Dialog 20.indb - Stiftung Demokratie Saarland
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Was ist <strong>Demokratie</strong>?<br />
jener Grenze, die früher die weströmische von der oströmischen (byzantinischen)<br />
Kirche getrennt hat und bildet insofern gleichermaßen eine politischkulturelle<br />
bzw. zivilisatorische Einheit.<br />
Es ist auff ällig, dass diese Grenze heute praktisch die Scheidelinie bildet zwischen<br />
den neuen, inzwischen konsolidierten <strong>Demokratie</strong>n der mittel- und osteuropäischen<br />
Länder, die der Europäischen Union 2004 beigetreten sind, und<br />
den Autokratien Russlands und der Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Dies<br />
unterstreicht die Bedeutung des Faktors Kultur. Diejenigen Länder und Regionen,<br />
die unter dem Einfl uss des orthodoxen Christentums standen oder stehen,<br />
haben es bislang nicht vermocht, stabile verfassungsstaatliche <strong>Demokratie</strong>n<br />
auszubilden. Eine Ausnahme hiervon machen lediglich die beiden Nachzügler<br />
der Osterweiterung – Bulgarien und Rumänien – und das seit 1981 zur<br />
EU gehörende Griechenland, die in ihrer <strong>Demokratie</strong>qualität aber ebenfalls<br />
schlechter bewertet werden als die anderen europäischen Länder (s.u.)<br />
In kultureller Hinsicht könnte man den Westen also als Einfl uss- und Herrschaft<br />
sbereich der christlich-jüdischen Zivilisation (ohne die Orthodoxie) bezeichnen.<br />
Diese stellte den Nährboden für die neuzeitliche Aufk lärung des 18.<br />
Jahrhunderts dar, mit der sie eine Synthese einging und damit die Grundlagen<br />
für die Entstehung des Verfassungsstaates und dessen allmähliche Demokratisierung<br />
schuf (Hempfer / Schwan 1987). Der Einfl ussbereich des kulturellen<br />
Westens blieb in der Folge nicht auf den geografi schen Westen begrenzt.<br />
Durch Auswanderung, Kolonialisierung oder Rezeption wurde er auch auf<br />
nicht-westliche Regionen ausgedehnt, wobei es entweder zur vollständigen<br />
kulturellen Hegemonie (Neuseeland, Australien) oder zu einer erfolgreichen<br />
Verbindung mit den einheimischen Kulturen kam. Beispiele für letzteres sind<br />
Japan, Indien und die Türkei, die auch ohne christlichen Hintergrund halbwegs<br />
stabile <strong>Demokratie</strong>n herausbilden konnten, indem sie zentrale Elemente<br />
des westlichen Verfassungsmodells für ihre eigene Kultur übernahmen. Ähnliches<br />
gilt für Südafrika, wo die Überwindung des Apartheid-Regimes vorgezeichnet<br />
war, weil sie den von den weißen Einwanderern selbst mit gebrachten<br />
Regierungsprinzipen widersprach. Umgekehrt zeigen die noch junge autoritäre<br />
Vergangenheit Deutschlands, Italiens, Spaniens und anderer vom Christentum<br />
geprägter europäischer Staaten sowie die notorische Instabilität der<br />
politischen Systeme in Lateinamerika, dass die christlich-jüdische Zivilisation<br />
allein noch nicht ausreicht, um das Gelingen und Überleben der <strong>Demokratie</strong><br />
zu garantieren.