UVR.1 Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht - Stollfuß Medien
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Korf, Unternehmerischer Anteilskauf – Gestaltungsüberlegungen UVR 2008 Nr. 1 27<br />
Beispiel:<br />
Der bislang nur abhängig beschäftigte Anton Abräumer<br />
gewinnt im Lotto mit einem Mega-Jackpot eine erhebliche<br />
Geldsumme, mit der er einige seiner beruflichen<br />
Wunschträume erfüllen kann. Zum einen will er „Heuschrecke“<br />
werden, also Privatinvestor, zum anderen ein<br />
Immobilien-Imperium aufbauen.<br />
Die Investitionstätigkeit will er selbst als natürliche Person<br />
ausüben. Dies soll in der Form geschehen, dass er<br />
Anteile an Kapital- <strong>und</strong> Personengesellschaften in der<br />
Absicht erwirbt, deren Marktwert durch die Anwendung<br />
seiner betriebswirtschaftlichen Kenntnisse zu steigern<br />
<strong>und</strong> nach einem Zeitraum von zwei bis drei Jahren mit<br />
Gewinn zu veräußern. Die erwirtschafteten Gelder sollen<br />
wieder mit dem gleichen Ziel in andere Beteiligungen<br />
investiert werden. Abräumer beabsichtigt, diese Gesellschaften<br />
entweder zu beraten oder zu lenken, ein Entgelt<br />
soll hierfür nicht gezahlt werden.<br />
Die Immobilientätigkeit dagegen soll ein Konzern ausüben.<br />
Abräumer will sich eine Vorrats-AG kaufen. Diese<br />
soll dann ihr Kapital über das gesetzliche Mindestkapital<br />
hinaus erhöhen <strong>und</strong> die Geldmittel dazu verwenden,<br />
mindestens eine Gesellschaft zu kaufen, die steuerpflichtig<br />
vermietete Immobilien entweder schon besitzt oder<br />
erwirbt. Der Erwerb von Wohnimmobilien ist aber auch<br />
denkbar. Daneben soll es auf jeden Fall eine Gesellschaft<br />
geben, die die Immobilien verwaltet. Die Obergesellschaft<br />
(die frühere Vorrats-AG) soll an die gekauften<br />
Gesellschaften <strong>Recht</strong>s- <strong>und</strong> Steuerberatung, Buchhaltungsleistungen,<br />
Personalberatung <strong>und</strong> strategische Immobilienberatung<br />
erbringen. Hierfür sollen die Empfänger<br />
jeweils ein Prozent ihres Umsatzes an die<br />
Obergesellschaft zahlen. Ob die Leistungen mit eigenem<br />
Personal erbracht oder von externen Dienstleistern eingekauft<br />
werden sollen, ist noch offen.<br />
Abwandlung 1:<br />
Abräumer will von den Gesellschaften ein Entgelt für<br />
seine Beratungs- oder Leitungstätigkeit.<br />
Abwandlung 2:<br />
Die Obergesellschaft will ausschließlich Leistungen externer<br />
Dienstleister einkaufen <strong>und</strong> diese mit einem moderaten<br />
Aufschlag an die Tochtergesellschaften weiterbelasten.<br />
Abwandlung 3:<br />
Die Obergesellschaft will ausschließlich Leistungen externer<br />
Dienstleister einkaufen <strong>und</strong> diese ohne Aufschlag<br />
an die Tochtergesellschaften weiterbelasten.<br />
Überlegungen zu den beiden Tätigkeitsfeldern:<br />
Abräumer selbst ist Unternehmer. Hierfür ist unerheblich,<br />
ob er gleichzeitig weiterhin einer nichtselbstständigen<br />
Tätigkeit nachgeht. Im Hinblick auf die Investitionstätigkeit<br />
handelt er selbstständig <strong>und</strong> nachhaltig<br />
zur Erzielung von Einnahmen. Einerseits ist unstreitig,<br />
dass das bloße Erwerben, Halten <strong>und</strong> Veräußern von<br />
Beteiligungen selbst dann keine Unternehmereigenschaft<br />
begründet, wenn erhebliche Summen investiert<br />
werden 5) , die Tätigkeit aber noch im Rahmen einer<br />
Vermögensverwaltung ausgeübt wird. Ebenso unstreitig<br />
6) ist andererseits aber auch, dass eine selbstständige<br />
<strong>und</strong> nachhaltige Tätigkeit mit Einnahmeerzielungsabsicht<br />
durch Erwerb <strong>und</strong> Veräußerung im Sinne<br />
eines gewerbsmäßigen Handels mit Wertpapieren unternehmerisch<br />
ist. Das <strong>Umsatzsteuer</strong>recht schreibt<br />
keine Zeitspanne vor, innerhalb derer die Beteiligung<br />
„umgeschlagen“ sein muss. Da allerdings auch der<br />
nur sein Vermögen Verwaltende die Wertsteigerung<br />
seiner Beteiligung wünscht, ist die Abgrenzung zwi-<br />
schen dem Nichtunternehmer <strong>und</strong> dem Unternehmer<br />
rechtlich einfacher als praktisch: Der Beteiligungshändler<br />
erwirbt eine Beteiligung bereits mit Veräußerungsabsicht,<br />
der nur Vermögende nicht. 7) Diese Absicht<br />
ist eine „innere Tatsache“, die mit äußeren<br />
Zeichen belegt werden muss.<br />
Ehe hier angesprochen wird, wie solche Zeichen aussehen<br />
könnten, muss auf die Steuerfreiheit der Anteilsveräußerung<br />
hingewiesen werden. Es ist wohl unstreitig<br />
(<strong>und</strong> ergibt sich spiegelbildlich aus der<br />
<strong>Recht</strong>sprechung des EuGH), dass die Anteilsveräußerung<br />
durch einen „gewerblichen Wertpapierhändler“<br />
steuerbar ist <strong>und</strong> damit gr<strong>und</strong>sätzlich steuerfrei. Vorsteuern<br />
aus dem Erwerb, dem Halten <strong>und</strong> der Veräußerung<br />
der Beteiligungen sind daher nicht abziehbar. Da<br />
Abräumer im Gr<strong>und</strong>fall keine anderen Umsätze tätigt,<br />
hat er keinen Vorsteuerabzug. Auf diese Steuerfreiheit<br />
kann allerdings verzichtet werden. Der Steuerpflichtige<br />
kann dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehren,<br />
wenn er die Absicht belegt, dass er gr<strong>und</strong>sätzlich auf<br />
die Steuerfreiheit verzichtet <strong>und</strong> hiervon nur im Ausnahmefall<br />
abweichen will, wenn etwa die Option nicht<br />
möglich ist. Dann kann er den Vorsteuerabzug vornehmen<br />
<strong>und</strong> muss gegebenenfalls, wenn die Veräußerung<br />
doch steuerfrei erfolgt, eine Berichtigung vornehmen.<br />
Wie können diese Absichten der Veräußerung <strong>und</strong> des<br />
Verzichts auf die Steuerfreiheit sichtbar gemacht werden?<br />
Am einfachsten durch Erklärung gegenüber den<br />
Stellen, die für die Aufnahme entsprechender Aussagen<br />
zuständig sind, nämlich Handelsregister <strong>und</strong> Finanzamt,<br />
gegebenenfalls Gemeinde. Abräumer sollte<br />
also diesen Stellen gegenüber erklären:<br />
Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb von<br />
Beteiligungen in der Absicht, deren Wert aktiv zu<br />
steigern <strong>und</strong> sie kurz- bis mittelfristig soweit wie<br />
möglich umsatzsteuerpflichtig zu veräußern.<br />
Damit sind die inneren Tatsachen für Dritte erkennbar<br />
dokumentiert, Abräumer ist Unternehmer, der überwiegend<br />
steuerpflichtige Umsätze tätigen wird. Er<br />
kann die Vorsteuern im Zusammenhang mit dem Erwerb,<br />
dem Halten <strong>und</strong> der Veräußerung der Beteiligungen<br />
abziehen.<br />
Abräumer sollte weiter in der praktischen Durchführung<br />
zeigen, dass diese Absichten auch umgesetzt<br />
werden sollen. Wenn er Mitarbeiter beschäftigt, sollten<br />
diese entsprechend angewiesen werden. Wenn eine<br />
Beteiligung unter den Erwerbskosten veräußert wird,<br />
sollte auf diesen konkreten Vorgang bezogen ein Vermerk<br />
erstellt werden, warum die Beteiligung trotz Verlust<br />
verkauft wird. Das gleiche gilt, wenn nicht auf die<br />
5) EuGH v. 20. 6. 1996, Wellcome Trust, C-155/94, EuGHE 1996<br />
I-3013.<br />
6) Abschn. 18 Abs. 2 Satz 12 Nr. 1 UStR 2008.<br />
7) Auch das BMF-Schreiben v. 26. 1. 2007, IV A 5 – S 7300 – 10/<br />
07, BStBl I 2007, 211, enthält die Aussage: „Finanzinvestoren,<br />
die (sanierungsreife) Gesellschaften erwerben, um sie nach<br />
erfolgter Sanierung gewinnbringend zu veräußern, sind insoweit<br />
Unternehmer“. Mangels einer Definition, wann denn<br />
umsatzsteuerlich Sanierungsreife vorliegt, muss man hier einen<br />
weiten Anwendungsmaßstab anlegen: Immer dann,<br />
wenn ein Investor nicht nur Dividenden beziehen will (dann<br />
Vermögensverwaltung), sondern selbst an der Wertsteigerung<br />
einer mit Veräußerungsabsicht erworbenen Beteiligung<br />
mitwirken will, liegt ein unternehmerischer Beteiligungshandel<br />
vor.