Kindliche Kontaktverweigerung nach Trennung der Eltern - PUB ...
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schaftsrechts die Persönlichkeit des Kindes ins Blickfeld gerückt. In einem Punkt hat-<br />
te sich jedoch nur wenig geän<strong>der</strong>t: weiterhin wurde <strong>der</strong> Erhalt kindlicher Beziehun-<br />
gen zu beiden <strong>Eltern</strong> nicht als genuines Kindesinteresse verstanden, son<strong>der</strong>n als<br />
Recht des Erwachsenen „am“ Kind, das sich jetzt allerdings am Kindeswohl zu mes-<br />
sen hatte und unter Berufung hierauf im Einzelfall auch gebrochen werden konnte.<br />
Kontaktabbruch und Umgangsverweigerung wurden nicht als son<strong>der</strong>liches Problem<br />
des Kindes gesehen, son<strong>der</strong>n bestenfalls eines <strong>Eltern</strong>teils. Die Folge dieser Sicht-<br />
weise: Bis weit in die Neunzigerjahre hatten zahlreiche Kin<strong>der</strong> jeden Kontakt zum<br />
Besuchselternteil verloren.<br />
Bestätigung fand dieses Verständnis vom „Umgang mit dem Umgang“ durch eine<br />
Wissenschaftlerin, die in Kreisen <strong>der</strong> Justiz höchste Reputation genoss. Anna Freud,<br />
Professorin für Kin<strong>der</strong>psychologie in London und Tochter des Entdeckers <strong>der</strong> Psy-<br />
choanalyse, Sigmund Freud, veröffentlichte 1974 eine Monografie, die in Deutsch-<br />
land große Beachtung fand und <strong>der</strong>en Vorschläge die damalige Rechtssprechung<br />
des Bundesverfassungsgerichts <strong>nach</strong>haltig beeinflussten. Begünstigt wurde diese<br />
Wirkung durch die beiden Mitautoren Goldstein und Solnit - einer Jurist, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />
Sozialarbeiter -, wodurch genau jene professionelle Bandbreite vertreten war, die<br />
auch in allen Scheidungsverfahren auftrat, sofern Kin<strong>der</strong> mit im Spiel waren (Gold-<br />
stein, Freud & Solnit, 1974). Insofern signalisierte dieses Trio höchste Kompetenz.<br />
Dieselbe Kooperation wie<strong>der</strong>holte sich später noch einmal im Hinblick auf fremdun-<br />
tergebrachte Kin<strong>der</strong> (Goldstein, Freund & Solnit, 1982).<br />
Im Mittelpunkt stand damals eine deutliche Reglementierung jeglicher Umgangskon-<br />
takte bis hin zur Aussetzung, wenn wegen des <strong>Eltern</strong>streits die für eine ungestörte<br />
Entwicklung des Kindes notwendige ‚Ruhe’ nicht zu erreichen war. Noch vor 30 Jah-<br />
ren wurde somit selbst von Psychologen ein Kontaktabbruch zum umgangsberech-<br />
tigten <strong>Eltern</strong>teil befürwortet – und das keineswegs nur in begründeten Ausnahmefäl-<br />
len, die es natürlich gibt.<br />
Die <strong>nach</strong>haltigste Folge des schlagartig gestiegenen Einflusses <strong>der</strong> Psychologie im<br />
Familienrecht war eine, die nächsten 20 Jahre prägende, Dialektik, die bei vielen Ge-<br />
richten bis heute anzutreffen ist. Zum einen wird jetzt erstmals auch aus fachlicher<br />
Sicht die Aufrechterhaltung einer Kind-<strong>Eltern</strong>-Beziehung <strong>nach</strong> Scheidung befürwor-<br />
tet. Das ist aus Kin<strong>der</strong>sicht <strong>der</strong> Gewinn einer Psychologisierung des Familienrechts.<br />
Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite sind es jetzt dieselben Kin<strong>der</strong>experten, die den Kontakt zwi-<br />
schen Kin<strong>der</strong>n und ihrem getrennt lebenden <strong>Eltern</strong>teil nur dann als wertvoll und nütz-<br />
lich erachten, wenn sie in einem möglichst spannungsfreien elterlichen Rahmen und<br />
freiwillig stattfinden. An<strong>der</strong>nfalls sei dieser Kontakt ein erheblicher psychischer Be-<br />
lastungsfaktor, <strong>der</strong> Umgangsberechtigte damit ein potentielles Entwicklungsrisiko,