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TV-Messe in Cannes: deutsches Fernsehen<br />

international erfolgreich, Foto: Tanja Güß<br />

o Uniformen und Rangabzeichen das<br />

WBild bevölkern, da fällt auf, dass die<br />

Bundeswehr in dieser Genealogie eine Leerstelle<br />

bildet. Der Film hat um die Erben von<br />

Reichswehr und Wehrmacht lange Zeit einen<br />

weiten Bogen geschlagen. Der vielzitierte<br />

„Bürger in Uniform“ war offenbar nicht interessant<br />

genug, um zum Helden, zum Schurken<br />

oder wenigstens zum Hauptdarsteller in<br />

einem Kino- oder Fernsehfilm zu taugen. Die<br />

Bundeswehr hielt eine halbe Million Menschen<br />

unter Waffen und hat viele kleine Skandale<br />

erlebt, aber sie blieb eine Angelegenheit,<br />

über die man am liebsten einen Mantel des<br />

Schweigens breitete. Die Nationale Volksarmee<br />

dagegen hatte zwar ein eigenes Armeefilmstudio<br />

mit über 1.500 erhaltenen Filmen,<br />

doch der propagandistisch-pädagogische Anspruch<br />

der Partei scheint bei Titeln wie „Auf<br />

Wacht an der Staatsgrenze“ überdeutlich<br />

durch.<br />

Die Bundeswehr blieb in Spielfilmen aber<br />

auch unsichtbar, weil sie im Schatten einer übermächtigen<br />

Konkurrenz stand. Der Zweite Weltkrieg<br />

dominierte die kollektive Erinnerung, die<br />

Verarbeitung wie Verdrängung von Vergangenheit.<br />

Dabei waren es weniger vereinzelte deutsche<br />

Produktionen wie „Das Boot“ (1981) von<br />

Wolfgang Petersen oder frühe, pflichtschuldige<br />

Filme über die uniformierten Widerstandskämpfer<br />

des 20. Juli 1944, die das Bild vom<br />

deutschen Soldaten und vom Krieg bestimmten.<br />

Viel typischer waren internationale Kriegsfilm-Produktionen<br />

wie Sam Peckinpahs „Steiner<br />

– das eiserne Kreuz“ (1977) oder Richard Attenboroughs<br />

„Die Brücke von Arnheim“ (1977).<br />

Während die Bundeswehr friedlich in ihren<br />

Kasernen saß und am Wochenende Heimurlaub<br />

hatte, waren ihre Nato-Verbündeten schon in<br />

neue postkoloniale Kriege verwickelt. Kriege, die<br />

sich in der medialen Bewusstseinsproduktion<br />

niederschlugen. Über Titel wie „M.A.S.H.“ (1970)<br />

oder „Apokalypse Now“ (1979) haben sich Krie-<br />

10<br />

Mipcom 2010<br />

USA <strong>als</strong><br />

Sahnehäubchen<br />

VON WILFRIED URBE<br />

V aus deutschen Landen ist international begehrt. Das hat auch<br />

Tdie größte Fernsehprogramm-Messe der Welt, die Mipcom in<br />

Cannes, gezeigt. An der Côte d’Azur stellten deutsche Produzenten<br />

„Laconia“ und „Hindenburg“ einem internationalen Publikum<br />

vor – in der Hoffnung, mit beiden „Event-Movies“ auch in den Vereinigten<br />

Staaten und Großbritannien einen Erfolg zu landen.<br />

„Zum ersten Mal seit Jahrzehnten hat es eine deutsch-englische<br />

Koproduktion gegeben“, freut sich Nico Hofmann. Als Produzent von<br />

„Laconia“ ist er mitverantwortlich für das 13 Millionen Euro teure Gemeinschaftsprojekt<br />

von ARD und BBC. Produziert wurde es hauptsächlich<br />

von der UFA-Tochter teamWorx. Geschäftsführer Hofmann<br />

glaubt: „Das ist ein Schritt in die englischsprachigen Länder.“ Die Geschichte<br />

um eine deutsche U-Boot-Besatzung, die Passagiere und<br />

Crew eines Schiffes retten, das sie selbst versenkt haben, ist zum ersten<br />

Mal direkt in englischer Sprache gedreht worden und bietet internationale<br />

Stars wie Ken Duken auf. Mit einem ähnlichen Rezept realisiert<br />

teamWorx auch den von der <strong>Filmstiftung</strong> NRW geförderten<br />

Zweiteiler „Hindenburg“ über die Zeppelin-Katastrophe: in Englisch<br />

und mit internationalen Stars, darunter Stacy Keach.<br />

Im deutschen Film spielte die Bundeswehr noch bis vor wenigen<br />

Jahren kaum eine Rolle. Das hat sich geändert. Anlässlich der TV-<br />

Premiere von „Neue Vahr Süd“ Anfang Dezember im Ersten versucht<br />

WDR-Redakteur Michael André eine Erklärung.<br />

Die Bundeswehr im Film<br />

Im Schatten<br />

der Wehrmacht<br />

ge weitab von Deutschland unauslöschlich ins<br />

filmische Gedächtnis eingefräst.<br />

„Endlich filmreif“, um einen Feuilletonisten<br />

der „Welt“ zu zitieren, wurde die Bundeswehr<br />

spät. Lange nach der deutschen Wiedervereinigung<br />

und dem Zusammenbruch der alten politischen<br />

Blöcke. Die Bundeswehr wird ein Teil<br />

der großen Welt-Gendarmerie, die im Auftrag<br />

von Uno und/oder<br />

Nato an Krisen- und<br />

Kriegsherden (fast) in<br />

aller Welt operiert.<br />

Wo die Gefahren<br />

und die Risiken mit<br />

jedem Einsatz wachsen,<br />

da rücken deutsche<br />

Soldaten und<br />

ihre Familien in den<br />

Fokus der Wahrnehmung.<br />

Ganz sachte<br />

näherte sich der Film<br />

dem Krieg. Im WDR-<br />

Kammerspiel „Auch<br />

Engel können sterben“ (1993) wird der bevorstehende<br />

Somalia-Einsatz daheim in der Etappe<br />

in direkte Kontinuität mit dem NS-Weltmachtwahn<br />

gebracht. Verhalten spekuliert der Film mit<br />

einer gesellschaftlichen Erschütterung durch den<br />

ersten Todesfall eines deutschen Soldaten. Aber<br />

der erhoffte Aufschrei blieb aus, und das allgemeine<br />

Unbehagen verlagerte sich zum Einzel-<br />

newsletter 7/2010 – Meldungen<br />

Der Filmproduzent und Rechtehändler Jan Mojto, der mit seiner<br />

Firmengruppe an beiden Produktionen mitwirkt, setzt besonders<br />

auf solche Themen: „Bestimmte Ereignisse der deutschen Geschichte<br />

lassen sich für das Fernsehen hervorragend dramatisieren.“<br />

Einer, der <strong>als</strong> Deutscher häufig mit Amerikanern zusammenarbeitet,<br />

ist der <strong>Dokument</strong>arfilmer Daniel Petry von context tv: „Wir<br />

verkaufen unsere <strong>Dokument</strong>ationen eher in die USA an National<br />

Geographic oder Discovery – etwa über das Wrack des gesunkenen<br />

Schlachtschiffs Bismarck oder über russische Atom-U-Boote.“<br />

Seine Geschäftspartner trifft er meistens auf internationalen Messen<br />

wie der Mipcom.<br />

Dass deutsches Fernsehen international mithalten kann, ist mittlerweile<br />

selbstverständlich. Einige „Event-Movies“ wurden bereits<br />

in über 100 Länder verkauft. Der englische Privatsender ITV kaufte<br />

sogar die Lizenz für die Show „Schlag den Raab“ und ließ sie in<br />

Köln produzieren. Auch die Nominierungen deutscher Beiträge für<br />

den International Emmy, die in Cannes bekannt gegeben wurden,<br />

sind ein weiterer Beleg.<br />

Dennoch: Sender in den USA oder England, die deutsche Produktionen<br />

zeigen, sind die Ausnahme. Die Sprachbarriere, aber auch<br />

die hohen Produktionskosten, die anfallen, um jenseits des Atlantiks<br />

erfolgreich zu sein, sind für deutsche Fernsehmacher eine kaum<br />

überwindbare Hürde. UFA-Chef Wolf Bauer bleibt skeptisch: „Der<br />

US-Markt funktioniert ganz anders. Die Amerikaner haben ihren<br />

eigenen Markt, der groß genug ist. Und alles andere ist für sie ‚rest<br />

of the world’.“ In seiner Sicht ist das aber für die deutsche Branche<br />

nicht problematisch: „Es gibt 180 Märkte weltweit, da brauchen<br />

wir die Vereinigten Staaten nicht. Für uns sind die USA das<br />

Sahnhäubchen.“<br />

schicksal. Der Sympathie gewiss sein kann der<br />

idealistische Soldat, der in „Willkommen zu Hause“<br />

(2008) aus Afghanistan <strong>als</strong> Opfergestalt<br />

heimkehrt. Peter Keglevics „Kongo“ (2010)<br />

schließlich ist ein klassischer Kriegsfilm. Deutsche<br />

Soldaten werden in Schwarzafrika zum Mörder<br />

an einem Einheimischen. Deutsche <strong>als</strong> Täter oder<br />

Mitwisser, die wie in einem klassischen Ermittlerkrimi<br />

von einer unbestechlichen Militärpolizistin<br />

überführt werden. Die Steigerungsstufen<br />

an dramatischer, individuell schuldhafter Verstrickung<br />

über die Jahre hinweg sind unübersehbar.<br />

Aber die rasante Transformation der Bundeswehr<br />

zu einer Armee neuen Typs eröffnet auch<br />

die Chance, mit gebührendem Abstand einen<br />

Blick der Erkenntnis zu gewinnen. In „Neue Vahr<br />

Süd“ (2010), entstanden nach Sven Regeners<br />

gleichnamigen Erfolgsroman aus dem Jahr<br />

2003, bieten sich Einsichten in zwei geschlossene<br />

Welten der frühen 80er Jahre: Hier die Rekruten-Welt<br />

der Niedersachsen-Kaserne, dort die<br />

Welt der Wohngemeinschaften und der K-Gruppen.<br />

Die linksradikale Szene in Bremen und anderswo<br />

ist längst Geschichte, doch mit der „Aussetzung<br />

der Wehrpflicht“ wird auch die Bundeswehr<br />

in ihrer klassischen Rolle selbst historisch.<br />

So ist die Geschichte des Frank Lehmann auch<br />

ein Nachruf auf hehre Ideen wie die „innere Führung“,<br />

die sich beim Praxistest stets blamiert hat.<br />

Anders <strong>als</strong> Leander Haussmann in „NVA“<br />

(2005) kommt Hermine Huntgeburth in ihrem<br />

Film mit mildem Spott auf WG und Bundeswehr<br />

aus. Hier muss eine Komödie nicht auch noch<br />

herhalten, um – wie bei „NVA“ – ein abgewirtschaftetes<br />

und unglaubwürdiges System namens<br />

DDR mit einem pointierten Tritt ins Grab zu befördern.<br />

Selbst in der Abwicklung ihrer Armee-<br />

Geschichten offenbaren Ost und West noch auffällige<br />

Unterschiede.<br />

Frederick Lau <strong>als</strong> Frank Lehmann in „Neue Vahr Süd“:<br />

der ARD sicherte er am 2. Dezember eine Quote von<br />

11,2% bei den 14-49 Jährigen, Foto: WDR/Thomas Kost

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