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Contergan oder die Macht der Arzneimittelkonzerne - Sternentaler

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Preisentwicklung von 18 Arzneimitteln in Schweden <strong>die</strong> Preise für acht Medikamente überhaupt<br />

nicht, während sie bei sieben Präparaten stiegen und bei drei fielen. Bezogen auf 1957, schwankten<br />

<strong>die</strong> Preisindizes für 1965 zwischen 97 und 102. In <strong>die</strong>sem Zeitraum stieg <strong>der</strong> Index für<br />

Verbraucherpreise im allgemeinen um etwa 30 Prozent.<br />

In vielen großen pharmazeutischen Unternehmen ist <strong>der</strong> Aufwand für <strong>die</strong> Forschung bestimmt<br />

beträchtlich. Es werden nicht nur große Summen für <strong>die</strong>sen Zweck in den Betrieben selbst<br />

ausgegeben, son<strong>der</strong>n auch oft großzügige Beihilfen für fun<strong>die</strong>rte Forschungsvorhaben an den<br />

Universitäten und Krankenhäusern gewährt. Die CIBA-Stiftung unterstützt weiter internationale<br />

Symposien, <strong>die</strong> wegen ihres hohen wissenschaftlichen Niveaus in <strong>der</strong> ganzen Welt anerkannt<br />

werden, haben jedoch keine große Bedeutung, wenn man sie in Beziehung zu den an<strong>der</strong>en<br />

Aufwendungen <strong>der</strong>artiger Firmen setzt.<br />

Die son<strong>der</strong>bare Marktsituation auf <strong>die</strong>sem Sektor wurde während <strong>der</strong> Anhörungen des Senats recht<br />

recht gut dokumentiert. Das Grundproblem besteht darin, dass <strong>der</strong> Patient, <strong>der</strong> Verbraucher, keinen<br />

Einfluss auf <strong>die</strong> Wahl <strong>der</strong> Arzneimittel hat. „Derjenige, <strong>der</strong> sie bestellt, kauft sie nicht, und <strong>der</strong>jenige,<br />

<strong>der</strong> sie kauft, hat sie nicht bestellt“, bemerkte Kefauer. In den USA muss <strong>der</strong> Patient den größeren<br />

Anteil <strong>der</strong> Kosten für <strong>die</strong> meisten Medikamente selbst tragen. In Schweden wird <strong>der</strong> größere Teil <strong>der</strong><br />

Arzneimittelkosten vom Sozialwesen bezahlt Das hat natürlich zur Folge, dass <strong>die</strong> schwedischen Ärzte<br />

sich noch weniger für <strong>die</strong> Arzneimittelpreise interessieren. In <strong>der</strong> Zeit von 1967 bis 1969 stieg <strong>der</strong><br />

Verkauf von Arzneimitteln auf Rezept um fast 50 Prozent an, bezogen auf den Wert des<br />

Gesamtumsatzes von Medikamenten in schwedischen Apotheken. Es ist mit Sicherheit anzunehmen,<br />

dass <strong>die</strong>ser ausgeprägte Anstieg des Arzneimittelverbrauchs nicht auf einen größeren Bedarf infolge<br />

einer entsprechenden Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustandes <strong>der</strong> schwedischen<br />

Bevölkerung in <strong>die</strong>sen drei Jahren zurückzuführen war.<br />

Die großen Schwierigkeiten, denen sich kleinere pharmazeutische Firmen gegenübersehen, <strong>die</strong><br />

versuchen, sowohl in den USA als auch in Schweden einen Marktanteil zu erlangen, sind wohl<br />

bekannt. Blackmann, einer <strong>der</strong> Zeugen vor dem Unterkomitee des Senats, vertrat eine kleine Firma<br />

namens Premo. Premo hatte mit geringem Erfolg versucht Penicillin zu einem Preis von 3,75 Dollar<br />

für 100 Tabletten einzuführen. Zur gleichen Zeit verkaufte <strong>die</strong> Firma Squibb dasselbe Präparat zu<br />

dem recht hübschen Preis von 14,85 Dollar für 100 Tabletten. Blackmann berichtete dem<br />

Unterkomitee des Senats:“ Die einzige reale Konkurrenz, <strong>die</strong> es auf unserem Gebiet gibt, ist <strong>der</strong><br />

riesige Wettbewerb um Auge und Ohr des Arztes- wie viel Seiten Werbung wir herausbringen, wie<br />

viel Muster wir verteilen und wie viele Vertreter wir ins Feld schicken können. Das, und das allein,<br />

regelt letztendlich <strong>die</strong> Anerkennung des Produkts.“<br />

Das allgemeine Bild von wenigen großen Firmen, <strong>die</strong> den Markt beherrschen, trifft auch für viele<br />

europäische Län<strong>der</strong> zu. In Schweden lieferten unter etwa 40 Arzneimittelproduzenten 5<br />

Gesellschaften (Astra, Pharmacia, Kabi, Bofors, ACO) rund 80 Prozent aller im Jahre 1956 verkauften<br />

Medikamente. Diese Situation ist sicherlich <strong>der</strong> Hauptgrund für <strong>die</strong> erbitterte Opposition <strong>der</strong><br />

pharmazeutischen Industrie gegen den Verkauf von Arzneimitteln unter sogenannten<br />

Freibezeichnungen (generic names) anstelle unter Handelsnamen (trade names). (Die<br />

Freibezeichnung ist ein allgemein anerkannter Name für den aktiven Bestandteil des Arzneimittels,<br />

<strong>der</strong> unabhängig vom Hersteller immer <strong>der</strong> gleiche bleibt.) Der Hauptzweck <strong>der</strong> von den großen<br />

Unternehmen betriebenen massiven Propagandakampagnen besteht darin, den Handelsnamen jedes<br />

spezifischen Produkts fest in das Gedächtnis <strong>der</strong> Ärzte einzupflanzen.<br />

Einer <strong>der</strong> Gründe für <strong>die</strong> Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Einführung von Freibezeichnungen besteht darin,<br />

dass wahrscheinlich viele Ärzte befürchten, Arzneimittel geringerer Qualitäten zu erhalten. Wenn ein<br />

Arzt zwischen gleichwertigen Präparaten verschiedener Firmen wählen soll, neigt er dazu, ein<br />

Warenzeichen zu wählen, das von einem großen, gut bekannten Konzern herausgebracht wird, auch<br />

wenn es sogar teurer ist. Der Firmenname bietet eine Art Garantie für <strong>die</strong> Qualität des Produkts. Es<br />

gibt natürlich historische Gründe für <strong>die</strong>ses Verhalten.<br />

Die Sicherung von Qualität und Reinheit <strong>der</strong> Arzneimittelzubereitungen hat eine lange Geschichte. Im<br />

4.Jh v.u.Z. äußerte Theophrastus in seiner „Erkundung über Pflanzen“ Besorgnis über <strong>die</strong><br />

Verfälschung von Medizinern. Der griechische Arzt des 1.Jh Dioscorides erwähnte in seiner „Materia<br />

medica“ 40 Beispiele für Betrug unter etwa 1000 angeführten Drogen. Als im Jahre 1498 in Italien das

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