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Contergan oder die Macht der Arzneimittelkonzerne - Sternentaler

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Lassen Sie sich nicht dazu bringen, anstatt Kevadon ein Programm <strong>der</strong> klinischen<br />

Grundlagenforschung [!] zu verkaufen. Appelieren Sie an das Selbstbewußtsein des Arztes- wir halten<br />

ihn für bedeutend genug, um ihn als einen <strong>der</strong> ersten auszuwählen, <strong>der</strong> Kevadon in <strong>die</strong>sem teil des<br />

Landes anwendet.“<br />

Ricardson-Merrell schrieb an Grünenthal am 4.Januar 1961 über <strong>die</strong> Einführung von Thalidomids:<br />

„Wahrscheinlich haben sie schon von Merrell gehört, dass <strong>die</strong> FDA <strong>die</strong> Zulassung des Mittels zur<br />

Einführung zurückgestellt hat, weil sie noch mehr Angaben über <strong>die</strong> Toxizität benötigt.“<br />

Im gleichen Monat machten von Schra<strong>der</strong>-Beielstein und Leufgens einen Besuch in England und<br />

benutzten <strong>die</strong> Gelegenheit, ihre britischen Lizenzpartner zu kritisieren, weil sie eine Warnung von<br />

Polyneuritis auf ihren Beipackzetteln angebracht hatten. „Der offene hinweis auf <strong>die</strong> Polyneuritis ist<br />

im Hinblick auf <strong>die</strong> weltweite Bedeutung von K17 (Codename für Thalidomid) überhaupt nicht nach<br />

unserem Geschmack.“ Leufgens und von Schra<strong>der</strong>-Beielstein wiesen auf den möglichen nachteiligen<br />

Einfluss hin, den eine <strong>der</strong>artige Politik auf den neuen Zulassungsantrag haben könnte, des gerade von<br />

<strong>der</strong> FDA in den Vereinigten Statten bearbeitet wurde.<br />

Dr. Kelsyes Misstrauen war geweckt worden, als sie von den Berichten über periphere Neuritiden<br />

erfuhr, <strong>die</strong> von Leslie Florence im „British Medical Journal“ veröffentlicht wurden. Eine Notiz vom 23.<br />

Februar 1961 aus den Akten <strong>der</strong> Food and Drug Administration besagt:<br />

„Dr. Murray rief an (9.03 Uhr), um nach dem Stand von Kecadon zu fragen. Ich erklärte, dass wir uns<br />

wegen <strong>der</strong> chronischen Toxizität und des Fehlens von Tierversuchen (Histologie usw) Sorgen<br />

machten.- Er fragte, was ich unter chronischer Toxizität verstehe. Ich erwähnte <strong>die</strong> neuesten<br />

britischen Berichte, und er sagte, dass sie sie auch gesehen und wegen weiterer Informationen<br />

geschrieben hätten. Er sagte, dass <strong>die</strong> englische Firma ihrem Prospekt lediglich eine Warnung<br />

beigefügt. Ich erklärte, dass wir uns sträuben würden, das Prospekt freizugeben, solange wir nicht<br />

etwas mehr Informationen hätten, zumal im Grunde nichts über den Stoffwechsel <strong>der</strong> Verbindung<br />

bekannt ist.“<br />

In einem Brief an Merrell werden <strong>die</strong> Gründe für das Sträuben von Frau Kelsey, Thalidomid<br />

freizugeben, weiter ausgeführt.<br />

„Sehr geehrte Herren,<br />

wir beziehen uns auf Ihren neuen Antrag auf Zulassung von Arzneimitteln vom 17. Januar 1961,<br />

eingereicht nach Artikel 505b des Bundesgesetzes über Lebensmittel, Arzneimittel und Kosmetika für<br />

das Präparat `Kevadon-Tabletten`.<br />

Der Antrag ist aus folgenden Gründen gemäß Artikel 505b, Absatz1 des Gesetzes unvollständig:<br />

Es wird nicht in allen Einzelheiten über <strong>die</strong> Tierversuche berichtet. Beson<strong>der</strong>s stellen wir <strong>die</strong><br />

Unvollständigkeit <strong>der</strong> langfristigen Tierversuche zur Ermittlung <strong>der</strong> Toxizität fest, <strong>die</strong> noch im Gang<br />

sind. Wir sind <strong>der</strong> Meinung, dass von <strong>die</strong>sen Tieren vollständige Sektionsprotokolle, einschließlich <strong>der</strong><br />

entsprechenden histologischen Unterlagen des zentralen und des peripheren Nervensystems,<br />

vorliegen müssen, nachdem sie das Pharmakon mindestens ein Jahr lang erhalten haben. Das<br />

erscheint beson<strong>der</strong>s angezeigt im Hinblick auf <strong>die</strong> neuesten Mitteilungen (Brit.Med.J. 1960/II, 1954;<br />

Brit. Med.J. 1961/I,291), dass langandauernde Anwendung <strong>die</strong>ses Mittels zu peripherer sensorischer<br />

Neuropathie führen kann. Wir sind auch <strong>der</strong> Ansicht, dass weitere Informationen hinsichtlich <strong>die</strong>ser<br />

berichteten Toxizität vorzulegen sind, beson<strong>der</strong>s, soweit sie sich aus <strong>der</strong> klinischen Erprobung des<br />

Mittels ergeben. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang bitten wir Sie, uns eine vollständige Liste <strong>der</strong> Untersucher<br />

einzureichen, denen das Präparat übergeben wurde, so dass wir feststellen können, ob ähnliche<br />

schädliche Wirkungen bei kürzerer Anwendung des Mittels gesehen wurden.<br />

Da <strong>der</strong> Antrag gemäß Artikel 505b Absatz1 des Gesetzes unvollständig ist, kann er nicht als Antrag<br />

entsprechend Artikel 505b aufgefasst werden.“<br />

Am 27.Februar 1961 stand Dr. Murray von <strong>der</strong> Firma Richardson-Merrell mit von Schra<strong>der</strong>-Beielstein<br />

in telefonscher Verbindung. Er sagte ihm: „Die FDA hat sich sowohl am Telefon als auch in dem

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