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Kindliche Kontaktverweigerung nach Trennung der Eltern - PUB ...

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– eines elternlosen Kindes – ist mit Bedacht gewählt. Seit Menschengedenken ist<br />

<strong>der</strong> Einzelne Mitglied und Teil seiner Familie, sie stiftet Identität, materielle und emo-<br />

tionale Sicherheit. Die mit Verwaisung verbundene Vorstellung eines grundlegenden,<br />

bei allem guten Willen nur unzureichend zu kompensierenden Mangels in den Be-<br />

dingungen kindlicher Entwicklung besteht – bei Dritten wie beim Waisen selbst –<br />

auch dann, wenn über Stieffamilie, Inpflegegabe o<strong>der</strong> Adoption ein Ausgleich ver-<br />

sucht wird.<br />

Auch in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen, von Individualisierungsbestrebungen geprägten Gesellschaft<br />

genießen Familie und <strong>Eltern</strong>-Kind-Beziehungen grundgesetzlichen Schutz (Art. 6<br />

GG). Für Kin<strong>der</strong>, die mit ihren beiden <strong>Eltern</strong> – und evtl. Geschwistern - aufgewach-<br />

sen sind, bilden die Bindungen an Vater und Mutter sowie an die Geschwister das<br />

primäre Bezugssystem, aus dem sie ihre Identität schöpfen. Die <strong>Eltern</strong>-Kind-<br />

Bindungen und das Familiensystem sind die selbstverständliche, nicht wegzuden-<br />

kende Grundlage ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Die während <strong>der</strong> Kindheit schritt-<br />

weise einsetzende ‚Abnabelung’ aus dem engsten familialen Bezug mündet regelhaft<br />

erst <strong>nach</strong> <strong>der</strong> Adoleszenz in weitgehende personale Unabhängigkeit. Doch behalten<br />

selbst <strong>nach</strong> dem Verlassen des <strong>Eltern</strong>hauses viele Menschen lebenslang einen en-<br />

gen Bezug zu ihrer Herkunftsfamilie.<br />

Mit <strong>der</strong> <strong>Trennung</strong> und dem Auszug eines <strong>Eltern</strong>teils geht - abrupt, für viele Kin<strong>der</strong><br />

unvorhergesehen – ein das Kind dramatisch überfor<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Verlust einer Bindungs-<br />

person einher. Aus <strong>der</strong> Bindungsforschung ist bekannt, dass Kin<strong>der</strong> durch den Ver-<br />

lust von Bezugspersonen erheblich traumatisiert werden können, worauf sie mit ei-<br />

ner Bandbreite von Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu Retardierungen und Entwick-<br />

lungsverzögerungen reagieren (Bowlby, 2001).<br />

Hinzu kommt, dass – wenngleich Vater und Mutter nicht verstorben sind – die Auflö-<br />

sung von elterlicher Übereinstimmung und Gemeinsamkeit, also <strong>der</strong> Wegfall <strong>der</strong><br />

vormaligen Familienidentität (‚Wir’), es dem Kind unmöglich machen, die vormalige<br />

<strong>Eltern</strong>qualität weiter sinnlich zu erleben. Es verliert seine <strong>Eltern</strong> in dem Sinne, dass<br />

ihm statt einer Familienidentität nurmehr zwei Einzelpersonen, Mutter und Vater<br />

bleiben, die jedoch das sie Trennende betonen und nicht selten um eine Vorrangstel-<br />

lung beim Kind streiten.<br />

Im Zustand psychischer Verwaisung ist das Kind also nicht ausschließlich traurig und<br />

enttäuscht über das Zerbrechen seiner Familie, son<strong>der</strong>n darüber hinaus sowohl in<br />

seiner Identität wie in <strong>der</strong> weiteren Lebensperspektive tief verunsichert. Ihm wird ei-<br />

ne bis dahin selbstverständlich vorhandene Grundlage seelischen Wohlbefindens<br />

und kindlicher Identität genommen - und die Kompensation dieses Verlustes erfor-<br />

<strong>der</strong>t im Zeitraum einiger Wochen bis Monate erhebliche psychische Reserven. Hier-

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