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Cologne Conference<br />
„Supermarkt der Gefühle”<br />
VON WILFRIED URBE<br />
uch dieses Jahr hatten die Kölner Recher-<br />
Acheure Sendungen, Filme, <strong>Dokument</strong>ationen,<br />
Shows – insgesamt rund 800 Produktionen<br />
– aus den wichtigsten Fernsehmärkten der<br />
Welt gesichtet. Die Perlen gab es in der Domstadt<br />
zu sehen, etwa mit der Mocumentary<br />
„Execution of Gary Glitter“ oder der <strong>Dokument</strong>ation<br />
„America’s Medicated Kids“, über die fast<br />
schon alltägliche Verabreichung von Psychopharmaka<br />
an Kinder.<br />
5.000 Besucher zählten die Veranstalter und<br />
Festivaldirektorin Martina Richter für die Vorführungen<br />
im September. Besonderes Interesse fanden<br />
dabei die Kinoreihe und die Show-Cases.<br />
Die gesteigerte Attraktivität erklären sich die Festivalorganisatoren<br />
auch mit dem stärkeren<br />
Event-Charakter der Cologne Conference:<br />
mit Stars und Machern wie<br />
beispielsweise David Lynch, Christoph<br />
Maria Herbst oder Christian Ulmen.<br />
Ein Höhepunkt war die Vorführung<br />
des ersten Teils der zweiten Staffel von<br />
„Mad Men“. Die US-Kultserie ist bereits<br />
vielfach ausgezeichnet, und auch<br />
in Köln konnten die beiden Hauptdarsteller<br />
Elisabeth Moss und John Hamm<br />
einen Preis, den Hollywood Reporter<br />
Award, entgegennehmen. In Deutschland<br />
ist die Serie im Oktober auf<br />
ZDFneo gestartet. Der Sender konnte<br />
dadurch für diesen Monat seinen<br />
Marktanteil von 0,3 auf 0,7 Prozent<br />
steigern.<br />
Parallel zum Festivalprogramm<br />
versammelte sich die Fachwelt auf den<br />
lectures. Hier gab unter anderem David<br />
Simon Einblicke in seine Arbeit. Der Produzent<br />
und Autor von „The Wire“ – eine Reihe<br />
über Drogenkriminalität in Baltimore, die von<br />
Kritikern <strong>als</strong> „beste Serie der Welt“ gelobt wurde<br />
– stellte auf der Cologne Conference seine<br />
neue Arbeit „Tremé“ vor. Die Serie schildert die<br />
Musikszene im gleichnamigen Stadtteil von New<br />
Orleans.<br />
Simon erklärte, dass ihn bei all seinen Arbeiten<br />
die Frage nach dem „Warum?“ interessiert.<br />
„Das ist eigentlich ein journalistischer Ansatz“,<br />
bekannte der ehemalige Polizeireporter,<br />
der das kommerzielle Fernsehen in die Kritik<br />
nahm: „Alle zwölf Minuten muss man die Leute<br />
zurückholen, und später wieder reinholen.<br />
Wie kann man eine Geschichte unter solchen<br />
Gesichtspunkten erzählen? Wie bleibt man in<br />
einer Geschichte, wenn man alle zwölf Minuten<br />
aufgerufen wird, etwas zu kaufen?“<br />
Das Thema Zuschauerbindung wurde dann<br />
auch im Rahmen einer Diskussionsrunde über<br />
langlaufende Serien im deutschen Fernsehen<br />
diskutiert. Dennis Eick, Autor und Gastprofessor<br />
an der HFF Potsdam, machte klar, wie wichtig<br />
eigenproduzierte Serien im deutschen Fernsehen<br />
sind: Bei der ARD kommen im aktuellen<br />
Jahr 21 Serien zum Einsatz, beim ZDF 27, bei<br />
RTL sieben, auf Sat.1 sechs Serien und bei Pro-<br />
Sieben nur eine, aber mit „Stromberg“ sehr erfolgreiche<br />
Serie.<br />
Der Gastprofessor wies darauf hin, dass Zuschauer<br />
Serien <strong>als</strong> „leichte Kost“ konsumieren<br />
möchten: unter anderem <strong>als</strong> Suggestion der<br />
Wirklichkeit, die Identifikationsmöglichkeiten<br />
bietet oder aber auch <strong>als</strong> Flucht aus dem Alltag:<br />
„Serien sind die mediale Triebbefriedigung<br />
durch den Supermarkt der Gefühle.“<br />
Gebhard Henke, der Leiter des Programmbereichs<br />
Fernsehfilm, Kino und Serie beim WDR,<br />
erinnerte sich in der anschließenden Diskussionsrunde<br />
an die Einführung der „Lindenstraße“ vor<br />
rund 25 Jahren: „Das war schon eine Revolution.<br />
Jede Woche eine Folge? Wie sollte das<br />
funktionieren? Die Lindenstraße kam aus der<br />
Tradition des Fernsehspiels, wurde aber zu Beginn<br />
<strong>als</strong> Untergang des Abendlandes dargestellt.“<br />
Den lang andauernden Erfolg führte Henke<br />
auf die Thematisierung aktueller gesellschaft-<br />
Interview mit David Lynch<br />
Treue zur Idee<br />
eim Film- und Fernsehfestival Cologne Con-<br />
Bference hat David Lynch den Filmpreis Köln<br />
erhalten, der von der <strong>Filmstiftung</strong> NRW und der<br />
Stadt Köln vergeben wird. Im Interview mit Wilfried<br />
Urbe spricht Lynch über die aktuelle Mediensituation<br />
und sein neues Projekt.<br />
Bei der ersten Cologne Conference<br />
1991 hatte ihre Serie „Twin<br />
Peaks“ in Deutschland Premiere.<br />
Was hat sich seitdem im Fernsehen<br />
verändert?<br />
Durch die Einführung des werbefreien<br />
Fernsehens in den USA ist der Freiraum für gute<br />
Geschichten gewachsen. Auch Serien mit<br />
einer durchgehenden Handlung, die ich besonders<br />
gerne mag, können nun besser erzählt<br />
werden. Vor einiger Zeit hatten die Studios<br />
noch Vorbehalte gegen solche Serien. Sie<br />
glaubten, es wäre für die Zuschauer zu kompliziert,<br />
jede Woche den Teil einer Geschichte<br />
mitzuverfolgen. Sie fürchteten, dass das Publikum,<br />
hätte es eine Folge verpasst, danach<br />
gar nicht mehr einschalten würde. Heute, mit<br />
dem Internet und allen anderen Möglichkeiten,<br />
gibt es diese Probleme nicht mehr.<br />
licher Entwicklungen zurück. Eine der besten<br />
Nachrichten für die Cologne Conference erhielten<br />
die Macher des Festiv<strong>als</strong> übrigens direkt zur<br />
Eröffnung der Veranstaltung: „Wir werden das<br />
Fernsehfestival auch in Zukunft fördern, weil wir<br />
Werden die neuen Medien<br />
und technischen Innovationen zukünftig<br />
nicht sowieso Seh- und<br />
Konsumverhalten des TV-Publikums<br />
verändern?<br />
Es ist immer eine Frage der Geschichte<br />
und wie die Geschichte erzählt wird. Das Medium<br />
spielt nicht wirklich eine Rolle – gleichgültig<br />
ob über Video, Internet oder mobile Anwendungen.<br />
Auch stereoskopisches 3D ist nur<br />
ein Trick, ein Element. Es wird die Geschichte<br />
nicht besser machen. Ich glaube 3D-Fernsehgeräte<br />
sind lediglich ein Vehikel für die Industrie,<br />
um mehr Geld zu verdienen.<br />
Was war für Sie das wichtigste<br />
Projekt in ihrer Karriere?<br />
Ich mag alles, was ich getan habe. Außer<br />
„Dune – Der Wüstenplanet“, da hatte ich<br />
nicht die Kontrolle über den Schnitt, und daher<br />
war es auch ein Misserfolg. Ein Regisseur<br />
braucht die Freiheit, das zu tun, was die Idee<br />
gebietet, dann sind die Voraussetzungen für<br />
einen Erfolg gegeben. Ich liebe alle meine Projekte,<br />
und ich liebte es, sie zu realisieren.<br />
Spielte es keine Rolle, ob Sie<br />
beispielsweise für das Fernsehen<br />
oder für das Kino gearbeitet haben?<br />
Nein. Als wir „Twin Peaks” machten, war<br />
es die gleiche Arbeit, <strong>als</strong> ob wir einen Kinofilm<br />
Das Ensemble der US-Kultserie „Mad Men“,<br />
Foto: www.amctv.com<br />
es brauchen – für die Branche und den Standort“,<br />
versprach NRW-Medienstaatssekretär Marc<br />
Jan Eumann.<br />
Großes Publikumsinteresse für den Altmeister<br />
David Lynch in der Domstadt, Foto: Cologne<br />
Conference / Martin Valentin Menke<br />
gemacht hätten. Allerdings sind die Werbepausen<br />
beim Fernsehen in gewisser Weise interessant.<br />
Alle acht bis zwölf Minuten gibt es eine<br />
Unterbrechung. Ein Kinofilm geht mindestens<br />
90 Minuten durch. Es ist sehr anspruchsvoll,<br />
den Zuschauer solange in seinen Bann zu<br />
ziehen. Je größer das Kino, je mehr Zuschauer<br />
– desto schwieriger wird es. Die Werbepausen<br />
im kommerziellen Fernsehen machen es<br />
wesentlich einfacher, das Publikum zu fesseln.<br />
Den Zuschauer zu fesseln ist<br />
<strong>als</strong>o aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung?<br />
Die grundsätzliche Herausforderung ist<br />
bei allen Projekten immer die, die eigenen<br />
Ideen zu übersetzen. Allein die Auswahl der<br />
Elemente dafür, der Umgang mit den vielen<br />
Menschen, die an der Umsetzung beteiligt<br />
sind, der finanzielle Druck der zusätzlich besteht<br />
– das ist regelmäßig die große Herausforderung.<br />
Aber am Ende dieses Prozesses,<br />
wenn alles geklappt hat, entsteht eine Euphorie<br />
wie bei einer Rockband, die nach einem gelungenen<br />
Auftritt die Bühne verlässt.<br />
Haben Sie eine Art Rezept, mit<br />
der sie es schaffen, Ihre Ideen gut<br />
zu übersetzen?<br />
Die Regel ist: Bleibe Deiner Idee treu!<br />
Was drehen Sie zurzeit?<br />
Ich arbeite zurzeit an einer <strong>Dokument</strong>ation<br />
über Maharishi Yogi, den Begründer der<br />
Transzendentalen Meditation. Ich bin kein <strong>Dokument</strong>arfilmer,<br />
aber ich werde das angehen.<br />
Es ist so abstrakt und schwierig, etwa das Manifest<br />
des Unmanifesten zu visualisieren. Die<br />
Quantenphysik beschäftigt sich im Grunde mit<br />
demselben Thema. Computeranimierte Grafiken<br />
könnten da helfen. Es ist für mich weniger<br />
eine wissenschaftliche Abhandlung, es<br />
ist mehr eine Angelegenheit des Gefühls. Aber<br />
es sollte schon auf einer großen Leinwand<br />
stattfinden.<br />
Meldungen – newsletter 7/2010 9