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Dialog 20.indb - Stiftung Demokratie Saarland

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Was ist <strong>Demokratie</strong>?<br />

wurde dies von den Menschen als Zumutung empfunden, die sich von nun an<br />

weniger als Untertanen denn als Bürger betrachteten.<br />

Der Zusammenhang zwischen <strong>Demokratie</strong> und Nation ist kein normativ<br />

zwingender, sondern ein empirischer. Die normative <strong>Demokratie</strong>vorstellung<br />

setzt anstelle der Nation (oder eines anderen vorgängigen Bindungsprinzips)<br />

die Idee der Bürgerschaft . Zugehörigkeit gründet danach auf dem Bekenntnis<br />

zu gemeinsam geteilten Werten und Verfahrensregeln und beschreibt eine Gemeinschaft<br />

, in der sich die Einzelnen als Freie und Gleiche begegnen. Tatsächlich<br />

ist dieses bürgerschaft liche Staatsverständnis durch den Nationsgedanken<br />

jedoch durchweg überlagert worden, der die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft<br />

an ethnischen oder kulturellen Merkmalen festmacht. Eine exakte Trennlinie<br />

lässt sich dabei nicht immer ziehen. Einerseits sind die demokratischen Werte<br />

– wie gesehen – selbst kulturell vermittelt und herkunft sabhängig; andererseits<br />

gewinnen Nationsmerkmale wie eine gemeinsame Sprache auch in prozeduraler<br />

Hinsicht Bedeutung, indem sie die – in der <strong>Demokratie</strong> unverzichtbare<br />

– Herstellung von Öff entlichkeit ermöglichen.<br />

Die Funktion der Nation als Garant einer solidaritätsstift enden staatsbürgerlichen<br />

Identität schließt nicht aus, dass es auch in multinationalen oder<br />

ethnisch-kulturell heterogenen Staaten funktionierende <strong>Demokratie</strong>n geben<br />

kann (Linz 1999). Die Herausforderungen und Ansprüche an die institutionelle<br />

Gestaltung sind hier allerdings deutlich höher. Sie manifestieren sich<br />

z.B. in der Einschränkung des Mehrheitsprinzips, dem Festschreiben von<br />

Proporzregeln und sonstigen Formen des Minderheitenschutzes, die der Gefahr<br />

einer Aufl ösung des Staatsverbandes begegnen sollen (Dahl 1989: 254<br />

ff .). Als gelungenes Beispiel könnte man hier die Schweiz nennen, während<br />

der Zusammenhalt der Mehrnationenstaaten Kanadas, Belgiens und Großbritanniens<br />

zuletzt immer prekärer geworden ist. Vollends fragwürdig mutet die<br />

Vorstellung einer über die Nationsbildung zu befördernden Demokratisierung<br />

für ein Gebilde wie die Europäische Union an. Ein Verbund aus 27 nationalen<br />

Einzelstaaten mit je eigener Tradition und Geschichte, dem es an fast allen<br />

Merkmalen einer politischen und kulturellen Gemeinschaft gebricht, lässt sich<br />

Europa in Begriff en von „Staat“ und „Nation“ nicht beschreiben. Auch wenn<br />

eine demokratische Fortentwicklung ihrer Institutionen möglich bleibt, wird<br />

die supranationale EU als politisches System deshalb immer einen anderen<br />

Charakter behalten als die gewachsenen <strong>Demokratie</strong>n der Nationalstaaten<br />

(Decker 2000: 599 ff .).

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