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Dialog 20.indb - Stiftung Demokratie Saarland

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Was ist <strong>Demokratie</strong>?<br />

plebiszitären Prinzips stehen insofern in einer Austauschbeziehung (Fraenkel<br />

1974: 150 f.).<br />

Richtet man den Blick auf die konstitutionellen Formen, sind neben der<br />

Direktwahl von Amtsträgern vor allem die plebiszitären Sachentscheidungen<br />

anzusprechen. In der Literatur fi ndet man häufi g die Feststellung, diese<br />

stünden zum repräsentativen Grundprinzip in einem Ergänzungsverhältnis.<br />

Dabei wird allerdings zweierlei übersehen: Erstens kann von den plebiszitären<br />

Elementen ein nachhaltiger Einfl uss auf die Funktionslogik des gesamten<br />

Regierungssystems ausgehen, der über einen bloß ergänzenden Charakter hinausweist.<br />

Das naheliegende Beispiel ist die insofern zu Recht als „halbdirekte“<br />

<strong>Demokratie</strong> apostrophierte Schweiz. Und zweitens wird auch eine Sachentscheidung<br />

des Volkes immer stellvertretend für jene getroff en, die daran<br />

nicht teilnehmen wollen, dürfen oder können. Zu den beiden letztgenannten<br />

Gruppen gehören z.B. Kinder oder die Angehörigen künft iger Generationen.<br />

Die plebiszitäre <strong>Demokratie</strong> stellt so betrachtet nur eine Variante der repräsentativen<br />

<strong>Demokratie</strong> dar, bei denen die Gesetzgebung nicht den gewählten<br />

Vertretern, sondern den Wählern selbst obliegt (Steff ani 1999: 774).<br />

Wie fragwürdig die begriffl iche Entgegensetzung letzten Endes ist, zeigt ein<br />

Vergleich der plebiszitären Entscheidungsverfahren mit den repräsentativen<br />

Institutionen der Parteiendemokratie. Volksentscheidungen sind stets auf bestimmte<br />

Sachfragen gerichtet und unterliegen dabei einem geregelten, sich<br />

zumeist über einen längeren Zeitraum erstreckenden Verfahren. Dieses gibt<br />

der Deliberation Raum und schafft einen Ausgleich dafür, dass die Bürger für<br />

ihre Beschlüsse mangels Abwahlmöglichkeit nicht zur Verantwortung gezogen<br />

werden können. Insofern entsprechen die Sachabstimmungen trotz ihres<br />

plebiszitären Charakters dem Grundgedanken der Repräsentation. In der<br />

Sphäre der elektoralen Politik, die der Parteienwettbewerb umfasst, kann sich<br />

das plebiszitäre Moment demgegenüber sehr viel breiter entfalten. Dass die<br />

plebiszitären Tendenzen hier tatsächlich im Vormarsch sind, liegt in der nachlassenden<br />

Repräsentativität der Parteiensysteme begründet. Standen die Parteien<br />

in der Vergangenheit für die Wert- und Interessenlagen ganz bestimmter<br />

Bevölkerungsgruppen, auf deren Unterstützung sie sich bei entsprechender<br />

Pfl ege relativ sicher verlassen konnten, so müssen sie heute um eine zunehmend<br />

wechselbereiter werdende Wählerschaft buhlen, die sich bei der Stimmabgabe<br />

nicht mehr an soziologische oder ideologische Gewissheiten gebunden<br />

fühlt. Für die politischen Akteure lohnt es sich deshalb, das plebiszitäre Ele-

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