Dialog 20.indb - Stiftung Demokratie Saarland
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Was ist <strong>Demokratie</strong>?<br />
Zusammensetzung notwendig diff erenziertes – Parlament. Der Antipluralismus<br />
der Rousseau‘schen Identitätstheorie ist zu Recht verurteilt worden. Er<br />
trägt dem Philosophen bis heute den Vorwurf eines Wegbereiters der Diktatur<br />
ein. Dabei wird übersehen, dass die – aus der Anschauung des englischen Parlamentarismus<br />
gewonnene – Kritik des Repräsentationsprinzips als „ideologische<br />
Verbrämung einer volksfeindlichen Oligarchie“ zu ihrer Zeit durchaus<br />
berechtigt war (Fraenkel 1974: 116 f.). Indem Rousseau den repräsentativen<br />
Charakter des englischen Parlaments in Abrede stellte, wandte er sich also<br />
nicht gegen das Prinzip also solches, sondern nur gegen dessen faktische Entartung.<br />
Damit war eine wichtige Voraussetzung geschaff en, um die Demokratisierung<br />
des parlamentarischen Systems voranzutreiben.<br />
Bei der Betrachtung des Repräsentationsprinzips lassen sich mehrere Bedeutungsebenen<br />
unterscheiden (Pitkin 1967). Zunächst einmal meint Repräsentation,<br />
dass die Repräsentanten autorisiert sind, für das Volk zu handeln. Damit<br />
verbindet sich einerseits eine Pfl icht, zum anderen müssen die Urheber sich die<br />
Handlungen zurechnen lassen und für diese die Verantwortung übernehmen<br />
(formale Repräsentation). Zweitens besagt der Begriff , dass die Regierenden<br />
in ihren Eigenschaft en ein möglichst getreues Abbild der Regierten darstellen.<br />
Zugrunde gelegt werden können dabei sozialstrukturelle Merkmale wie<br />
regionale Herkunft , Alter, Geschlecht, Schichtzugehörigkeit usw., aber auch<br />
Einstellungen und politische Überzeugungen (deskriptive Repräsentation). Als<br />
häufi g vernachlässigte Bedeutung nennt Pitkin drittens die Repräsentation<br />
vermittels von Symbolen. Sie hebt die Politik über ein ausschließlich sachbezogenes<br />
Geschehen hinaus. In diesem Sinne erfüllt z.B. das Staatsoberhaupt<br />
eine die Einheit des Landes oder der Nation verkörpernde „repräsentative“<br />
Funktion (symbolische Repräsentation). Viertens bezieht sich der Begriff auf<br />
die Handlungen selbst, also darauf, was die Repräsentanten tun und wie sie es<br />
tun (substanzielle Repräsentation).<br />
Zusammengefasst werden können die vier Bedeutungsebenen im Begriff der<br />
Responsivität, der auch für Pitkin ein Schlüsselbegriff der <strong>Demokratie</strong>theorie<br />
ist. Gute Repräsentation heißt danach, dass die Repräsentanten im Interesse<br />
der Repräsentierten handeln und deren Wünschen soweit als möglich entsprechen.<br />
Geraten sie mit ihren Wählern in Konfl ikt, weil sie den Wünschen nicht<br />
entsprechen, müssen sie erklären, warum ihr Handeln dennoch im besten Interesse<br />
der Wähler ist (Pitkin 1967: 209 f.). Es liegt auf der Hand, dass sich im<br />
Rahmen einer solchen Vorschrift ein breites Spektrum von Handlungsweisen