24.10.2012 Aufrufe

Infodienst Krankenhäuser - ver.di: Gesundheits- und Sozialwesen

Infodienst Krankenhäuser - ver.di: Gesundheits- und Sozialwesen

Infodienst Krankenhäuser - ver.di: Gesundheits- und Sozialwesen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Strategien der Klein-Gewerkschaften<br />

Deutschland<br />

Kleine, starke Berufsgewerkschaften streben danach, für ihre<br />

Mitglieder bessere Tarife herauszuholen. Eine Gefahr für das<br />

Tarifsystem? Nein, sagen <strong>di</strong>e Experten des WSI: Die Zahl <strong>di</strong>eser<br />

Gewerkschaften wird gering bleiben.<br />

Ärztestreik, Bahnkonflikt <strong>und</strong><br />

Postmindestlohn – Berufsgewerkschaften<br />

haben in den <strong>ver</strong>gangenen<br />

Jahren große Aufmerksamkeit<br />

auf sich gezogen. Weniger auffällig<br />

sind <strong>di</strong>e so genannten christlichen<br />

Gewerkschaften, doch auch<br />

sie fordern <strong>di</strong>e exklusive Gültigkeit<br />

von bestehenden Tarif<strong>ver</strong>trägen<br />

heraus.<br />

Welchen Effekt <strong>di</strong>ese Konkurrenz<br />

zu den etablierten Arbeitnehmer<strong>ver</strong>tretern<br />

auf das Tarifwesen<br />

haben kann, analysieren Reinhard<br />

Bispinck <strong>und</strong> Heiner Dribbusch<br />

vom WSI.* Den Tarifexperten zufolge<br />

ist nicht damit zu rechnen,<br />

dass noch viele weitere Berufsgewerkschaften<br />

auftreten <strong>und</strong> für<br />

ihre Gruppe bessere Tarife aushandeln<br />

– dafür sind <strong>di</strong>e organisatorischen<br />

Hürden zu hoch. Gefahren<br />

für das Tarifgefüge <strong>ver</strong>ursachen<br />

laut Bispinck <strong>und</strong> Dribbusch eher<br />

<strong>di</strong>e Gewerkschaften ohne Durchsetzungskraft.<br />

Überbietungskonkurrenz<br />

DGB-Gewerkschaften schließen<br />

nach wie vor deutlich mehr als<br />

80 Prozent der Tarif<strong>ver</strong>träge ab.<br />

Mehrere Berufs- <strong>und</strong> Spartengewerkschaften<br />

hoffen jedoch,<br />

allein bessere Ergebnisse erzielen<br />

zu können. Die Durchsetzung<br />

eigener Tarif<strong>ver</strong>träge erfordert <strong>di</strong>e<br />

Fähigkeit zum Arbeitskampf, darum<br />

ist <strong>di</strong>e Zahl der tariffähigen<br />

Berufsgewerkschaften tatsächlich<br />

* Reinhard Bispinck, Heiner Dribbusch:<br />

Tarifkonkurrenz der Gewerkschaften<br />

zwischen Über- <strong>und</strong> Unterbietung, in:<br />

Sozialer Fortschritt, Heft 6, Juni 2008.<br />

Download: www.boecklerimpuls.de<br />

■ 30<br />

sehr klein. »Es ist keineswegs einfach,<br />

in den kleinen Kreis der<br />

durchsetzungsfähigen Konkurrenzgewerkschaften<br />

aufzusteigen«,<br />

stellen <strong>di</strong>e Forscher fest. Voraussetzungen<br />

seien eine geschlossene<br />

Berufsgruppe, ein klar umrissenes<br />

Tarifgebiet <strong>und</strong> eine handlungsfähige<br />

Organisation mit hohem<br />

Organisationsgrad. Ihre Streikfähigkeit<br />

unter Beweis gestellt<br />

haben bisher le<strong>di</strong>glich <strong>di</strong>e Ärztegewerkschaft<br />

Marburger B<strong>und</strong>, <strong>di</strong>e<br />

Vereinigung Cockpit sowie <strong>di</strong>e<br />

Lokführergewerkschaft GDL. Eigene<br />

Tarif<strong>ver</strong>träge wurden auch<br />

der Gewerkschaft der Flugsicherung<br />

(GdF) sowie bei einzelnen<br />

Linien der Unabhängigen Flugbegleiterorganisation<br />

(UFO) für<br />

das Kabinenpersonal zugestanden.<br />

Die Berufsgewerkschaft sei keineswegs<br />

ein generelles Erfolgsmodell,<br />

erklären <strong>di</strong>e Wissenschaftler.<br />

So <strong>ver</strong>stünden sich <strong>di</strong>e meisten<br />

der mehreren h<strong>und</strong>ert Berufs<strong>ver</strong>bände<br />

aus guten Gründen bisher<br />

nicht als Gewerkschaft, <strong>ver</strong>zichteten<br />

auf ein tarifpolitisches Eingrei-<br />

fen <strong>und</strong> beschränkten sich auf Beratungs-<br />

<strong>und</strong> Lobbyarbeit.<br />

»Mit einer Vielzahl neuer Gewerkschaften<br />

ist auf absehbare<br />

Zeit deshalb nicht zu rechnen«,<br />

prognostizieren Bispinck <strong>und</strong> Dribbusch.<br />

Die beiden Forscher werten<br />

<strong>di</strong>e Aufkün<strong>di</strong>gung der Solidarität<br />

gegenüber der Gesamtbelegschaft<br />

als problematisch.<br />

Aber sie stellen zugleich fest:<br />

»Das tarifpolitische Signal, das<br />

von <strong>di</strong>esen Abschlüssen ausgeht,<br />

geht nicht in Richtung Unterbietung.<br />

Die Erosion von Tarifstandards<br />

nach unten wird eher<br />

erschwert.« Ob auf Dauer <strong>di</strong>e<br />

Überbietungskonkurrenz für <strong>di</strong>e<br />

betroffenen Beschäftigtengruppen<br />

tatsächlich zu besseren Ergebnissen<br />

führt, ist durchaus strittig, bisherige<br />

Abschlüsse zeigten keinen<br />

klaren Trend.<br />

Unterbietungskonkurrenz<br />

Das Unterbieten bestehender<br />

Tarifnormen durch Kleingewerkschaften<br />

ohne tarifpolitische<br />

Durchsetzungskraft schade den<br />

Beschäftigten, konstatieren <strong>di</strong>e<br />

Wissenschaftler. Dazu zählen sie in<br />

erster Linie <strong>di</strong>e Mitgliedsorganisationen<br />

des Christlichen Gewerkschaftsb<strong>und</strong>es<br />

(CGB). Sie hätten<br />

Tarifkonkurrenz zwischen Gewerkschaften<br />

Die beiden Formen der Konkurrenz zu den etablierten Tarifparteien<br />

Gewerkschaftstyp<br />

Strukturelle Stärke<br />

<strong>und</strong> Mitgliederzahl<br />

Tarifpolitische<br />

Ziele<br />

Gewerkschaftliches<br />

Ziel<br />

Streikfähigkeit<br />

Verhalten der<br />

Arbeitgeber<br />

Überbietungskonkurrenz<br />

Berufsgewerkschaft<br />

erheblich<br />

gezielte Verbesserungen<br />

für einzelne Gruppe<br />

Mitgliederdominanz im<br />

Organisationsbereich<br />

notwen<strong>di</strong>g<br />

ablehnend bis feindlich<br />

Quelle: Bispinck, Dribbusch 2008 | © Hans-Böckler-Stiftung 2008<br />

Unterbietungskonkurrenz<br />

Branchengewerkschaft<br />

gering<br />

Abschluss eines<br />

Tarif<strong>ver</strong>trages<br />

Anerkennung als<br />

Tarifpartei<br />

unerheblich<br />

kooperativ<br />

<strong>Info<strong>di</strong>enst</strong> <strong>Krankenhäuser</strong> Nr. 42 ■ Oktober 2008

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!