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Mitteilungen der Gesellschaft für Buchforschung in Österreich 2006-1

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MITTEILUNGEN BUCHFORSCHUNG <strong>2006</strong>-1<br />

REZENSIONEN<br />

waren Lektoren damals wie heute. Klare Anfor<strong>der</strong>ungsprofile gibt es nach wie<br />

vor nicht. Doch galten zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts eigene literarische<br />

Erfahrung und die damit verbundene E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> die schwierigen ökonomischen<br />

Verhältnisse des Schriftstellerdase<strong>in</strong>s als Idealvoraussetzungen <strong>für</strong> e<strong>in</strong>e Stelle als<br />

Lektor, hat sich diese Ansicht spätestens mit Peter Suhrkamp radikal verän<strong>der</strong>t.<br />

Schon bald sah man <strong>in</strong> Schriftstellern schon deshalb nicht mehr ideale Lektoren,<br />

weil man ihnen nicht zutraute, genug Abstand vom eigenen Schaffen zu halten<br />

und den Blick auf grundsätzlich an<strong>der</strong>e Stile und Richtungen zu lenken.<br />

Als die devoten Zeiten, <strong>in</strong> denen im Verlag leise gesprochen wurde, wenn e<strong>in</strong>e<br />

„verehrungswürdige und verehrungsbedürftige Person“, also e<strong>in</strong> Autor, den<br />

Raum betrat, und man „im Spitzen des Bleistifts e<strong>in</strong>en Beitrag zur Literaturgeschichte“<br />

1 sah, vorbei waren, begannen die Lektoren mit dem Kern ihrer Arbeit,<br />

<strong>der</strong> Arbeit am Text. Diese hat sich – sieht man von den technischen Voraussetzungen<br />

und Möglichkeiten e<strong>in</strong>mal ab – bis heute nicht wesentlich verän<strong>der</strong>t.<br />

Sehr stark verän<strong>der</strong>t haben sich h<strong>in</strong>gegen die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>für</strong> Verlage. Nicht ohne Auswirkungen: Im<br />

Mittelpunkt <strong>der</strong> angesehenen Literaturverlage <strong>der</strong> Nachkriegsjahrzehnte standen<br />

die Pflege <strong>der</strong> Autoren und ihres Werkes und die Komposition stimmiger Verlagsprogramme.<br />

Diese absolute Innensicht wurde freilich im Zeitalter von Market<strong>in</strong>gkonzepten<br />

und Corporate Identity zum<strong>in</strong>dest teilweise von an<strong>der</strong>en<br />

bestimmenden Faktoren (Kundenorientierung, saisonale Trends, etc.) abgelöst,<br />

was den Lektor (und Siblewski beschäftigt sich ausschließlich und ausdrücklich<br />

mit dem Literaturlektor) immer mehr h<strong>in</strong> zum Produktmanagement und weg<br />

vom Text rückt.<br />

Die Tätigkeitsbeschreibung e<strong>in</strong>es Lektors, die geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> bekannt zu se<strong>in</strong><br />

sche<strong>in</strong>t (Begutachtung/Annahme/Ablehnung von Manuskripten, Vertragsverhandlungen,<br />

Akquisition von Autoren/Themen, Redaktion, Druckvorbereitung,<br />

Brief<strong>in</strong>g <strong>für</strong> Kollegen, Erstellen von Klappen- und Vorschautexten), vernachlässigt<br />

<strong>für</strong> Siblewski zwei beson<strong>der</strong>s wichtige Aspekte: die Zusammenarbeit<br />

mit dem Autor (<strong>der</strong> Lektor als Psychologe, als Gewissen, als Stütze, als<br />

Freund) und den Lektor als Schreiber.<br />

Wie sich die Beziehung zu e<strong>in</strong>em Autor gestalten, vertiefen, verän<strong>der</strong>n kann,<br />

erzählt Siblewski sehr anschaulich und persönlich am Beispiel se<strong>in</strong>er Zusammenarbeit<br />

und Verbundenheit mit Ernst Jandl. Siblewskis Schil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

2 Siblewski, Die diskreten Kritiker, S. 32/33.<br />

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