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Kindliche Kontaktverweigerung nach Trennung der Eltern - PUB ...

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Gefühle spielten in <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong>-Kind-Beziehung noch im Mittelalter nur eine unterge-<br />

ordnete Rolle, was auch im Zusammenhang mit <strong>der</strong> hohen Kin<strong>der</strong>sterblichkeit zu se-<br />

hen ist. Der Tod eines Kindes während <strong>der</strong> ersten Lebensjahre war ein durchaus<br />

normales Ereignis. Dabei war zugleich ziemlich sicher, dass schon bald ein neues<br />

Kind seinen Platz einnehmen würde. In vielen Gegenden erhielt dies sogar den Na-<br />

men des zuvor verstorbenen Geschwisters. Die hohe Kin<strong>der</strong>sterblichkeit von Kin-<br />

<strong>der</strong>n, ebenso auch von Müttern (im Kindbett) prägte die Familienstrukturen <strong>nach</strong>hal-<br />

tig: ein Großteil <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> wuchs mit Halb- und Stiefgeschwistern auf, und große Al-<br />

tersunterschiede zwischen ihnen waren üblich (vgl. Arnold, 1987).<br />

Auch aus an<strong>der</strong>en Gründen war die <strong>Eltern</strong>-Kind-Beziehung weniger emotional als<br />

heute: in erster Linie wurden Kin<strong>der</strong> als „zukünftige Arbeitskräfte und als Garanten<br />

<strong>der</strong> Altersversorgung ihrer <strong>Eltern</strong>“ gesehen. Da ihr Wert sich wesentlich <strong>nach</strong> ihrem<br />

„Nutzen für die familiale Produktionsgemeinschaft“ richtete, blieb die Dauer <strong>der</strong><br />

Kindheit auf die ersten Lebensjahre beschränkt, auf Pflege und Erziehung wurde nur<br />

wenig Zeit verwendet (Textor, 1993). Das Bewusstsein für einen spezifisch psycho-<br />

logischen Betreuungsbedarf von Kin<strong>der</strong>n, war allenfalls rudimentär, meist gar nicht<br />

vorhanden. Es war durchaus üblich, selbst Säuglinge und Kleinkin<strong>der</strong> längere Zeit<br />

unbeaufsichtigt zu lassen. Sobald sie laufen und ihre Hände einsetzen konnten, gal-<br />

ten sie übergangslos als „kleine Erwachsene“, trugen dieselbe Kleidung wie diese<br />

und mussten im Prinzip auch dieselben Arbeiten verrichten. Angelernt wurden sie,<br />

indem <strong>Eltern</strong>, Gesinde und Verwandten sie so früh wie möglich zu Helferdiensten he-<br />

ranzogen (Barabas & Erler, 2002; Ariès, 2007).<br />

Dieses Verständnis vom Kind än<strong>der</strong>te sich erst im 17. Jahrhun<strong>der</strong>t, als erstmals Au-<br />

toren, die „zu schützende Unschuld, seine Bedürftigkeit und die Notwendigkeit einer<br />

christlichen Erziehung“ betonten (Textor, 1993). Fortan galten Kin<strong>der</strong> nicht länger als<br />

‚kleine Erwachsene’, son<strong>der</strong>n als ‚Ebenbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Engel’ und als von Jesus Christus<br />

beson<strong>der</strong>s geliebt. Jetzt sollten die Erwachsenen Verantwortung für ihre Entwicklung<br />

übernehmen. Das Interesse am Kind wandelte sich <strong>nach</strong> und <strong>nach</strong> zu einem psycho-<br />

logischen, die beson<strong>der</strong>e Eigenständigkeit <strong>der</strong> Kindheit wurde erkannt (Ariès, 2007).<br />

Erste pädagogische Schriften riefen <strong>Eltern</strong> auf, sich stärker <strong>der</strong> Entwicklung von<br />

Körper, Geist und Seele ihrer Kin<strong>der</strong> zu widmen (vgl. Textor, 1993).<br />

In <strong>der</strong> Folge von Rousseau setzte die ‚Entdeckung <strong>der</strong> Kindheit’ ein, verbunden mit<br />

zunehmen<strong>der</strong> Wertschätzung und Emotionalisierung <strong>der</strong> <strong>Eltern</strong>-Kind-Beziehung.<br />

Auch die Kirchen werteten die Kernfamilie auf, indem sie sie mit <strong>der</strong> "Familie Christi"<br />

verglichen. Seit dem 17. Jahrhun<strong>der</strong>t wurde die Kindheit zu einer eigenständigen<br />

Lebensphase (vgl. Textor, 1993).

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