Kernfragen des Glaubens - Evangelische Akademikerschaft in ...
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Dank kann z.B. auch mal gedacht werden, wenn<br />
das Korrekturprogramm im Computer so super<br />
f<strong>in</strong>dig und fähig ist; da muss schon viel und von<br />
weiter her zusammenkommen an Geist und Liebe<br />
zur Sache. Das kann man mit Du und Gott (Vater,<br />
Herr) ansprechen oder nicht – oder e<strong>in</strong>fach wie <strong>in</strong><br />
Facebook die geistige Taste „Gefällt mir“ antippen<br />
und sich etwas MEHR dabei zu denken als sonst –<br />
es gibt viele ungewohnte und neue Formen und<br />
Möglichkeiten für den Gottesglauben: Offenwerden<br />
für größere Wirklichkeit und das Ganze – für das<br />
„Wunder“ <strong>des</strong> Lebens und der Welt, im Kle<strong>in</strong>en,<br />
Nächstliegenden, und im weiten Raum.“<br />
„Das Bekenntnis zum E<strong>in</strong>en Gott <strong>in</strong> „drei Personen“<br />
übersteigt zudem e<strong>in</strong>en allzu gegenständlichen<br />
Personbegriff.“ Im Unterschied zu Stadelmann, der<br />
das Bild von e<strong>in</strong>em dreie<strong>in</strong>igen Gott als mythologisch<br />
und mit dem evolutionären Weltbild nicht vere<strong>in</strong>bar<br />
aufgeben will, sehen wir dar<strong>in</strong> brauchbare<br />
Variationsmöglichkeiten für die Kommunikation mit<br />
dieser vielfältigen höheren Wirklichkeit.<br />
7. Gott <strong>in</strong> der Mystik erfahren?<br />
Mystische <strong>Glaubens</strong>formen f<strong>in</strong>den zunehmen<strong>des</strong><br />
Interesse. Bieten sie andere, tiefergehende Erfahrungen<br />
an als die traditionelle kirchliche Frömmigkeit?<br />
Lässt sich durch besondere Arten von Meditation<br />
e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>swerden mit Gott erreichen? Wie verändert<br />
sich das Gottesbild durch mystische <strong>Glaubens</strong>praxis?<br />
Gel<strong>in</strong>gt es, „das Unsagbare zu sagen“?<br />
Mystik vertritt das Ine<strong>in</strong>ander von persönlichen und<br />
überpersönlichen Zügen Gottes. Gott kommt nahe:<br />
Im Alltäglichen gibt es e<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> der Gegenwart<br />
Gottes. Er ist ebenso radikal immanent wie transzendent.<br />
Gott „<strong>in</strong> uns“ und „über uns“ gehören zue<strong>in</strong>ander.<br />
Aber auch kritische Fragen s<strong>in</strong>d zu stellen: Ist die<br />
Überschreitung e<strong>in</strong>es personalen Gottesbilds möglich,<br />
ohne Christus als „Angesicht“ <strong>des</strong> unsichtbaren<br />
Gottes aufzugeben?<br />
Zahlreiche Methoden der Kontemplation bieten<br />
auch den Interessierten Zugang zu mystischer Erfahrung,<br />
die sich nicht gerade besonders begabt<br />
dafür fühlen.<br />
Die neue Fasz<strong>in</strong>ation<br />
Themen der Mystik s<strong>in</strong>d populär geworden. Fast<br />
sieht es nach e<strong>in</strong>er vor kurzem kaum vorstellbaren<br />
Mystik-Mode aus. Wohl hatte der katholische Theologe<br />
Karl Rahner (1904-1984) schon vor 1970 vermutet:<br />
„Der Fromme von morgen wird ‚e<strong>in</strong> Mystiker’<br />
se<strong>in</strong>.“ (Gesammelte Schriften 7,22) Aber das klang<br />
damals, nicht nur für protestantische Ohren, fast<br />
verwegen. Die evangelische Theologie vor allem<br />
<strong>des</strong> deutschen Sprachraums blieb sich lange „weitgehend<br />
e<strong>in</strong>ig, dass Protestantismus und Mystik<br />
unvere<strong>in</strong>bar seien.“(Volker Lepp<strong>in</strong> 2007,118) Pioniere<br />
<strong>des</strong> mystischen Weges galten als Außenseiter.<br />
Heute sche<strong>in</strong>en die konfessionellen Vorbehalte,<br />
außerhalb der universitären Theologie, so gut wie<br />
verschwunden. Wer sich <strong>in</strong> Buchhandlungen umschaut,<br />
trifft auf gut gefüllte Religions- und Esoterik-<br />
Abteilungen, mit e<strong>in</strong>er Fülle von Mystik-Titeln.<br />
Digitale Portale öffnen unabsehbare religiöse Weiten.<br />
Woher diese enorme Anziehungskraft rührt, verdient<br />
e<strong>in</strong>e gründliche Untersuchung. Hier seien nur<br />
e<strong>in</strong>ige Andeutungen gewagt. Längst s<strong>in</strong>d Europäern<br />
im Zug der wirtschaftlichen Globalisierung auch<br />
andere religiöse Welten nahe gekommen. Touristen<br />
nehmen Tänze moslemischer Derwische<br />
wahr; <strong>in</strong> Thailand treffen sie auf buddhistische<br />
Tempel, <strong>in</strong> Indien auf die komplexe religiöse Welt<br />
der H<strong>in</strong>dus. Jüdische und moslemische Geme<strong>in</strong>den<br />
gehören zur Nachbarschaft im eigenen Land. Dabei<br />
stellt sich heraus, dass „Mystik“ ke<strong>in</strong>eswegs<br />
bloß e<strong>in</strong> christliches Phänomen ist. Das Themenheft<br />
„Mystik“ <strong>in</strong> „evangelische aspekte“ hat sich<br />
schon 2006 weiten Horizonten geöffnet. Die großartige<br />
Ausstellung <strong>in</strong> Zürich „MYSTIK- Die Sehnsucht<br />
nach dem Absoluten“ rückte 2011/2012<br />
mystische Welten im Christentum, Judentum und<br />
Islam, aber auch <strong>in</strong> H<strong>in</strong>duismus, Buddhismus und<br />
Daoismus gleichermaßen <strong>in</strong>s Blickfeld.<br />
Aber nicht nur die Nahbegegnung religiöser Kulturen<br />
trägt zu dem neuen Mystik-Interesse bei. Wichtig<br />
ist auch der offensichtliche Schwund profilierter<br />
christlicher Inhalte und biblisch fundierter Lehre.<br />
Mystik verspricht e<strong>in</strong>e Weite, die von traditioneller<br />
Dogmatik frei ist. Gerade diese Unbestimmtheit<br />
erweckt Zutrauen bei vielen, denen fixierte <strong>Glaubens</strong>bekenntnisse<br />
fragwürdig geworden s<strong>in</strong>d. Ja,<br />
Mystik ersche<strong>in</strong>t als anschlussfähig für e<strong>in</strong>e postreligiöse<br />
Kultur und manche Formen <strong>des</strong> Atheismus.<br />
Denn hier sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e Verwurzelung, e<strong>in</strong>e Beheimatung<br />
angeboten, die ke<strong>in</strong>e Kirchenb<strong>in</strong>dung und<br />
ke<strong>in</strong>e konfessionelle Festlegung abverlangt.<br />
Für Christen hat die Attraktivität der Mystik mit der<br />
Chance e<strong>in</strong>es neuen Gottesbilds zu tun. Die<br />
„Sehnsucht nach dem Absoluten“, so sche<strong>in</strong>t Mystik<br />
zu versprechen, muss nicht <strong>in</strong> die Gefangenschaft<br />
begrenzter oder metaphysischer Gottesvorstellungen<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>führen. Aber wer ist „der Gott der<br />
Mystik“? Dieser Leitfrage folgt die hier vorgelegte<br />
Skizze. Sie geht von den Ersche<strong>in</strong>ungsformen<br />
christlicher Mystik aus. Die knappe Übersicht<br />
„Christliche Mystik“ von Volker Lepp<strong>in</strong> (2007), aber<br />
auch Dorothee Sölles Buch „Mystik und Widerstand“<br />
(1997) haben dazu angeregt; auch das<br />
Werk „Gott 9.0“ von Marion und Werner Küstenma-<br />
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