
entlastend. E<strong>in</strong> lautes oder stilles Vortragen verworrener<br />
oder schwieriger Gedanken ermöglicht<br />
Distanz zu sich selbst und verh<strong>in</strong>dert nutzloses<br />
Grübeln. Ordnung der Gedanken wird geschaffen.<br />
Im Gebet kommt es zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>neren Klärungsprozess,<br />
<strong>in</strong>dem neue Handlungsalternativen gesehen<br />
werden können. Es eröffnet e<strong>in</strong>e neue Welt.<br />
Im Gebet kann ich auch das eigene Ich zurücktreten<br />
lassen. Ich kann mir deutlich machen, dass fast<br />
alles, was geschieht, nicht von mir selbst gemacht<br />
wird.<br />
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