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chon zum Auftakt von Film+, dem Kölner<br />
SForum für Filmschnitt und Montage, am 26.<br />
November sorgte die 1955 in Berlin geborene<br />
Editorin Monika Schindler für Heiterkeit, <strong>als</strong> sie<br />
auf der Bühne des Filmforums im Museum Ludwig<br />
gestand, dass sie im Lauf ihre langjährigen<br />
Zusammenarbeit mit dem DEFA-Regisseur Roland<br />
Gräf nicht immer einer Meinung war: „Da<br />
flogen schon mal die Fetzen.“ Gleichwohl arbeite<br />
sie am liebsten mit Regisseuren, deren Filme<br />
sie schon einmal geschnitten habe: „Wenn<br />
einer wiederkommt, kann deine Arbeit ja nicht<br />
so schlecht gewesen sein.“<br />
Galante Lobesbekundungen kamen am Eröffnungsabend<br />
von Regisseur Herrmann Zschoche,<br />
dessen Sozialdrama „Bürgschaft für ein<br />
Jahr“ (DDR 1981) im Rahmen der Schindler-<br />
Hommage gezeigt wurde. Zschoche bekannte<br />
in der launigen Laudatio: „Zum ersten Mal<br />
habe ich sie im Kinderferienlager der DEFA auf<br />
Usedom gesehen, da war sie 19 und sah aus<br />
wie Marylin.“ Und bei „Bürgschaft“ habe er bereits<br />
gemerkt: „Sie hat die unheimliche Gabe,<br />
schon in den Mustern alle Anschlussfehler zu<br />
entdecken.“ Dabei hatte sie erst gar nicht nach<br />
Köln kommen wollen, gestand Schindler, die<br />
erst dem Drängen Oliver Baumgartens, der mit<br />
irekt vor dem Podium, das auf der kleinen<br />
DBühne des bestuhlten Saales den Diskutanten<br />
Platz bietet, prangen acht orangefarbene<br />
Lettern auf separaten Ständern und formen das<br />
Motto der diesjährigen Duisburger Filmwoche:<br />
„Horizont“. Schon am zweiten Tag würfelt ein<br />
listiger Mensch die Buchstaben durcheinander<br />
und findet ein hübsches Anagramm. Der Rest<br />
der Woche wurde somit hinter dem Label „Ohrnotiz“<br />
diskutiert.<br />
Dass auf der Duisburger Filmwoche, dem<br />
Festival des deutschsprachigen <strong>Dokument</strong>arfilms,<br />
die Filmemacher tatsächlich detailliert Notiz<br />
nehmen können von der Meinung der Zuschauer<br />
und die wiederum von der Intention der<br />
Filmemacher, gehört zu den seit 34 Jahren tradierten<br />
Ritualen der <strong>Dokument</strong>arfilmschau. Reden<br />
über Film ist in Duisburg seit jeher ebenso<br />
wichtig wie das Filmsehen an sich. Und <strong>als</strong> Beweis<br />
dafür, wie ernst man das in Duisburg<br />
nimmt, wird keine Veranstaltung parallel angesetzt,<br />
was bedeutet, dass alle 24 Wettbewerbsfilme<br />
aus Deutschland, Österreich und der<br />
Schweiz sowie alle Diskussionen und Extras<br />
grundsätzlich die gleiche Aufmerksamkeit bekommen.<br />
Der Diskussionssaal in der Kulturzentrale<br />
„HundertMeister“ ist über eine Doppeltür ins<br />
Treppenhaus des Nebengebäudes direkt mit<br />
dem Kinosaal des Filmforums verbunden. Sobald<br />
eine Vorführung geendet hat, strömen die<br />
Besucher fast wie von allein zur Diskussion, die<br />
Festivalleiter Werner Ruzicka oder Kommissionsmitglieder<br />
wie Werner Schweizer und Vrääth<br />
Öhner moderieren.<br />
Im Mittelpunkt dieses Austausches stehen<br />
neben den einzelnen Filmen immer wieder auch<br />
allgemeine Themen den <strong>Dokument</strong>arfilm betreffend.<br />
So geriet beispielsweise „Liebe Geschichte“<br />
von den beiden Wienerinnen Simone<br />
Bader und Jo Schmeiser, die gemeinsam <strong>als</strong><br />
„Klub Zwei“ firmieren, in die Mühlen einer<br />
Grundsatzdiskussion, der sich das Genre seit Jahren<br />
ausgesetzt sieht: der Frage nach der Emotionalisierung<br />
im <strong>Dokument</strong>arfilm. „Liebe Ge-<br />
Mittelpunkt der 10. Ausgabe von Film+ war die Schnittmeisterin<br />
Monika Schindler. Vor zehn Jahren war sie die erste Gewinnerin<br />
des Film+ Schnitt Preises Spielfilm, nun wurde sie mit einer Hommage<br />
geehrt und erhielt zum Abschluss des viertägigen Festiv<strong>als</strong> den<br />
Geißendörfer Ehrenpreis.<br />
Festivalreport: Film+<br />
Schnittiges<br />
Jubiläum<br />
VON REINHARD KLEBER<br />
Die Duisburger Filmwoche,<br />
das Festival des deutsch spra -<br />
chigen <strong>Dokument</strong>arfilms, fand<br />
vom 1. bis 7. November unter<br />
dem Motto „Horizont“ statt.<br />
Festivalreport: 34. Duisburger<br />
Filmwoche<br />
Ohrnotiz<br />
erweitert<br />
Horizont<br />
VON OLIVER BAUMGARTEN<br />
schichte“ lässt Frauen, deren Eltern bzw. Großeltern<br />
zu den Tätern in der Nazizeit gehörten,<br />
beschreiben, wie sich diese Tatsache auf ihr eigenes<br />
Leben auswirkt. Formal pflegt der Film<br />
eine große Strenge sowohl in den Bildern von<br />
Sophie Maintigneux <strong>als</strong> auch in der Struktur der<br />
Montage, zudem versuchen sich die Protagonistinnen<br />
eher in einer konzertierten und konzentrierten<br />
Analyse <strong>als</strong> im Zeigen spontaner Reaktionen.<br />
„Wir wollten Frauen, die das kontrollierte<br />
Sprechen in der Öffentlichkeit gewohnt<br />
sind“, erläuterte Simone Bader das Konzept,<br />
nicht nur in der Komposition, sondern auch in<br />
den Inhalten von Sachlichkeit geprägt zu sein.<br />
ihr ein intensives Werkstattgespräch führte,<br />
nachgab – und es nicht bereute.<br />
Einen Themenschwerpunkt widmete<br />
Film+, das von Kyra Scheurer und Nikolaj Nikitin<br />
geleitet wurde, dem Ineineinandergreifen<br />
von „Erzählen und Montage“. Vier Panels spürten<br />
facettenreich Erzählelementen nach, die mit<br />
dem Montageprozess verbunden sind. Ein schönes<br />
Geburtstagsgeschenk lieferten Montage-<br />
Studierende der Babelsberger Filmhochschule<br />
beim Panel „(De-)montierte Rollenbilder“, <strong>als</strong> sie<br />
mehrere Schnittpreisgewinner unter die ‚Gender-Lupe‘<br />
nahmen.<br />
Allerdings zeigte sich hier anschaulich, wie<br />
nachhaltig sich künstlerische Montagen der wis-<br />
Das jedoch missfiel gerade jener Fraktion, die<br />
sich den Protagonistinnen und ihrem Thema<br />
gerne über Emotionen genähert hätten, denen<br />
die „Starrheit“ des Films gar zum Verlust des<br />
„Authentischen“ gereicht hat. Sehr oft werden<br />
in Duisburg, und sei es nur am Rande, Aspekte<br />
der Emotionalisierung im <strong>Dokument</strong>arfilm diskutiert.<br />
Für viele nämlich – so wirkt es immer<br />
wieder – stellt ihre Ausprägung einen Gradmesser<br />
der Nähe zur <strong>Dokument</strong>ation dar. Und nichts<br />
scheint in Duisburg verpönter <strong>als</strong> die klassische<br />
Fernsehdokumentation.<br />
Und diese Einstellung hat keineswegs zu tun<br />
mit einer unreflektierten und generellen Haltung<br />
„gegen das Fernsehen“. Denn „das Fernsehen“<br />
ist hier äußerst präsent und seit Jahren sehr engagiert,<br />
den <strong>Dokument</strong>arfilm in all seinen Facetten<br />
zu fördern. Es ist auch keine Seltenheit,<br />
dass Sender einen Film überhaupt erst auf die<br />
Schiene bringen, wie beispielsweise den Dubini-Brüdern<br />
Fosco und Donatello geschehen, <strong>als</strong><br />
ein Schweizer Sender ihre Idee zu „Die große<br />
Erbschaft“ begeistert nicht nur mit Referenz-,<br />
sondern gleich auch Projektgeldern versah. Das<br />
Ergebnis: ein sehr persönliches und zwischen<br />
Ironie und Nostalgie pendelndes Porträt über<br />
ein Tessiner Haus im Dubini-Familienbesitz, das<br />
bei einem Brand schwer beschädigt und vor ein<br />
paar Jahren abgerissen wurde.<br />
Die Diskussion über Filme beherrscht in Duisburg<br />
auch eine Sektion, die in ihrer Art bundesweit<br />
einzigartig ist: doxs! <strong>Dokument</strong>arfilme für<br />
Kinder und Jugendliche. Knapp 800 Schülerinnen<br />
und Schüler haben in diesem Jahr das Programm<br />
verfolgt, das aus 21 internationalen dokumentarischen<br />
Arbeiten bestand, die sich dezidiert<br />
an Kinder und Jugendliche richten. Das<br />
Sprechen über Film gehört auch hier zum Konzept<br />
und wird geleitet und moderiert von erfahrenen<br />
doxs!-Mitarbeitern, deren Filmbildungsarbeit<br />
nicht nur in Duisburg sehr geschätzt<br />
wird. Zur Zeit vertrauen nicht weniger <strong>als</strong> acht<br />
andere internationale Festiv<strong>als</strong> auf das Knowhow<br />
der Duisburger und programmieren von<br />
ihnen kuratierte und individuell zugeschnitte-<br />
senschaftlichen Analyse mit Diagrammen und<br />
Grafiken widersetzen. So konnte Julia Rau zwar<br />
herausarbeiten, wie sich die Geschlechterrollen<br />
der Protagonisten in Maren Ades Film „Alle anderen“<br />
nach einer Schlüsselszene umkehren, der<br />
Beitrag der Montage zur polarisierenden Wirkung<br />
gerade dieses Films blieb jedoch im Dunklen.<br />
Wer mehr über Monika Schindler, aber auch<br />
viele andere Editor(inn)en wissen möchte, kann<br />
nun in der „Hall of Fame“ auf www.filmplus.de<br />
nachschauen. Alle Schnittmeister/innen, die in<br />
zehn Jahren bei Film+ prämiert oder nominiert<br />
waren, sind dort gewürdigt und porträtiert.<br />
Film+<br />
Geißendörfer Ehrenpreis Schnitt<br />
(3.000 Euro): Monika Schindler<br />
<strong>Filmstiftung</strong> NRW Schnitt Preis<br />
Spielfilm (7.500 Euro): Monika Willi<br />
für „Das weiße Band“<br />
Bild-Kunst Schnitt Preis <strong>Dokument</strong>arfilm<br />
(7.500 Euro): Stephan<br />
Krumbiegel für „Wiegenlieder“<br />
Förderpreis Schnitt (2.500 Euro):<br />
Stefanie Brockhaus für „Das Kind in mir“<br />
ne Filmreihen und Workshops. Neben weiteren<br />
Projekten wie „dok you“, in dessen Rahmen bis<br />
dato sechs <strong>Dokument</strong>arfilme entstanden sind,<br />
die Filmemacher mit Kindern entwickelt haben<br />
(die letzten beiden hatten bei doxs! im November<br />
Premiere), strahlt das Label nun mehr denn<br />
je auch auf Lehrer aus. Die während der Filmwoche<br />
angesetzte Erlebnisfortbildung für Lehrer<br />
und Pädagogen, die in Zusammenarbeit mit<br />
dem RuhrForum Filmbildung und RUHR.2010<br />
umgesetzt wurde, war seit Monaten ausgebucht.<br />
Unter dem Titel „Surfkurs für Lehrer und<br />
Pädagogen“ erhielten die Teilnehmer Einblicke<br />
in das Internetverhalten von Schülern – und das<br />
aus erster Hand.<br />
Duisburger<br />
Filmwoche<br />
3sat-<strong>Dokument</strong>arfilmpreis<br />
(6.000 Euro):<br />
„Die fünf Himmelsrichtungen“<br />
von Fridolin Schönwiese<br />
Arte-<strong>Dokument</strong>arfilmpreis<br />
(6.000 Euro):<br />
„Von der Vermählung des<br />
Salamanders mit der grünen<br />
Schlange“ von René Frölke<br />
Förderpreis der Stadt Duisburg<br />
(5.000 Euro) ex aequo an:<br />
„Herr Berner und die Wolokolamsker<br />
Chaussee“ von Serpil Turhan<br />
„Auf Teufel komm raus“ von Mareille<br />
Klein und Julie Kreuzer<br />
<strong>Dokument</strong>arfilmpreis des<br />
Goethe-Instituts (2.000 Euro):<br />
„How to Make a Book with Steidl“<br />
von Jörg Adolph und Gereon Wetzel<br />
Publikumspreis der Rheinischen<br />
Post (1.000 Euro):<br />
„Das Schiff des Torjägers“<br />
von Heidi Specogna<br />
Herbstfestiv<strong>als</strong> – newsletter 7/2010 27