Kernfragen des Glaubens - Evangelische Akademikerschaft in ...
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Für die wissenschaftliche Arbeit ist das E<strong>in</strong>geständnis<br />
von Fehlern und das "Umdenken" hochbewertete<br />
Voraussetzung, <strong>in</strong> der Praxis <strong>des</strong> Alltags (und bei<br />
kirchlichen Ause<strong>in</strong>andersetzungen!) ist es allerd<strong>in</strong>gs<br />
immer noch selten. Deshalb ist es Aufgabe der Kirche,<br />
den Funktionswert <strong>des</strong> Zugebens von Schuld<br />
allgeme<strong>in</strong> und im E<strong>in</strong>zelfall aufzuzeigen, nicht zuletzt<br />
auch durch das eigene Beispiel. Das Zugeben von<br />
Schuld kann e<strong>in</strong>e Aggressionshemmung beim Gegner,<br />
Freund und „Bruder" bewirken. Das br<strong>in</strong>gt meist<br />
auch e<strong>in</strong>e Versachlichung <strong>des</strong> Problems, welches<br />
durch das Zugeben der eigenen Schuld besser <strong>in</strong><br />
den Blick kommt. Bei anderen kann sich auch e<strong>in</strong><br />
Interesse für die Grundhaltung entwickeln, aus der<br />
heraus Schuld zugegeben wird (und werden kann!).<br />
Wer das Zugeben von Schuld geübt hat und das<br />
<strong>des</strong>halb auch bei anderen nicht als Blöße ausnutzt,<br />
wird nicht aggressiv oder angstvoll, sondern mit Interesse<br />
und offen reagieren, wenn er auf eigene<br />
Schuld angesprochen wird. Er oder sie wird gar nicht<br />
mit sich selbst alle<strong>in</strong> abmachen wollen, was eigene<br />
Schuld ist und wie sie verarbeitet oder getilgt<br />
werden kann, weil durch die Offenheit <strong>des</strong> <strong>Glaubens</strong><br />
größere Zusammenhänge erkennbar werden.<br />
Schwere Schuld ist allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> harter Prüfste<strong>in</strong> für<br />
die Solidarität, Geme<strong>in</strong>schaft und Kommunikation<br />
mit anderen, auch wenn Vergebung ausgesprochen<br />
wird. So wird z.B. der Verlust e<strong>in</strong>es Menschen durch<br />
Mord u.U. durch nichts zu ersetzen oder zu kompensieren<br />
se<strong>in</strong>.<br />
Die Frage nach der ethischen Disposition <strong>des</strong> Menschen<br />
für gutes und böses Handeln wird aber zunehmend<br />
ohne Bezug auf die „theologische Dimension<br />
Gott“ gestellt. Dies steht im Zusammenhang mit<br />
dem Vorwurf, gerade das Christentum habe e<strong>in</strong>e<br />
Schuldkultur entwickelt, die nicht zuletzt der Kirche<br />
durch Erzeugung von übermäßigem Schuldbewusstse<strong>in</strong><br />
zu e<strong>in</strong>er ihr nicht zukommenden Macht<br />
über die Menschen verholfen habe.<br />
Vergebung ist nicht abhängig von Gegenleistung<br />
Es ist e<strong>in</strong>e wesentliche Besonderheit der christlichen<br />
Vergebung, dass der Glaube an diese Möglichkeit<br />
und die Wahl <strong>des</strong> entsprechenden eigenen Verhaltens<br />
nicht von der Bereitschaft der Konfliktpartner,<br />
e<strong>in</strong> Gleiches zu tun, abhängig gemacht wird. Vielmehr<br />
rechnet der Christ damit, dass e<strong>in</strong>e erhebliche<br />
Vorgabe eigenen E<strong>in</strong>satzes <strong>in</strong> dieser Richtung notwendig<br />
ist, um bei der meist tiefgehenden normativen<br />
Fixierung menschlichen Handelns auch bei anderen<br />
e<strong>in</strong>e Veränderung <strong>des</strong> Verhaltens zu ermöglichen.<br />
Dieses Verhalten entspricht der Zusage, dass<br />
die Vergebung Gottes ohne Bed<strong>in</strong>gungen oder Gegenleistung<br />
gewährt wird.<br />
Auf dem Weg zu e<strong>in</strong>er neuen Schuldkultur<br />
48<br />
Schuld zugeben – wer tut das schon gerne, wenn<br />
Nachteile damit verbunden s<strong>in</strong>d?<br />
Schuldigwerden und Sündhaftigkeit gegenüber Gott<br />
war früher e<strong>in</strong> Hauptthema <strong>des</strong> <strong>Glaubens</strong>. Heute<br />
wird es fast immer auf Mitmenschen, auf andere, auf<br />
den Nächsten, auf die Gesellschaft bezogen, neuerd<strong>in</strong>gs<br />
aber auch auf die Natur, auf unsere Erde.<br />
Viele stellen sich aus der Sicht ihres <strong>Glaubens</strong> u.a.<br />
folgenden Fragen:<br />
Wie gehen wir verantwortungsvoll mit unserem<br />
täglichen Schuldigwerden um?<br />
Welchen Wert hat und was bewirkt Vergebung?<br />
Wie br<strong>in</strong>gen wir die Bereitschaft auf, erlebte<br />
Schuld anderer zu verzeihen?<br />
Kann der persönliche Glaube dabei helfen?<br />
Kann man Vergebung anderer mit dem H<strong>in</strong>weis<br />
auf deren hohe Bewertung im christlichen Glauben<br />
erbitten?<br />
Welche Bedeutung hat Jesus für Christen bei<br />
dieser Frage ?<br />
Der Begriff „Sünde“ br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en größeren Zusammenhang<br />
<strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong> als der Begriff „Schuld“.<br />
Mit Schuld bezeichnet man <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong> konkretes<br />
Fehlverhalten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Situation, mit<br />
Sünde e<strong>in</strong>en Zustand der Gottferne, der Isolation<br />
vom größeren Zusammenhang.<br />
Der christliche Glaube trägt durch die Beziehung der<br />
Schuld auf Gott dazu bei, e<strong>in</strong>en größeren Zusammenhang<br />
<strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong> zu br<strong>in</strong>gen. Wenn Gott<br />
als der Richter bezeichnet und geglaubt wird, so<br />
muss damit gerechnet werden, dass e<strong>in</strong> Schuldiger<br />
ganz anders beurteilt werden kann, als ich das tue<br />
oder e<strong>in</strong> Gericht. Wenn zum Beispiel durch falsches<br />
Überholen auf der Autobahn e<strong>in</strong> schwerer Unfall<br />
passiert und die Autobahn für Stunden blockiert ist,<br />
so wird der/die Schuldige strafrechtlich und zivilrechtlich<br />
zur Verantwortung gezogen. Der Verlust<br />
der fast tausend Wartenden an Zeit, verabredeten<br />
Begegnungen, Geschäften oder Erfahrungen wird<br />
dadurch nicht erfasst und meist nicht e<strong>in</strong>mal bedacht.<br />
Schuldig auch ohne Sünde<br />
Auch wenn heute bei Fehlverhalten häufig nicht<br />
mehr an Sünde gegenüber Gott gedacht wird, spielen<br />
<strong>in</strong> den meisten modernen Gesellschaften<br />
Schuldzuweisungen doch e<strong>in</strong>e große Rolle. Vor allem<br />
die Medien s<strong>in</strong>d die Rechercheure und Ankläger,<br />
die Stammtische und Talkshows s<strong>in</strong>d die gnadenlosen<br />
Richter. Schuldbekenntnisse und Rücktritt<br />
lassen das Strafmass erkennen. Meist gibt es ke<strong>in</strong>e<br />
mildernden Umstände. Viele <strong>in</strong> Ungnade Gefallene<br />
s<strong>in</strong>d aber nach kurzer Zeit wieder da und obenauf.<br />
Man hat ja se<strong>in</strong>en Spaß daran. Wem s<strong>in</strong>d schon<br />
größere Zusammenhänge zugänglich? Christen<br />
werden jedenfalls danach fragen und daran denken