07.10.2013 Aufrufe

Dialog 20.indb - Stiftung Demokratie Saarland

Dialog 20.indb - Stiftung Demokratie Saarland

Dialog 20.indb - Stiftung Demokratie Saarland

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Christine Landfried 13<br />

<strong>Demokratie</strong> und Vernunft<br />

Beim Lesen des Titels denkt man an einen Druckfehler. Was hat <strong>Demokratie</strong><br />

mit Vernunft zu tun? Ist es nicht so, dass in einer <strong>Demokratie</strong> der Wille des<br />

Volkes zählt, sei er nun vernünft ig oder nicht? Sind die Entscheidungen nicht<br />

einfach deshalb für alle verbindlich, weil sie nach demokratischen Verfahren<br />

zustande gekommen sind? Und doch erwarten die Bürger zu Recht von ihren<br />

gewählten Vertretern angemessene Diagnosen der Probleme und erfolgversprechende<br />

Konzepte für die Gestaltung der nationalen und internationalen<br />

Politik.<br />

Es ist die Hypothese meines Beitrages, dass sich die gegenwärtige Krise der<br />

repräsentativen <strong>Demokratie</strong> mit dem Misstrauen der Bürger in die Vernünftigkeit<br />

politischer Entscheidungen erklären lässt. Die Bürger sind immer seltener<br />

davon überzeugt, dass es im politischen Prozess um vernünft ige Lösungen<br />

gesellschaft licher Probleme geht. Die Mitglieder von Parlamenten und Regierungen<br />

gelten als abgehoben und vorwiegend den eigenen Interessen oder<br />

den Parteiinteressen verpfl ichtet. Die Bindungen zwischen Bürgern und ihren<br />

Repräsentanten nehmen ab. Das ist nicht nur ein Problem der nationalen Politik.<br />

In dem Maße, in dem die Bindungen der Bürger zu den Repräsentanten<br />

und den nationalen Institutionen abnehmen, werden auch die Spielräume für<br />

unpopuläre Entscheidungen in internationalen Institutionen enger. 1 Es ist daher<br />

eine gute Nachricht, dass die Bürger neue Beteiligungsmöglichkeiten 2 und<br />

Debatten fordern, in denen die Repräsentanten sich mit den Argumenten der<br />

Repräsentierten auseinandersetzen müssen.<br />

In der deliberativen <strong>Demokratie</strong>theorie spielt der vermutete Zusammenhang<br />

zwischen der Partizipation gleicher und freier Bürger einerseits und der Vernünft<br />

igkeit kollektiv verbindlicher Entscheidungen andererseits eine große<br />

Rolle. Es wird angenommen, dass mit demokratischen Verfahren besser als<br />

mit anderen Verfahren vernünft ige Lösungen gesellschaft licher Probleme zu<br />

erreichen sind. Wurde bisher kritisiert, dass dieser demokratietheoretische<br />

Ansatz sehr hohe und vielleicht zu hohe Anforderungen an die Partizipati-<br />

1 Michael Zürn, Martin Binder, Matthias Ecker-Ehrhardt, Katrin Radtke, Politische Ordnungsbildung<br />

wider Willen. In: Zeitschrift für internationale Beziehungen 14 (2007), S. 129 – 164,<br />

hier S.153, Fußnote 34.<br />

2 Dieter Rucht, Engagement im Wandel. Politische Partizipation in Deutschland, WZB Brief<br />

Zivilengagement, Mai 2010.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!