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Bewährte wege - Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien

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Von wiEn nach <strong>Wien</strong><br />

2 Essay<br />

wien bedeutet gut vierhundert Quadratkilometer stadt für über eineinhalb Millionen städter. wien bedeutet<br />

aber auch ein paar tausend stammplätze, die vom Kaffeehausober mit den worten „da sitzt schon jemand“<br />

auch dann verteidigt werden, wenn dieser Jemand nicht da sitzt.<br />

Von wiEn nach <strong>Wien</strong><br />

hundertdreiunddreißig Kilometer stadtgrenze zeichnen wiens Konturen nach, dazu kommen Grenzen zwi-<br />

schen den Bezirken, in denen sich wiederum kleinere Lebensräume als Grätzel zwar nur noch beiläufig<br />

voneinander abgrenzen, aber in ihrer Eigenart unverkennbar sind. das Grätzel, in dem ich wohne, heißt servitenviertel.<br />

Es gibt hier eine servitenkirche und ein servitenkloster, aber keine serviten mehr. auch in wien ist<br />

Tradition über Jahrhunderte hinweg kein Garant für urbane unsterblichkeit. die Greißler meiner studentenzeit<br />

sind weg, die Bäcker und fleischhauer auch – aber es gibt seit ein paar Jahren ein kleines feinkostgeschäft<br />

als attraktive alternative zu den filialen großer handelsketten. alles in allem ist dieses stück wien sehr lebendig<br />

geblieben, wirtschaftlich und kulturell angenehm durchmischt. was der Mensch so braucht, ist nur<br />

ein paar schritte entfernt, und diese nützliche nähe findet sich auch zwischen den Menschen. Man kennt<br />

einander gut oder nicht so gut, oder wenigstens vom sehen. doch dieses urbane Biotop ist nicht selbstverständlich,<br />

und sein labiles Gleichgewicht ist anfällig gegen störungen aller art. auch in meinem Grätzel gibt<br />

es dumme Gleichgültigkeit, Leerräume, die mangels ideen keine freiräume sind, dekor statt profil, Kulisse<br />

statt substanz. aber ich will mich nicht beklagen: anderswo hat wien schon viel mehr farben verschenkt,<br />

verloren, an die Meistbietenden verkauft.<br />

dennoch ist diese stadt in ihrer Gesamtheit, der sich ständig wandelnden zusammenschau ihrer vielen<br />

kleinen Lebenswelten, weit davon entfernt, sich in konturlosem Grau zu verlieren. na klar, könnte man mei-<br />

nen: zwischen den polen stephansturm und schönbrunn erweist sich der Glanz von gestern eben als un-<br />

verwüstlich, bewährt es sich nach wie vor, beharrlich rückwärtsgewandt nach vorne zu blicken. so gesehen<br />

wäre wien ein freilichtmuseum mit modernen zubauten, und die wiener wären hauptberuflich statisten – mit<br />

irgend welchen halbwegs zeitgerechten nebenberufen. dieses selbstverständnis mag durchaus vermark-<br />

tungsfähig sein. Lebenswert ist es nicht. Ein anderer Blick auf das wesen der stadt ersetzt ein Bild durch<br />

viele Bilder, solche, die sich verändern, ihren ursprüngen dabei aber nicht gänzlich fremd werden. das liegt<br />

an einer merkwürdig sprunghaften Entwicklung, geplant oder auch der Kraft des faktischen folgend. durch<br />

Jahrhunderte war die glänzende residenzstadt wien eine kleine stadt, dicht gedrängt zwischen festungs-<br />

mauern, umgeben von dörfern. als die schleifung der wehrbauten möglich und dringend geboten war, wur-<br />

de das ländliche umfeld zur Vorstadt, zur inneren und äußeren Vorstadt, durch den Linienwall und später den<br />

Gürtel getrennt, zur Vorstadt auch diesseits und jenseits der donau. Geplante stadterweiterungen ergänzten<br />

die gewachsene Vielfalt. wien versammelt also Lebenswelten, die sehr viel zeit hatten, sich eigenständig zu<br />

entwickeln, so wie es der Landschaft und den wirtschaftlichen Möglichkeiten entsprach. als dann die stadt<br />

und ihr eingemeindetes umfeld in eine intensivere Beziehung traten, gerieten die alten prägungen zwar in<br />

den hintergrund, blieben dort aber bestehen und sind bis heute erkennbar. dieses bunte und vielschichtige

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