Infodienst Krankenhäuser - ver.di: Gesundheits- und Sozialwesen
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Dementenbetreuung durch Langzeitarbeitslose<br />
Berufspolitik<br />
Eine der <strong>ver</strong>meintlichen Errungenschaften<br />
des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes<br />
besteht in dem<br />
Bemühen der B<strong>und</strong>esregierung,<br />
<strong>di</strong>e Betreuungssituation von Dementen<br />
in Pflegeheimen zu <strong>ver</strong>bessern.<br />
Das ist durchaus nichts<br />
Ehrenrühriges. Im Gegenteil. Die<br />
Betreuung Demenzkranker in Heimen<br />
<strong>und</strong> zu Hause bedarf dringend<br />
der Verbesserung. Vor allem<br />
bedarf es zusätzlichen <strong>und</strong> besonders<br />
für <strong>di</strong>ese Aufgaben qualifizierten<br />
Pflegepersonals.<br />
Das kostet Geld. Gesucht werden<br />
aber möglichst billige Lösungen.<br />
Was könnte da näher liegen<br />
als <strong>di</strong>e Arbeitslosenkasse zu entlasten<br />
<strong>und</strong> vor allem Langzeitarbeitslose,<br />
<strong>di</strong>e sich als schwer auf<br />
dem Arbeitsmarkt <strong>ver</strong>mittelbar erwiesen<br />
haben, als zusätzliche Betreuungskräfte<br />
heranzuziehen.<br />
Der Spitzen<strong>ver</strong>band der Gesetzlichen<br />
Kranken<strong>ver</strong>sicherung hat<br />
flugs eine Richtlinie erarbeitet, in<br />
der <strong>di</strong>e Qualifikationsanforderungen<br />
für <strong>di</strong>e zusätzlichen Betreuungskräfte<br />
festgelegt werden.<br />
Es ist seltsam genug, dass nicht<br />
<strong>di</strong>e für Berufsbildung zustän<strong>di</strong>gen<br />
Ministerien <strong>und</strong> Einrichtungen<br />
damit befasst werden, sondern<br />
dass Krankenkassen <strong>und</strong> <strong>di</strong>e<br />
B<strong>und</strong>es<strong>ver</strong>einigung der Träger vollstationärer<br />
Pflegeeinrichtungen<br />
hierfür <strong>ver</strong>antwortlich zeichnen.<br />
Beide sind an schnellen <strong>und</strong> billigen<br />
Lösungen interessiert.<br />
■ 24<br />
Die Richtlinien sehen vor, neben<br />
der Begleitung bei Alltagsaktivitäten<br />
auch »pflegerische Hilfen« zu<br />
gewähren. Angesichts der knappen<br />
Personaldecke beim Pflegepersonal<br />
besteht hier <strong>di</strong>e Gefahr,<br />
dass Pflegefachpersonal durch <strong>di</strong>e<br />
Übernahme von Pflegearbeit ersetzt<br />
werden soll. In drei Modulen<br />
soll <strong>di</strong>e Qualifizierung erfolgen:<br />
� 100 St<strong>und</strong>en Basiskurs »Betreuungsarbeit<br />
in Pflegeheimen«<br />
� 2 Wochen Betreuungspraktikum<br />
in einem Pflegeheim<br />
� 60 St<strong>und</strong>en Aufbaukurs<br />
Die Module 1 <strong>und</strong> 3 können<br />
auch nach Aufnahme der Betreuungsarbeit<br />
innerhalb eines Jahres<br />
nachgeholt werden.<br />
Noch bevor das B<strong>und</strong>esministerium<br />
für Ges<strong>und</strong>heit den Richtlinienentwurf<br />
genehmigt hat,<br />
hatte <strong>di</strong>e B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit<br />
bereits eine Weisung zur<br />
»Rekrutierung von zusätzlichen<br />
Betreuungskräften für Pflegeheime«<br />
ausgearbeitet. Die gleiche<br />
B<strong>und</strong>esagentur, <strong>di</strong>e sich bei der<br />
Förderung der Ausbildung <strong>und</strong><br />
Weiterbildung von Pflegefachkräften<br />
immer stärker zurückhält. Der<br />
Aktion wird große »geschäftspolitische<br />
Priorität« eingeräumt.<br />
Warum <strong>di</strong>e plötzliche Eile? Das<br />
Problem ist seit langem bekannt.<br />
Ausbildungsplätze in den Pflegeberufen<br />
wurden in den letzten<br />
Jahren massiv abgebaut, <strong>di</strong>e Förderung<br />
von Umschulung <strong>und</strong><br />
Weiterbildung durch gesetzliche<br />
Maßnahmen <strong>und</strong> restriktive Handhabung<br />
eingeschränkt. Der Verdacht<br />
liegt nahe, dass es nicht um<br />
eine wirkliche Verbesserung der<br />
Betreuung geht, sondern um eine<br />
schnelle Lösung, <strong>di</strong>e sich vor der<br />
anstehenden B<strong>und</strong>estagswahl me<strong>di</strong>enwirksam<br />
<strong>ver</strong>markten lässt.<br />
Das Me<strong>di</strong>enecho war dann auch<br />
überwältigend, aller<strong>di</strong>ngs für <strong>di</strong>e<br />
Initiatoren weniger schmeichelhaft.<br />
Dabei konzentrierte sich <strong>di</strong>e<br />
öffentliche Diskussion auf <strong>di</strong>e<br />
Frage, ob Langzeitarbeitslose für<br />
<strong>di</strong>esen Job geeignet seien. Die<br />
Frage ist zwar berechtigt, aber<br />
nicht pauschal, sondern nur im<br />
Einzelfall sinnvoll zu beantworten.<br />
Da kommt der Bewerberauswahl<br />
entscheidende Bedeutung zu.<br />
Viel dramatischer als der geplante<br />
Einsatz von Arbeitslosen<br />
sind das dürftige Qualifikationsangebot<br />
von 160 St<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />
<strong>di</strong>e Abwertung pflegefachlicher<br />
Arbeit, <strong>di</strong>e <strong>di</strong>esem Konzept zu<br />
Gr<strong>und</strong>e liegen. Hohen Anforderungen,<br />
wie »soziale Kompetenz<br />
<strong>und</strong> kommunikative Fähigkeiten«,<br />
»Beobachtungsgabe <strong>und</strong> Wahrnehmungsfähigkeit«,»Empathiefähigkeit<br />
<strong>und</strong> Beziehungsfähigkeit«,<br />
»psychische Stabilität,<br />
Fähigkeit zur Reflexion des eigenen<br />
Handelns <strong>und</strong> <strong>di</strong>e Fähigkeit<br />
sich abzugrenzen«, um nur einige<br />
zu nennen, steht ein bescheidenes<br />
Bildungsangebot gegenüber.<br />
<strong>Info<strong>di</strong>enst</strong> <strong>Krankenhäuser</strong> Nr. 42 ■ Oktober 2008<br />
RENATE STIEBITZ, POTSDAM (2)